Seehofer vs. Guttenberg Eifersucht auf den Shootingstar

Kam ein Politiker schon mal schneller nach oben als Karl-Theodor zu Guttenberg? In wenig mehr als 100 Tagen ist der CSU-Wirtschaftsminister zum Politstar aufgestiegen. Jetzt ist aber die Zeit vorbei, in der er gehätschelt wurde. In der CSU ist ein Machtkampf ausgebrochen, den CSU-Chef Horst Seehofer eifersüchtig betreibt. Von Hans Peter Schütz

Wann wurde Seehofer unmissverständlich mitgeteilt, dass er politisch weit weniger wert ist in der Union als zu Guttenberg? Vor wenigen Tagen, auf dem Kongress in Berlin, wo das Wahlprogramm von CDU und CSU für die Medien inszeniert wurde. Er musste dort geben, was er die Rolle des "Messdieners" einer Angela Merkel nannte. Das Publikum griente vor sich hin, wie der CSU-Chef vor der Kanzlerin kuschte. Sich unterwerfen musste. Es gab schadenfrohen Beifall.

Kurz zuvor hatte Seehofer eine politische Ovation erleben müssen. Zu Guttenberg wurde auf die Bühne gebeten. Kaum saß er, riss ihn der Applaus wieder hoch. Verbeugte sich dankbar. Und wurde mit zusätzlicher Lautstärke belohnt. Höhere Phonwerte als alle anderen, viel höher als bei Seehofer.

Baumfrage beantwortet

Das war eine eindeutige Botschaft. Die "Baumfrage" der CSU ist beantwortet. Fiele Seehofer etwa durch einen Autounfall aus, zu Guttenberg wäre sein Nachfolger an der Spitze der CSU. Einen nur annähernd so eindrucksvollen Überflieger hat sie nicht.

Eine politische Erkenntnis, die psychische Wirkung beim CSU-Chef erzielte. Ihm Schmerzen an seinem ausgeprägten Ego zufügte. Und wohl der Auslöser war für ein Revanchefoul, wie es die christdemokratische Polit-Szene seit langem nicht mehr erlebt hat. Länger als eine halbe Stunde lärmte er mies machend über zu Guttenberg. "Großen Schaden" habe der in Berlin beim Kampf um den Versandkonzern Quelle angerichtet. Ohne die bayerische Staatsregierung, also ihn, Seehofer, wären die Arbeitsplätze weg gewesen. "Wir waren da an einem seidenen Faden", klagte er. Ein Name fiel nicht. Doch jedem war klar, wer hier attackiert wurde als ordnungspolischer Erbsenzähler - der Freiherr von und zu.

Revanchefoul geschönt

Zwar wurde das Revanchefoul Seehofers am nächsten Tag mit einem Dementi geschönt. Nicht zuletzt deshalb, weil zu Guttenberg supercool reagiert hatte, Seite an Seite mit SPD-Bundesfinanzminister Peer Steinbrück. "Für mich und den Kollegen Steinbrück war wichtig, dass wir Sicherheiten haben, und das haben wir bis zuletzt geprüft." Was heißt, zu Guttenberg steht zur Ordnungspolitik auch, wenn es um bayerische Wirtschaftsprobleme im Großraum Nürnberg-Fürth geht. Steinbrücks Sprecher Martin Schmuck schob das Spottwort nach, leider könne Seehofer nicht Quelle-Kunde werden, "denn dort gibt es kein Rückgrat."

Seehofer dürfte inzwischen begriffen haben, dass er gegen zu Guttenberg besser nicht seine bisherige Personalpolitik in der CSU fortsetzen sollte. Da wurde jeder mal gepiesackt. Den CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer machte er an, indem er ihm lange den CSU-Spitzenplatz bei der Bundestagswahl vorenthielt. Dem CSU-Spitzenkandidaten Markus Ferber wollte er die Strauß-Tochter Monika Hohlmeier vor die Nase setzen. Die bisherigen CSU-Spitzenpolitiker Thomas Goppel, Erwin Huber, Günther Beckstein scheint er kaum noch zu kennen. Zu Guttenberg jedoch ist letztlich unangreifbar.

Zum einen steht er unterm Schutz Angela Merkels. Er ist ihr wichtigster Mann in ihrem Kanzlerinnenwahlkampf. Verzweifelt lange hat sie nach einem Wirtschaftsmann in der Union gesucht, der Friedrich Merz ersetzen könnte. Roland Koch ist politisch schwerstbeschädigt seit der hessischen Landtagswahl, Christian Wulff hat sich selbst abgemeldet. Inzwischen lauschen die Wirtschaftsbosse zu Guttenberg mit glänzenden Augen, wenn er auf ihren Kongressen zu ihnen spricht. In der CDU nennen sie ihn stolz bereits einen Obama der Ordnungspolitik, was er gar nicht hören will. Der profillos gewordenen CDU/CSU-Wirtschaftspolitik hat er allerdings sehr wohl wieder Kontur gegeben. Schon hat die SPD die Hoffnung aufgegeben, ihn zum marktradikalen Buhmann im Wahlkampf abstempeln zu können. Zu gut kommt er in allen Umfragen beim Wähler an. Und bei allen Managern.

So steil ging die Karrierekurve des Adelmanns nach oben, dass inzwischen in der Union sogar schon diskutiert wird, ob er nach der Bundestagswahl nicht ein anderes Ministeramt schmücken sollte. Das Wirtschaftsressort hat wenig effektive Macht. Vielleicht Verteidigungsminister, spekulieren manche in der Union, denn dort hätte zu Guttenberg eine kleine Spielfläche für die Außenpolitik, die er liebt. "Er ist unser bundespolitischer Mann für alle Fälle", schwärmen viele in der CDU.

Beglückt vom Star

Aber auch in der CSU blickt man beglückt auf den neuen Star. Wer zu ihm ins Bierzelt eilt, muss mit Sicherheit stehen, kommt er nicht spätestens drei Maßkrüge vor seinem Auftritt. Mit seiner Attraktivität für CDU und CSU provoziert zu Guttenberg allerdings auch seine Parteifreunde.

Zunächst Seehofer selbst, dem er nicht ähnlich politisch angepasst folgt wie andere CSU-Spitzenpolitiker in Berlin oder München. Die Machtverschiebungen, die er in der CSU durch seinen schnellen Aufstieg bewirkt hat, haben bereits einen kaum noch bemäntelten Machtkampf in der CSU ausgelöst. Umweltminister Markus Söder, Finanzminister Georg Fahrenschon und Innenminister Joachim Hermann glaubten sich bislang auf den aussichtsreichsten Plätzen für den Fall, dass Seehofers Nachfolge geregelt werden muss. Dass Guttenberg anders als dieses Trio - Söder voran - nicht bei jedem Wimpernschlag des Ministerpräsidenten in die richtige Richtung zuckt, wird ihm in der CSU längst positiv angerechnet. Vielen geht auf den Nerv, wenn Seehofer etwa die Veröffentlichung der EU-Subventionen für Bayerns Bauern heute ablehnt, deren Bekanntgabe er als Landwirtschaftsminister gestern noch unterschrieben hatte.

Brav im Beiwagen

Die Söders und Fahrenschons nicken wohlwollend Seehofers Eskapaden ab. Tragen dessen Politik brav mit, auch wenn sie nach der Devise stattfindet "Rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln." "Die sitzen brav im Beiwagen, wenn Seehofer eine neue Kurve ansteuert", schrieb unlängst die Frankfurter Allgemeine. Viele in der CSU fragen sich schon, weshalb eigentlich Fahrenschon nicht besser auf die Kasse des Landes achtet, die jetzt schon überstrapaziert ist. Die Antwort: Er will es nicht mit zu Seehofer verderben, den längst auch schon die Eifersucht auf zu Guttenberg plagt.

Noch mehr fürchtet sich Söder um seine weitere Karriere, die schon lange aufs Amt des Ministerpräsidenten ausgerichtet ist. Lange Zeit schien er in der jüngeren CSU-Generation dabei konkurrenzlos zu sein. Das ist eindeutig vorbei. Und vermutlich auch der Grund, weshalb er schnell noch einmal an zu Guttenbergs Quelle-Lösung herum gemeckert hat, als Seehofer schon offiziell zum inneren Parteifrieden aufgerufen hatte.