Wahl 2009 Sie haben die Wahl!

  • von Sebastian Christ
Deutschland wählt heute einen neuen Bundestag. Nach einem erstaunlich leisen Wahlkampf steht viel auf dem Spiel: Für Politiker, für die Parteien - und auch für die Demokratie.

Zwei Zahlen stehen schon fest: Insgesamt 62,2 Millionen Bürger sind aufgerufen, um einen neuen Bundestag zu wählen. Die Wahllokale werden bis 18 Uhr geöffnet haben. Ob dann aber schon fest steht, wer künftig Deutschland regiert - das kann derzeit noch niemand mit hundertprozentiger Sicherheit sagen.

Zur Wahl stehen unmittelbar die Parteien und Wahlkreiskandidaten, mittelbar aber auch die beiden Kanzlerkandidaten, Frank-Walter Steinmeier (SPD) und die Amtsinhaberin Angela Merkel (CDU). In den Umfragen liegt die Christdemokratin zwar klar vor ihrem Herausforderer, doch ihre Beliebtheitskurve weist ausgerechnet kurz vor dem Wahlsonntag steil nach unten. Offenbar haben es die Wähler nicht goutiert, dass die CDU einen weitgehend inhaltsfreien Personenwahlkampf mit Merkel an der Spitze geführt hat.

Für Merkel und Steinmeier steht viel auf dem Spiel

Für Merkel steht viel auf dem Spiel. Falls sie die CDU nicht in eine schwarz-gelbe Koalition führen kann, verfehlt sie zum zweiten Mal nach 2005 ihr Wahlziel. Umfragewerte um 35 Prozent lassen zudem darauf schließen, dass die Union Gefahr läuft, eines der schlechtesten Wahlergebnisse ihrer Geschichte einzufahren. Den bisherigen Minusrekord hält Konrad Adenauer, der für CDU und CSU im Jahr 1949 nur 31 Prozent der Stimmen holte - damals gab es jedoch noch viele konservative Kleinparteien. Helmut Kohl erreichte 1998 mit 35,1 Prozent das historisch zweitschlechteste Ergebnis. Sollte sie dennoch im Amt bleiben, droht ihr eine unruhige zweite Amtszeit: als geschwächte Kanzlerin in einer Großen Koalition. Oder als Zielscheibe von Attacken der Linken, wenn sie Regierungschefin einer schwarz-gelben Koalition wird. Es gäbe wieder eine starke Opposition. Und ein eindeutiges Feindbild.

Auch die SPD bewegt sich in unruhigem Fahrwasser. Mit Umfragewerten um 26 Prozent droht auch sie den eigenen historischen Minusrekord zu knacken - 1953 holte Spitzenkandidat Erich Ollenhauer nur 28,8 Prozent. Wenn es für eine schwarz-gelbe Mehrheit reicht, rechnen Beobachter mit einem personellen Umbruch bei den Sozialdemokraten. Allerdings konnte Frank-Walter Steinmeier in den vergangenen Wochen wenigstens ein bisschen Boden gut machen. Ihm könnte gelingen, was auch schon Gerhard Schröder 2005 geschafft hat: Der CDU eine Große Koalition aufzuzwingen.

Die kleinen Parteien könnten gewinnen

Gewinner des Abends dürften die kleinen Parteien werden. Sowohl Grüne als auch Linke stehen vor dem besten Bundestagsergebnis ihrer Geschichte. Auch die FDP darf auf ein zweistelliges Ergebnis hoffen. In den Wochen nach der Wahl werden die drei kleinen Fraktionen von entscheidender Bedeutung sein. Denn im äußersten Fall reicht es für keine der beiden Volksparteien mit nur einem Partner zu einer Regierungsmehrheit.

Allerdings haben sowohl die Grünen als auch die Liberalen schon klar gemacht, was sie alles nicht wollen: Renate Künast und Jürgen Trittin möchten keine Jamaika-Koalition mit CDU und FDP, Guido Westerwelle schließt seinerseits eine Ampelkoalition mit SPD und den Grünen aus. Auch eine Rot-Rot-Grüne Koalition scheint derzeit eher unwahrscheinlich. Frank-Walter Steinmeier hatte sich wiederholt dagegen ausgesprochen, und auch mit Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) dürfte das wohl nicht zu machen sein. Ganz ausschließen kann man es trotzdem nicht - denn es gibt in der SPD durchaus Stimmen, die eine solche Konstellation befürworten. Und niemand weiß, wer im Falle eines schlechten Ergebnisses nach der Wahl bei der SPD das Sagen hat.

Blick auf die "Sonstigen" lohnt

Auf die "sonstigen Parteien" lohnt sich in diesem Jahr ebenfalls ein Blick. Aller Erfahrung nach profitieren auch sie von einer Legislaturperiode unter einer Großen Koalition. Die mitgliederstärkste unter ihnen ist mittlerweile die Piratenpartei. Sie kam in Umfragen schon auf bis zu drei Prozent. Historisch gesehen haben die "Sonstigen" seit der endgültigen Absorbierung der konservativen Kleinparteien durch die CDU Anfang der 60er Jahre zusammen nie mehr als sechs Prozent geholt. An dieser Marke dürften sie in diesem Jahr kratzen.

Auch die Wahlbeteiligung wird ein Thema sein. Kaum jemals in der Geschichte deutscher Wahlen bekannten so viele Menschen, keine Stimme abgeben zu wollen. Sollten weniger als 77,7 Prozent der Wahlberechtigten wählen gehen (Minusrekord aus dem Jahr 2005), ist mit einer Debatte um die Massenwirkung der Parteiendemokratie zu rechnen.