Für die nächsten Passionsspiele in Oberammergau hat Spielleiter Christian Stückl einen besonderen Besucherwunsch: "Den Obama und seine Familie hätte ich gerne einmal dabei", erzählt der 56-Jährige. "Die könnten auch bei mir wohnen", witzelt der Theaterintendant. Stückl leitet die 42. Spiele in seinem Heimatdorf 2020 zum vierten Mal. Und dafür wird auch in Amerika kräftig geworben. Zusammen mit Frederik Mayet (37), Jesus-Darsteller von 2010 und Pressesprecher der Passionsspiele, ging es jetzt eine Woche durch die USA und Kanada.
Auf dem Programm: San Francisco, Los Angeles, Washington, New York, Toronto. Den früheren US-Präsidenten Barack Obama trafen sie nicht, aber Reisejournalisten, Tourveranstalter, Vertreter aus Kultur und Kirche. Sie rührten die Werbetrommel für das traditionsreiche Schauspiel vom Leiden, Sterben und der Auferstehung Christi. "Hier heißt es ja Passion Play, und 'Oberammergau' kriegt komischerweise fast jeder Amerikaner heraus", scherzt Stückl.
Für Sightseeing ist beim Auftakt in San Francisco nur Zeit für einen Besuch in der Mission Dolores, der ersten Missionskirche, Baujahr 1776. Da waren die Passionsspiele schon mehr als hundert Jahre alt. Sie gehen auf ein Pestgelübde im Jahr 1633 zurück. Damals gelobten die Oberammergauer, alle zehn Jahre die letzten Tage im Leben Jesu aufzuführen, wenn niemand mehr an der Pest sterben sollte.
Spektakel mit 2000 Laiendarstellern
2020 steht die 42. Auflage an. 2000 Laiendarsteller, Sänger und Orchestermusiker wirken mit. Zu den gut 100 Aufführungen werden im Passionstheater mit über 4500 Sitzplätzen wieder knapp eine halbe Million Zuschauer aus aller Welt erwartet. "Das ist kein Selbstläufer", meint Mayet. "Man muss alle zehn Jahre wieder auf sich aufmerksam machen, sonst ist man irgendwann vergessen."
Den ersten frühen Zulauf ausländischer Besucher führt Stückl auf den britischen Tourismus-Pionier Thomas Cook im Jahr 1890 zurück. Im Jahr 2000 wurden 70 Prozent der Karten von englischsprachigen Zuschauern gekauft, 2010 ging diese Zahl allerdings auf etwa 50 Prozent zurück.
Die Amerikaner seien "schreckhafte" Touristen, die bei Krisen auch schnell abspringen, erklärt Mayet. Der Börsencrash und die schwere Finanzkrise von 2008 zeigten noch Nachwirkungen. Wenige Wochen vor der Spielpremiere im Mai 2010 stürzte eine gigantische Aschewolke nach einem Vulkanausbruch in Island den europäischen Luftverkehr ins Chaos.
Schloss Neuschwanstein liegt um die Ecke
Auf der anderen Seite des Atlantiks rühmt Stückl die Einzigartigkeit von Oberammergau: "Wir haben eine unglaubliche Tradition, wir erzählen die größte Geschichte der Welt, ein ganzes Dorf mit über 2000 Mitwirkenden steht auf der Bühne." Den Reisevertretern in San Francisco werden deutscher Wein und bayerische Fakten serviert. 1500 verschiedene Wurstarten, 1400 Brauereien hat Germany zu bieten, erfahren die Zuhörer. Oberammergau liege gleich neben Deutschlands höchstem Berg, der Zugspitze, und Schloss Neuschwanstein.
"Faszinierend alt", sagt die kalifornische Reiseveranstalterin Rosie Katz über die Passionsspiele-Tradition. Dann kommen die typischen Fragen: Ab wann lassen die Darsteller ihre Haare und Bärte wachsen? (ein Jahr vor der Premiere); sind die Texte alle auf Deutsch? (Ja, aber es gibt englische Textbücher dazu).
US-Präsidenten im Publikum
Besucher aus den USA haben in Oberammergau Tradition: Der spätere US-Präsident Herbert Hoover 1922, Automobilbauer Henry Ford 1930, Dwight Eisenhower 1950, drei Jahre vor seiner Wahl zum US-Präsidenten. 2010 waren der New Yorker Erzbischof Timothy Dolan und Rabbi Gary Greenebaum vom American Jewish Committee dabei.
Passionsfestspiele: So sichern Sie sich Tickets

In der Vergangenheit hatten jüdische Verbände vor allem aus den USA Kritik an der Aufführung geübt, doch seit einer Überarbeitung der Texte im Jahr 2000 ist diese weitgehend verstummt. Stückl verweist auf "gravierende Veränderungen" in den letzten 20 Jahren, antisemitisch verstandene Textpassagen seien gestrichen worden.
Auch bei dem strengen Spielrecht - man muss in Oberammergau geboren sein oder mindestens 20 Jahre dort leben - werden kleine Ausnahmen gemacht, zumindest für Kinder. "Dadurch konnten auch schon amerikanische Kinder mitspielen, deren Eltern bei der Nato-Schule in Oberammergau stationiert waren", sagt Stückl.
Im kommenden Oktober wird es für den Ort wieder spannend, dann werden sämtliche Rollen verteilt. Von Aschermittwoch 2019 an lassen sich alle Mitwirkenden einer alten Tradition folgend die Haare wachsen. Ende 2019 sollen die Proben beginnen. Stückl verspricht ein neues Bühnenbild, neue Kostüme und eine Überarbeitung von Musik und Text. Auch um Zuschauer wird weiter geworben. Polen, Dänemark, Schweden, Italien und Frankreich stehen auf dem Plan. Und Indien, zählt Mayet auf. "Das ist ein Markt, der im Kommen ist."
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