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Streit um das "Traumschiff" beigelegt Die "MS Deutschland" bleibt deutsch

Kehrtwende im Konflikt um das "Traumschiff": Die Investoren der "Deutschland" verzichten auf die geplante Ausflaggung. Darauf einigten sich heute Reederei und Gewerkschaft in einer Telefonkonferenz.
Von Till Bartels

Die Heuschrecke hat ausgeträumt. Die Reederei macht einen Rückzieher und hat die angedrohte Ausflaggung des berühmten Kreuzfahrtschiffes auf Eis gelegt. "Angesichts des großen Interesses an der Flagge unseres Traumschiffes 'Deutschland' haben wir heute entschieden, von dem vorgesehenen Flaggenwechsel abzusehen und die 'Deutschland' unter deutscher Flagge zu belassen", heißt es dazu in einer Pressemitteilung der Reederei Peter Deilmann. Der Reederei hatte geplant, aus Kostengründen das Schiff unter der Flagge Maltas fahren zu lassen.

Auch Karl-Heinz Biesold, der Bundesfachgruppenleiter Schifffahrt bei Verdi, bestätigte in einem Telefonat mit stern.de die Entscheidung, die in einer Telefonkonferenz mit allen Beteiligten heute fiel, und begrüßt den Kurswechsel der Reederei. "Es bleibt erst mal alles beim Alten", so Biesold. Valetta auf der Insel Malta wird nicht der neue Heimathafen werden. Weiterhin steht "Neustadt in Holstein" am Heck des Schiffes. "Ohne das klare Signal der Besatzung und ihres Kapitäns, für Arbeitsbedingungen und Löhne kämpfen zu wollen, wäre dieses Ergebnis nicht zustande gekommen", sagte Biesold.

Ein Käpitän kämpft für seine Mannschaft

Der Zoff ums Traumschiff, das während Olympia in London liegt, war in den letzten Tagen eskaliert. Allerdings hatte die Reederei am Montagvormittag im Streit um die Ausflaggung der "MS Deutschland" emotionale Töne angeschlagen. In einem offenen Brief an Bundespräsident Joachim Gauck schreiben die beiden Geschäftsführer der "Deutschland"-Reederei: "Sie dürfen uns glauben, dass auch wir nur mit Herzschmerz von der deutschen Flagge lassen. Die Reederei befindet sich jedoch aktuell immer noch in einer Sanierungsphase", so argumentieren Konstantin Bissias und Andreas Demel. Sie reagieren auf die Vorwürfe des "Deutschland"-Kapitäns Andreas Jungblut, der für den Verbleib des Traumschiffes im deutschen Schiffsregister kämpft.

Bereits am Wochenende hatten sich Teile der Mannschaft mit einer Petition an den Bundespräsidenten gewandt, der nach der Eröffnungszeremonie der Olympischen Sommerspiele in der Nacht zu Samstag an Bord der "MS Deutschland" in London schlief, wo das Schiff zur Zeit als Deutsches Haus am Themseufer festgemacht hat. In der "Bild"-Zeitung äußerte sich Jungblut am Sonntag erneut: "Wenn ein Schiff 'Deutschland' heißt und es zudem noch das berühmteste Schiff des Landes ist, dann kann man das nicht einfach so ausflaggen." Und der Kapitän legte nach: "Das ist so, als würde man das Brandenburger Tor an die Chinesen verkaufen."

Finanzielle Schieflage des Schiffes

Nun scheinen sich zumindest die emotionalen Wogen geglättet zu haben. Auch die Kapitäne bleiben an Bord. Von einer drohenden Kündigung ist nicht mehr die Rede. Die Reederei meldete ebenfalls am Montag, dass die Kapitäne Andreas Greulich und Andreas Jungblut auch weiterhin "unser Traumschiff sicher und mit viel Leidenschaft für Gast und Schiff über die Meere führen".

Finanziell könnte helfen, dass der maritime Koordinator der Bundesregierung, Staatssekretär Hans-Joachim Otto, die in Aussicht gestellte deutliche Wiedererhöhung der Flaggenförderung in Richtung des alten, bis 2009 bestehenden Niveaus umsetzt. Denn das Unternehmen mit Sitz in Neustadt an der schleswig-holsteinischen Ostseeküste befindet sich in einer finanziell angespannten Lage. Mit der Insolvenz des Flussschiffflotte im Jahre 2009, einem Brand an Bord der "MS Deutschland" im Mai 2010 und den erforderlichen Reparaturarbeiten bekam das Unternehmen Schlagseite.

Ein Investor musste deshlab vor zwei Jahren her: Seit Ende August 2010 hat bei Deilmann der Münchner Finanzinvestor Aurelius das Sagen. Dennoch hat die "MS Deutschland" im Geschäftsjahr 2011 einen operativen Verlust von 1,5 Millionen Euro eingefahren, und bei den Banken stehen Tilgungen von sechs Millionen Euro an. Dagegen lassen sich höhere Preise für Kreuzfahrten am Markt nicht durchsetzen. In den letzten Jahren hat sich das Angebot durch die Konkurrenz immer neuer Kreuzfahrtschiffe erheblich erweitert. Die Ausflaggung war daher Teil des Sanierungskonzeptes.

PR-Gau in London

Doch die Sanierer hatten die Rechnung ohne die fast zu hundert Prozent in der Gewerkschaft Verdi organisierte Crew mit ihrem rebellischen Kapitän gemacht. Als fatal erwies sich letzte Woche der Fehler, Kapitän Andreas Jungblut von Bord zu bitten. Durch die prominente Rolle als VIP-Schiff während der Olympischen Spiele in London hagelte es negative Schlagzeilen: Statt Werbung für Kreuzfahrten mit dem Traumschiff zu machen, verdeutlichte der offen ausgetragene Konflikt einen seit Jahren schleichenden Prozess, wie Jobs zu anderen Tarifbedingungen in Billiglohnländer verlagert werden.

Bei der "MS Deutschland" handelt es sich allerdings nicht um irgendwelche Arbeitsplätze, sondern um ein Symbol: eine schwimmende Botschafterin des Landes. Deshalb mischt auch die Politik mit. Sogar die FDP, die bei der Insolvenz der Schlecker-Märkte kein Verständnis für die Lage der arbeitslos gewordenen Mitarbeiterinnen zeigte, wurde plötzlich sentimental: Für den Hamburger Bundestagsabgeordneten Burkhardt Müller-Sönksen (FDP) war die Ausflaggung ein Etikettenschwindel. "Wo Deutschland draufsteht, muss auch Deutschland drin sein!"

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