Tag 20 - Von Pakbeng nach Houay Xai Am Scheideweg

Von Helge Bendl
Scheitern wir? Oder schaffen wir es doch noch nach China? Die Probleme wachsen uns über den Kopf, der Motor arbeitet immer schlechter. Und wir vermissen die Sonne.

Es ist blutrot und hinterlässt Flecken auf dem Gummi des Schlauchboots, die sich nicht mehr wegwaschen lassen. Und wahrscheinlich macht diese ölige Flüssigkeit, die wir gar nicht mehr Benzin nennen wollen, langsam aber sicher unseren Motor kaputt. Gestern Abend haben wir in Pakbeng noch einmal den kompletten Tank und einige Zusatzkanister gefüllt, und das hat dem Außenborder wohl den Rest gegeben. Die Maschine, ausgelegt auf reinstes Benzin, wie man es in Industrieländern bekommt, versagt bei der diffusen laotischen Panscherei. Keine fünf Minuten kommen wir mehr ohne Aussetzer voran, treiben manchmal sekundenlang ohne Power in den Stromschnellen - das kann sehr lange sein, wenn nicht klar ist, ob und wann Expeditionsleiter Andy Leemann den Motor wieder zum Laufen bringt. Von weiter oben am Fluss kommen ähnlich schlechte Nachrichten von der Crew, die mit dem anderen Expeditions-Schlauchboot vorausgefahren ist, als wir drei Tage lang in Thailand auf ein neues Getriebe warten mussten. Skipper Mats Wahlströhm und seine Mitstreiter hatten mit den genau gleichen Problemen zu kämpfen wie wir - sie haben ihr Schlauchboot aber schon aufgegeben und wollten anscheinend auch nicht warten und mit uns gemeinsam weiterfahren. Logistiker Armin Schoch hat daraufhin lokale Speedboote organisiert, damit die Teilnehmer weiter vorankommen - offensichtlich haben sie auf diese Weise auch schon China erreicht. Eine elegante Lösung für die Crew - das erklärte Ziel der Expedition, mit einem einzigen Boot den Mekong hinaufzufahren, haben sie aber verfehlt. Schade ist, dass wir uns keinesfalls am Ziel wieder sehen werden. Die Mit-Organisatoren und Sponsoren Mats und Ola sollen schon auf dem Heimweg sein.

Die Strömung wird stärker

Doch was hoch im Norden passiert ist nun unwichtig - wir haben genügend eigene Probleme. Wir werden das zurück gelassene Schlauchboot des ersten Teams in Houay Xai, dem Ziel der heutigen Etappe, übernehmen und dann versuchen, mit beiden Booten weiter zu fahren. In der Theorie klingt das gut. In der Praxis funktioniert das nur, wenn wir gut vorankommen - und wieder einmal sieht es nicht danach aus. "Die Strömung wird immer stärker, und selbst mit einem funktionierenden Motor würden wir nicht mehr so schnell vorankommen. Doch jetzt machen wir vielleicht noch fünf Stundenkilometer", warnt Expeditionsleiter Andy Leemann. Es passt zu unserer Stimmung, dass wir seit Luang Prabang die Sonne nicht mehr gesehen haben und uns dick in Fleece-Pullover und Segeljacken einpacken.Alle halbe Stunde das gleiche Prozedere: Filter spülen und auswechseln. Ob es hilft, wissen wir nicht, aber wir vermuten es und hoffen, so den Dreck zu minimieren, der die Leitungen im Motor verstopft. Während wir fahren, sitzt immer einer aus der Crew im Heck und ist am Pumpen, damit der Motor genügend Benzin zur Verfügung hat. Der einzige Vorteil der Zwangspausen: Wir treffen immer wieder Laoten, die am Fluss leben und unser Boot begutachten. Eine Frau spielt auf ihrem mobilen Vibraphon aus Bambus - unsere Versuche enden kläglich, aber ein Versuch war es wert. Einmal stoßen wir auch auf einen improvisierten Markt am Ufer, auf dem Händler all das verkaufen, was man hier am Fluss zu benötigen scheint. Wir sehen Suppenschüsseln und Feuerzeuge, Kleider und Taschen, Batterien und Lampen, Seifen und Zahnbürsten. Dann zuckeln wir weiter.

Glück im Unglück

Die Slow Boats mit den Touristen, die uns überholen (wir hatten uns das eigentlich etwas anders vorgestellt) können uns nicht den Fluss hinauf ziehen - sie haben zu wenig Tiefgang. Unser Schlauchboot muss leichter werden, um besser voranzukommen. Und so bleibt nur eine Möglichkeit: Gepäck und ein Teil der Crew müssen umsteigen. Wir finden ein Boot, das viele Taschen mitnehmen kann und mit Siggi Stamm und Jaja, Andys Freundin, auch einen Teil der Mannschaft. Wir von stern.de bleiben mit Andy auf dem Schlauchboot, hier sind auch Polizist Buntan und unser einheimischer Pilot. Dass das vermeintlich schnellere Boot mit Siggi und Jaja an Bord später ebenfalls mit Motorschaden liegen bleiben wird und die beiden die Nacht auf dem Wasser verbringen müssen ist eine andere Geschichte.

Ein wenig leichter geworden, kämpfen wir immerhin im Schneckentempo gegen die Strömung an. 25 Kilometer vor dem Ziel ist es aber so dunkel geworden, dass wir nicht riskieren wollen, weiter zu fahren. Auf der linken Seite des Flusses locken thailändische Dörfer, doch dort ist es nicht möglich, anzulegen - wir haben noch keinen Ausreisestempel der laotischen Behörden und würden illegal ins Land kommen. Das einem thailändischen Polizisten erklären zu müssen, der kein Englisch spricht, ist nicht sehr verlockend. Am Ende sehen wir aber auch auf der laotischen Seite Licht, finden ein hell erleuchtetes Haus und hören laute Musik. Die Bewohner finden es ziemlich lustig, das mitten in der Nacht ein paar verrückte Weiße bei ihnen vorbeikommen und geben uns Wasser zu trinken. Glück im Unglück: Die Stadt Houay Xai ist nicht mehr weit und wir können einen Helfer vor Ort anrufen. Er schickt noch in der Nacht einen Van, der uns in ein Guesthouse bringen soll. Dort können wir schlafen - unser Gepäck aber ist noch irgendwo mit Siggi und Jaja auf dem Fluss, wie wir erfahren.

Eine Frage der Entscheidung

Langsam wachsen uns die Probleme über den Kopf. Wie geht es weiter? Andy Leemann spricht klare Worte. "Jetzt ist ein Punkt erreicht, an dem wir ernsthaft überlegen müssen, ob wir die Expedition am Goldenen Dreieck beenden. Oder ob wir uns an den Franzosen ein Vorbild nehmen, die es am Ende irgendwie doch noch geschafft haben, China zu erreichen." Morgen werden wir uns entscheiden.

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