Deutschland macht wie Frankreich massiv Druck für konkrete Ergebnisse des Weltfinanzgipfels in London. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) warnte am Mittwoch in Berlin vor laschen Kompromissen der Staats- und Regierungschefs der führenden Industrie- und Schwellenländer (G20). "Deutschland will ein starkes Ergebnis", sagte sie kurz vor Beginn des Treffens.
Sie fahre mit einer Mischung aus Zuversicht und Sorge nach London, sagte Merkel. Es bestehe die Sorge, dass die G20 nicht wirklich auf die ernste Situation reagieren und doch versuchen könnten, die Dinge zu verdrängen und sie "schöner zu machen als sie sind". Die Kanzlerin schloss sich damit ausdrücklich der Position von Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy an, der vor "falschen Kompromissen" warnte. "Ich unterstütze ihn da", sagte Merkel.
Sie erteilte wie Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) Forderungen nach einem dritten deutschen Konjunkturpaket eine klare Absage. Die Kanzlerin forderte zugleich ein klares Bekenntnis gegen nationalen Protektionismus.
"Die Welt steht am Scheideweg", sagte Merkel. Die Staaten spürten aber die Verantwortung. Es müsse alles daran gesetzt werden, dass sich eine solche Krise nicht wiederhole. Dazu sei eine neue Finanzmarkt-Verfassung erforderlich. Es seien zudem Schritte über die Vereinbarungen des Finanzgipfels vom November in Washington hinaus nötig: "Wir werden uns hier sehr genau jeden Punkt, jedes Komma anschauen." Merkel mahnte konkrete Vereinbarungen an, "von denen man sich nicht wieder zurückziehen kann".
Deutschland unterstützt nach den Worten von Merkel eine Stärkung der internationalen Institutionen wie des Internationalen Währungsfonds (IWF) oder des Forums für Finanzstabilität (FSF). In London werde auch über Hilfen für die ärmeren Länder gesprochen, die die Krise nicht aus eigener Kraft bewältigen könnten. Die internationalen Finanzinstitutionen müssten einen stärkeren Beitrag leisten. Dies unterstütze auch Deutschland.
Scharfe Warnungen aus Frankreich
Kurz zuvor hatte Sarkozy erklärt, er wolle in London konkrete Ergebnisse zur Reform des Weltfinanzsystem erzielen. Die Welt erwarte von den wichtigsten Industrie- und Schwellenländern entschlossenes und rasches Handeln, um eine "neue Form des Kapitalismus zu schaffen - besser reguliert, moralischer und mit mehr Solidarität". Der Gipfel dürfe nicht scheitern. "Das würde die Welt nicht verstehen, und die Geschichte würde es uns nicht verzeihen", sagte Sarkozy.
In einem Interview drohte er sogar indirekt damit, den Gipfel platzen zu lassen. "Ich werde nicht Teil eines Gipfels sein, der mit einem faulen Kompromiss endet, welcher die Probleme nicht anpackt." Auf die Frage, ob er den Gipfel in einem solchen Fall auch vor dem offiziellen Ende verlassen werde, sagte Sarkozy, wenn sein Platz leer wäre, würde das zeigen, dass der Gipfel gescheitert ist. "Ich will nicht glauben, dass es so weit kommen wird", fügte er an.
Am Mittwochmittag hatte US-Präsident Barack Obama erneut betont, die Wirtschaftskrise sei der schwerste Abschwung seit dem Zweiten Weltkrieg. Sie könne nur gemeinsam gelöst werden, um zu garantieren, "dass so eine Krise nie wieder passiert".
Er sei zu dem G20-Gipfel nach London gekommen, um zuzuhören, erklärte Obama nach einem Treffen mit Englands Premierminister Gordon Brown. "Wir können die Herausforderung nur gemeinsam meistern", sagte Obama. Auch er warb für strenge Regeln für die globale Finanzwirtschaft.
"Ohne Überwachung keine Erholung"
Darüber hinaus sprachen sich Obama und Brown für eine umfassende Kontrolle des weltweiten Finanzssystems aus. "Ohne Überwachung wird sich die Wirtschaft nicht erholen", sagte Brown in London vor Beginn des Gipfels.
In den nächsten Stunden stehen noch Gespräche Obamas mit dem chinesischen Präsidenten Hu Jintao und dem russischen Präsidenten Dmitri Medwedew an. Bundeskanzlerin Angela Merkel wollte sich am Nachmittag hingegen mit dem französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy weiter abstimmen.
Die Staats- und Regierungschefs der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer kommen ab dem Abend in London zusammen, um die Reform des internationalen Finanzsystems weiter voranzubringen. Neben der staatlichen Regulierung der Märkte wird es bei der zweitägigen Konferenz auch um die aktuelle Krisenbewältigung gehen.