Was ist das Wichtigste bei einer Reise auf einem Kreuzfahrtschiff? Das Essen, so lautet die häufige Antwort bei Umfragen. Denn an Bord eines Schiffes strukturieren die Restaurant-Besuche den Tagesablauf. Bei vielen Reisenden hat die gebotene kulinarische Vielfalt einen höheren Stellenwert als die angelaufenen Häfen.
Daher rüsten die Reedereien auf. Der neuste Trend sind mit Michelin-Sternen ausgezeichnete Köche, sie sollen neuen Schwung in die Bordrestaurants bringen. Jüngstes Beispiel auf allerhöchstem Niveau: Hapag-Lloyd Cruises hat Kevin Fehling für die "Europa" verpflichtet.
Der Kampf um Kunden wird in der Küche entschieden
In diesem Herbst bekam die 20 Jahre alte "Europa" auf der Werft Blohm & Voss mehr als nur eine Frischzellenkur verpasst. Nicht nur das Hauptrestaurant wurde modernisiert, die feste Tischordnung und feste Tischzeiten abgeschafft, sondern Kevin Fehling durfte jetzt sein eigenes Restaurant an Bord eröffnen: The Globe, so heißt die schwimmende Dependance von Hamburgs einzigem Drei-Sterne-Koch.
"Mit der Rückkehr auf die 'Europa' geht für mich ein Traum in Erfüllung", sagt Fehling im Gespräch mit dem stern. "Ich hatte als Salatputzer angefangen." Nach seiner Ausbildung war er bereits ab 2002 zwei Jahre lang Sous-Chef auf der "Europa" und bereiste die Welt. Nach mehreren Stationen an Land eröffnete er 2015 das Restaurant The Table in der Hamburger Hafencity, das im selben Jahr gleich drei Michelin-Sterne erhielt.
Jetzt dürfen jeden Abend an Bord des Luxusliners 26 Passagiere nach einer Reservierung zu neuen kulinarischen Horizonten aufbrechen, ohne dafür wie auf anderen Schiffen einen Aufschlag zahlen zu müssen. Fehling nimmt für seine "kreative weltoffene Küche" landestypische Zutaten. Er kombiniert in seinem Geschmacksuniversum indische Gewürze, japanische Aromen und serviert alle drei Wochen ein anderes Fünf-Gänge-Menü. "Es sind die gleichen Produkte wie im Restaurant The Table", betont der Drei-Sterne-Koch.
Die Eröffnung des Restaurants an Bord des Schiffes war für Fehling ein "emotionaler Moment", eine "Rückkehr in meine Heimat". Der Name The Globe ist für ihn Programm, inspiriert durch die auf seiner Weltreise gesammelten kulinarischen Eindrücke. An der Wand seines in schlichten Grün-, Grau- und Brauntönen gehaltenen Restaurants schimmern dezent einige Sterne wie am Firmament – eine Referenz an den Hobby-Astronomen, der die Nächte oft an Deck verbrachte.
Das Geschäft mit den Aufpreis-Restaurants
Auch andere Redereien setzen auf große Namen. So nahm Tui Cruises den Berliner Sternekoch Tim Raue unter Vertrag und platzierte im Heck von "Mein Schiff 3" bis "Mein Schiff 6" das von ihm konzipierte Aufpreis-Restaurant: Die vier Hanami-Restaurants bieten asiatische Küche und Platz für 64 oder 120 Sitzplätze.
Der deutsche Marktführer Aida Cruises lockt seit den Taufen der "Aida Prima" und "Aida Perla" mit einem Kochstudio und dem Steakhouse bei Tim Mälzer seine Passagiere in ein Spezialitäten-Restaurant. Dafür hat der TV-Koch ein Drei-Gänge-Menü zusammengestellt, das der jeweiligen Reiseroute angepasst wird. Auf der jüngsten "Aida Nova" kommt zu den 16 Restaurants noch ein Event-Restaurant dazu: In dem Time Machine Restaurant sind die Ober eher Schauspieler und nehmen die Gäste auf eine Zeitreise in Vergangenheit und Zukunft mit.
Die großen Megaliner mit 4000 und mehr Passagieren lassen sich die Massen an den Buffets ihrer Selbstbedienungsrestaurants bedienen. Doch durch aufpreispflichtige Restaurants hat die gastromische Vielfalt ebenfalls zugenommen.
Reedereien, die das Konzept einer versteckten ersten Klasse eingeführt haben, wie zum Beispiel der Yacht Club bei MSC Cruises, haben für ihre hochpreisigen Gäste die Gastronomie ebenfalls verfeinert.
So hat Harald Wohlfahrt für ausgewählte Schiffe und Nordlandrouten die Menüs zusammengestellt. Weitere Gourmet-Partner bei MSC sind der französische Patissiers Jean-Philippe Maury und der spanische Tapas-Künstler Ramon Freixa.
Auch die großen US-Reedereien wie Norwegian Cruise Line haben bei ihren neuen Schiffen enorm in das Restaurantangebot investiert und die Qualität verbessern können. Das Spitzenprodukt auf den oberen Decks des Schiff-im-Schiff-Konzeptes von Norwegian Cruise Line heißt The Haven. Dessen gleichnamiges Feinschmecker-Restaurant ist nur Gästen der gehobene Reiseklasse zugänglich.
Die kleinen und feinen Luxusreedereien wie Crystal Cruises leisten sich auf ihren Schiffen die Umi Uma & Sushi Bar des japanischen Gastronom Nobu Matsuhisa. Die Edelmarke Seabourn der Carnival Corporation lässt sich für das Restaurant The Grill von Chefkoch Thomas Keller beraten.
Etwas Besonderes hat sich Silversea Cruises für das kommende Jahr einfallen lassen: An Bord des Schiffes "Silver Moon" wird es das S.A.L.T.-Programm geben. Die Abkürzung steht für "sea and land taste".
Kreuzfahrtgäste, die über ihren Tellerrand hinausschauen möchten, gehen mit lokalen Köchen auch an Land auf kulinarische Entdeckungsreise und können in die regionale Esskultur eintauchen, indem sie zum Beispiel auf Märkte gehen und Koch-Workshops besuchen. "Silver Moon wird mit diesem einzigartigen Programm ein ganzes Ökosystem rund um die kulinarische Entdeckung präsentieren, das sich deutlich von dem unterscheidet, was die Branche bisher angeboten hat", sagt Barbara Muckermann aus der Marketing-Abteilung von Silversea.
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