Grand Prix von Italien Formel Schnarch

  • von Stephan Draf
Kein Krach, kein Streit, kein Spektakel in Monza. Nur gut, dass Lewis Hamilton den Grand Prix von Italien gewann - sonst würde die Formel 1 vollends in Langeweile versinken.

Der Moment der Wahrheit würde in Monza schnell kommen, da waren sich alle Beobachter einig. Schon kurz nach dem Start, in der ersten Schikane, würde sich das Rennen entscheiden, dort bremsen die Rennfahrer ihre Autos von etwa 350 km/h auf knapp unter 80 km/h herunter. Dort würde auch die Frage beantwortet werden, die den Mercedes-Fahrern Lewis Hamilton und Nico Rosberg vor dem Start immer wieder gestellt wurde: Wie haltet ihr es in dieser engen Rechts-Links-Kurve? Attackiert ihr euch gegenseitig? Dürfen wir, so der drängende Unterton, bitte wieder auf ein Spektakel wie vor zwei Wochen hoffen, als der Nico dem Lewis ins Auto fuhr - und so der Formel-1-Gemeinde allerfeinsten Gesprächsstoff lieferte?

Nun, das Rennen wurde tatsächlich an dieser Stelle entschieden, aber viel unspektakulärer als gedacht: Hamilton verlor seine Führungsposition am Start, Rosberg ging zunächst komfortabel in Führung, Hamilton kämpfte sich heran, bis er in Runde 26 unmittelbar hinter seinem Teamkollegen lag - und Rosberg kurz vor der Schikane das Bremsen vergaß. Die aufgestellten Styropor-Hindernisse zwangen ihn zum Zickzack-Kurs, Hamilton zog derweil auf der regulären Rennstrecke entspannt vorbei. Der entscheidende Überholvorgang, er fiel also aus.

Der Formel 1 droht nun, sechs Rennen vor Ende der Saison, gähnende Langeweile - und das bei Tempo 300. Die Konstrukteurs-Wertung ist so gut wie entschieden. Dass ein anderes Team als Mercedes den Weltmeister stellt, scheint ausgeschlossen. Und nun überholen sich Rosberg und Hamilton, die beiden schnellsten Fahrer, nicht einmal mehr gegenseitig. Für die einzig verbliebene Spannung sorgte Hamilton mit seinem heutigen Sieg. Für ihn ist die Weltmeisterschaft doch noch nicht verloren. Ansonsten gilt: Das Rennen ist gelaufen.

Gezielte Deeskalation bei Mercedes

Dabei hatte sich die Formel-1-Szene unmittelbar nach dem Belgien-Rennen und dem Unfall zwischen den Hamilton und Rosberg noch wohligem Schaudern hingegeben: Krieg zwischen Teamkollegen! Schießen sich gegenseitig von der Rennstrecke! Sie könnten den sicheren Weltmeistertitel doch noch verlieren! Rosberg muss sich entschuldigen - und eine hohe Geldstrafe hat er auch bezahlt!

Und noch am Donnerstag schien das Mercedes-Team entschlossen, die Geschichte der erbitterten Rivalität der beiden Fahrer fortzuschreiben: In die obligatorische Pressekonferenz setzte man einen sichtlich missmutigen Rosberg und einen ziemlich lockeren Hamilton. Zwischen ihnen platziert: der Ferrari-Fahrer Fernando Alsonso. Der witzelte sogleich, dass er in dieser Veranstaltung keinesfalls den Friedenstifter zwischen zwei Streithähnen geben könne. Während Rosberg mit zusammengepressten Lippen noch einmal erklärte, dass der Unfall von Belgien wohl auf seine Kappe ging und dass so etwas nicht wieder vorkommen würde, scherzte Hamilton entspannt auf offener Bühne und schoss Selfies von sich und den versammelten Journalisten.

In den Tagen danach aber setzte man bei Mercedes auf gezielte Deeskalation: Nun sei es aber gut mit den Fragen nach dem Fahrerkrieg, so hieß es, wann immer jemand aus Team befragt wurde, man möge doch jetzt bitte nach vorne schauen. Und nein, das Verhältnis der beiden Fahrer sei keineswegs zerstört. "Ich kenne Nico ja lange genug - seit wir 13 sind. Das ist unser Fundament. Darauf können wir weiter bauen", gab Hamilton großzügig zu Protokoll. Rosberg wiederum wurde nicht müde zu betonen, dass sich an seinem Fahrstil nichts ändern werde, "dass wir uns nicht gegenseitig ins Auto fahren dürfen, war ja schon immer klar." Selbst Teamchef Toto Wolff, der in der Woche vor dem Rennen noch gedroht hatte, dass man sich bei weiteren groben Scharmützeln seiner Fahrer überlegen müsse, "ob man mit dieser Kombination weitermachen kann", gab sich in Monza neben der Rennstrecke deutlich gelassener: So akut sei das nicht gemeint gewesen. "Von so einer Situation sind wir ja noch sehr weit entfernt."

Kein Salz in der faden Suppe

So blieben der Formel-1-Szene bis zum Rennen nur sportliche Schlagzeilen - und die ähnelten jenen der bisherigen Saison: Überlegene Trainingsfahrten der Mercedes-Autos, Startplätze eins und zwei, wie üblich. Als Rosberg das letzte freie Training wegen Getriebeproblemen ausfallen lassen musste, hoffte so mancher noch auf eine Prise Salz in der ansonsten faden Suppe dieses Rennwochenendes - aber selbst in dieser Situation konnte das Mercedes-Team schnell Entwarnung geben.

Und so wird das Rennen von Monza wohl nur als Fußnote in die Formel-1-Geschichte eingehen, und der von Zuschauerschwund - bei den Rennen und vor den Fernseh-Bildschirmen - gebeutelten Rennserie nicht zu gesteigerter Attraktivität verhelfen. Wohl um die zweite Hälfte der Saison nicht schon von vorneherein in gähnender Langeweile versinken zu lassen, schlossen die Verantwortlichen des Mercedes-Teams in Monza eine Stallorder erneut kategorisch aus. Niki Lauda hatte in einen Interview vor Monza schon angekündigt: "Wenn beide uneinholbar sind, können sie sich von mir so oft in die Kiste fahren, wie sie wollen." Frei nach der Devise: Rooaar, bumm, bumm - in der Formel eins muss es dröhnen. Und auch mal krachen.

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