Kommentar Eine Frage von Macht und Moral

Von Elmar Brümmer
Nun ist es also amtlich: Max Mosley bleibt FIA-Präsident. Doch das umstrittene Votum für den "Verkehrs-Sünder" spaltet den Motorsport - weil es das Milliardengeschäft Formel 1 in Gefahr bringt und eines mal wieder deutlich macht: Letztendlich geht es nur ums Geld.

Fünf Minuten vor Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses im Fall Max Mosley kam die Meldung, dass der Automobilweltverband FIA mit sofortiger Wirkung die flexiblen Elemente an den Frontflügeln der Rennwagen nicht mehr zulassen will. Danach konnte einen das Wahlergebnis von Paris mit seinen 103 Ja- und 55 Nein-Stimmen kaum noch überraschen: Die Mehrheit der Mitgliedsverbände ist damit so starr geblieben wie Mosley stur.

Votum für den "Verkehrs-Sünder"

Das Rennen um den Titel des FIA-Präsidenten sollte den Motorsport nach der monatelangen Affäre befreien -doch nach dem Votum für den "Verkehrs-Sünder" Mosley bleibt er gefangen. Vertrauen ist der Anfang von allem, aber 60 Prozent Zustimmung (bei sieben Enthaltungen und vier ungültigen Stimmen) könnten auch ein Ende bedeuten - zumindest das Ende der Konsensfähigkeit.

Erst kürzlich hatte der Geschäftsführer des Williams-Rennstalls die Situation mit der im "Kalten Krieg" verglichen. Nach 15 Jahren Präsidentschaft, in dem die FIA unter der Autokratie finanziell florierte und vor allem durch die verstärkten Sicherheitsbemühungen auf Rennstrecke und Straße an Image gewann, wusste Mosley eine erkleckliche Hausmacht hinter sich. Das persönliche Ansehen war ihm in seinem einsamen Kampf zuletzt egal, er wollte für seine öffentlichen Demütigungen einfach nur die Genugtuung, an der Macht zu bleiben.

Ausgerechnet eine Weltbehörde, die sich der Fortbewegung verschrieben hat, riskiert nun den Stillstand. Spontan hat sich Deutschlands Autofahrervertretung ADAC dafür entschieden, seine Mitarbeit ruhen zu lassen. Die deutschen Funktionäre, die aus ihrer Ablehnung gegen Mosley kaum einen Hehl gemacht hatten, ließen eine entsprechende Mitteilung gleich in drei Sprachen nach der ungewöhnlich kurzen, nur drei Stunden währenden Versammlung verteilen. Sie hatten es wohl geahnt.

Europas größter Automobilklub will die Arbeitsverweigerung so lange betreiben, wie der Brite noch im Amt ist. Gewählt ist der 68-Jährige bis November 2009, aber warum danach nicht noch vier Jahre dranhängen? Vor allem die kleineren Motorsport-Landesverbände sollen Mosley zu der Mehrheit verholfen haben, was ein Grundproblem des Konstrukts FIA aufzeigt: Die mitgliederstarken Touristik- und Automobilverbände haben die gleiche Stimmanzahl wie die verhältnismäßig kleinen Sportbehörden - und nach den ersten empörten Reaktionen droht dem Gebilde FIA Spaltung.

Von der Vertrauens- zur Machtfrage

Von der Vertrauensfrage steuert die FIA auf die nächste Machtfrage zu. Die Renegaten trafen sich am Mittwochnachmittag zu einem Essen, gut möglich, dass sich der ADAC-Position auch die Autoclubs der USA und großer europäischer Länder anschließen. 24 Verbände hatten vorab Mosley zum Rücktritt aufgefordert.

Der interne Kampf der Funktionäre, mit dem Mosleys Gegner einen weiteren Umsturzversuch bei der regulären Generalversammlung im Winter in Angriff nehmen, ist nur die eine Front, an der der gewiefte Anwalt weiter um seine Position kämpfen muss. In den Tagen vor der Abstimmung hat sich Mosleys langjähriger Weggefährte Bernie Ecclestone, der als Formel-1-Vermarkter 25 Millionen Dollar pro Jahr in die FIA-Kassen überweist, ausgesprochen deutlich gegen seinen Freund gestellt und ihn offen zum Rücktritt aufgefordert.

Ein Rat, den Mosley selbst von Ecclestone nicht befolgen wollte - zumal er die Absichten der Vermarktungsgesellschaft CVC im Rahmen seiner Verteidigungslinie als Schreckgespenst an die Wand malte. Wenn dieser Machtkampf nicht Teil eines groß angelegten Strategiespiels ist, dann ist es der offene Bruch mit dem Grand-Prix-Zampano.

Offener Bruch mit dem Grand-Prix-Zampano

Dieser Konflikt ist der noch stärkere, und der öffentlichkeitswirksamere. Schließlich genießt der Fall Mosley nur ein so großes Interesse, weil die Formel 1 involviert ist, und damit einige Weltkonzerne. Nicht nur Ecclestone sieht durch einen im Ansehen beschädigten FIA-Präsidenten sein Milliardengeschäft in Gefahr.

Dort findet die Diskussion schon am Wochenende beim Großen Preis von Kanada sicher ihren Fortgang, wenngleich zuletzt niemand die Stimme offen gegen den Mann erheben wollte, der die sportlichen Reglements vorgibt und Strafen bei Verfehlungen ausspricht. Mancher wird neue Repressalien befürchten, einige trotz allem hoffen, dass die Lähmung der letzten Wochen verfliegt, und die meisten werden ganz pragmatisch zum Alltag übergehen. Welches Krisenmanagement das richtige ist, wird sich weisen. Die "Mosleyitis" hat immer noch die Kraft, den ganzen Motorsport in eine Krise zu stürzen.

Die Frage um Macht und Moral ist am Ende im Profi-Sport immer eine des Geldes: Für die einen sollte Mosley unbedingt weg, weil er geschäftsschädigend ist - für die anderen musste er bleiben, damit die FIA weiterhin gute Geschäfte macht. Ein echter Neuanfang sieht anders aus.

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