Im Jahr 2000 war "Rumpelfußball" für Spiele der deutschen Nationalmannschaft eine ebenso gängige wie zutreffende Beschreibung, Christoph Daum war designierter Bundestrainer und Bayer Leverkusen wäre beinahe tatsächlich Deutscher Meister geworden – hätte es da nicht ein Eigentor des jungen Michael Ballack gegeben. In dieser Gemengelage entstand im deutschen Fußball ein neues Magazin: "11 Freunde" hieß es, und der Anfang war, wie immer, schwer.

"Das große 11 Freunde Buch. Eine wilde Fahrt durch zwanzig Jahre Fußballkultur"
herausgegeben von Philipp Köster und Tim Jürgens
456 Seiten
Heyne Hardcore
25 Euro
Philipp Köster, bis heute Chefredakteur und seit einigen Jahren auch stern-Stimme, und der Fotograf Reinaldo Coddou H. wollten eine Zeitschrift auf den Markt bringen, die Fußball aus Sicht der Fankultur beleuchtete. Damals, im Jahr 2000, begann alles mehr oder weniger behelfsmäßig in einer kleinen Wohnung in Berlin-Friedrichshain. Die ersten Ausgaben verkauften die Redakteure eigenhändig vor Stadien. Und wenn sie bei Vereinen für Interviews anfragten, legten die Pressesprecher mitunter wortlos auf. Wohl eher aus dieser Not heraus erschien in einer der ersten Ausgaben ein Gespräch mit einer Eckfahne.
11 Freunde: Eine feste Größe in der deutschen Presselandschaft
20 Jahre später steht ganz vorne in dem Jubiläumsband "Das große 11-Freunde-Buch" ein Interview mit Pelé, den nicht wenige für den besten Fußballer aller Zeiten halten. Nicht ganz so viele, aber dennoch einige Fans halten die "11 Freunde" für das beste und interessanteste Magazin in Fußball-Deutschland. Die Höhepunkte aus den 20 Jahren haben Köster und sein Stellvertreter Tim Jürgens in dem großformatigen Band, der zum runden Geburtstag erschienen ist, versammelt.
Längst ist das Magazin eine feste Größe in der deutschen Presselandschaft. Und so schmückt man sich zum Jubiläum auch mit den ganz großen Namen: Neben Pelé tauchen Lothar Matthäus, Uwe Seeler, Per Mertesacker oder die schwedische Stürmerlegende Henrik Larsson prominent auf. Auch bei den Superstars des Geschäfts werden die "11 Freunde" für ihre hintergründigen Geschichten geschätzt. Dann aber tauchen nur wenige Seiten später Bilder von Ascheplätzen, Fußballkneipen und Stadien auf anderen Kontinenten auf. Das macht die "11 Freunde" aus: Hier wird der Weltmeister ebenso ernst genommen wie der Allesfahrer oder Amateurkicker.
Das Magazin für Fußballromantiker
Für schnöde 1:0-Berichterstattung hat sich das Magazin in seiner Geschichte ebenso wenig interessiert wie für reißerische Boulevardstorys. Dafür gibt es den "Kicker" oder die "Sport Bild". Die "11 Freunde"-Redaktion suchte immer nach den Geschichten hinter den Ergebnissen, die jeder überall nachlesen konnte. Fußball- und Fankultur sind hier keine leeren Schlagwörter – wer das Magazin aufschlägt, wird schnell erkennen, dass hier wirkliche Fußballleidenschaft am Werk ist.
Fußballleidenschaft, man könnte es auch hoffnungslose Romantik nennen. Vehement schreiben die "11 Freunde" gegen Kommerz und VAR an. Erst kürzlich legte die Redaktion in einem Online-Artikel ausführlich dar, warum sie nicht "im herkömmlichen Sinne" über RB Leipzig berichten möchte. Der Fußball entwickelt sich weiter, keine Frage, und manche Entwicklung lässt sich wohl nicht mehr aufhalten. Doch gerade deshalb braucht es ein Magazin wie "11 Freunde" – so lange wie möglich.