FC Bayern München Gewinner und Verlierer der Van-Gaal-Entlassung

Von Klaus Bellstedt
Bayern München gibt derzeit kein gutes Bild ab. Mit lautem Rumpeln flog Trainer Louis van Gaal raus. Wer profitiert bei den Bayern davon, dass der Niederländer nicht mehr Trainer ist? Und wer steht als Verlierer da?

Louis van Gaal ist nicht mehr Trainer bei den Bayern. Wem nützt der Rauswurf? Und wer steht im Club jetzt als Verlierer da?

Gewinner:

Jörg Butt

"Mit der Entscheidung, Jörg Butt aus dem Tor zu nehmen, ging die ganze Scheiße los." Spätestens seit Uli Hoeneß' Generalabrechnung mit Louis van Gaal deutet alles daraufhin, dass Bayerns neuer Fünf-Spiele-Trainer Andries Jonker im Tor bereits im nächsten Spiel gegen Bayer Leverkusen wieder auf Routinier Jörg Butt anstelle von Thomas Kraft setzen wird. Butt, 36, steht für Souveränität, er strahlt Ruhe aus. Einen ruhigen Souverän, genau das ist es, was die wacklige Defensive des FC Bayern München in den letzten fünf Saisonmatches jetzt braucht. Die Mannschaft hat sich in Teilen bereits vor der Entlassung van Gaals beim Vorstand für eine Rückkehr von Jörg Butt ausgesprochen. Der neuerliche Torwartwechsel wird also auch teamintern begrüßt.

Gewinner:

Frank Ribéry

Es war im November letzten Jahres, als Franck Ribéry der Kragen platzte. Nach einem Testspiel gegen Unterhaching hatte ihn Louis van Gaal wegen einer eher dürftigen Leistung (nach langer Verletzung) heftig attackiert. Das wollte der kleine Franzose nicht auf sich sitzen lassen. Er polterte los: "Ich kann nicht sagen, dass ich viel Spaß mit ihm habe. Ich gebe mein bestes, tue alles, um wieder fit zu sein. Aber wenn der Trainer immer schlecht über einen redet, wenn er einen immer wieder runterzieht, dann wird es schwierig", sagte Ribéry. Franck Ribéry ist auf dem Spielfeld ein Künstler. Abseits des Platzes verhält er sich oft wie eine Diva mit Starallüren. Van Gaal, selbst nicht gerade uneitel, hat das nie gepasst. Das Verhältnis der beiden Alphatiere war von Beginn an unterkühlt. "Ich mache meinen Job, er macht seinen", so sah es Ribéry. Jetzt ist van Gaal weg. Und was sagt Ribéry? "Van Gaal ist nicht wichtig, wichtig ist, dass wir die Champions League erreichen." Uli Hoeneß forderte bei seiner Wutrede am letzten Sonntag, dass die "Zwangsjacke abgestreift wird". Franck Ribéry hat das schon hinter sich.

Gewinner:

Miro Klose

Die Entlassung von Louis van Gaal könnte auch für den Edelreservisten bei den Bayern, Miro Klose, positive Folgen haben - übrigens auch über das Saisonende hinaus. Im System des Niederländers spielte der treffsichere Nationalstürmer nie eine Rolle. Da war Mario Gomez gesetzt. "Klose spielt nur, wenn viele verletzt sind", so sah van Gaal die Rolle des sensiblen Angreifers. Der fand sich damit ab. "Ich kann die Situation nicht ändern. Ich muss damit leben, so schwer es mir auch fällt", sagte Klose einmal. Innerlich hatte der Dauerfrustrierte mit den Bayern schon abgeschlossen. Sein Vertrag läuft aus, Kloses Wechsel im Sommer schien sicher. Aber nun wird in München plötzlich von einem Systemwechsel gesprochen. Es ist vorstellbar, dass Jonker mit zwei (Innen-)Stürmern spielen lässt. Und dann käme Klose zum Zug. Er hätte dann die Chance auf ein perfektes Bewerbungsschreiben an Jupp Heynckes.

Gewinner:

Andries Jonker

Der 45-jährige Niederländer ist ein treuer Vasall von Louis van Gaal. Das Duo arbeitete schon vor der Zeit bei den Bayern bereits bei Ajax Amsterdam, dem niederländischen Fußballverband KNVB und in Barcelona zusammen. Jonker war auch schon Chefcoach. Die Clubs haben eher kleine Namen: FC Volendam, MVV Maastricht und Willem II Tilburg. Jetzt hat der eloquente und beratungsoffene Jonker die einmalige Chance, wenn auch nur für fünf Spiele, einen großen Club als Boss zu trainieren. Sollte es ihm gelingen, die Bayern doch noch in die Champions League zu führen, würden sie ihm an der Säbener Straße ein kleines Denkmal bauen. Sollte es Jonker nicht gelingen, wäre es aber auch nicht schlimm. Er war ja nur der Aushilfstrainer, der den Scherbenhaufen seines früheren Chefs zusammenkehren sollte. So oder so, Jonker kann eigentlich nur gewinnen. Sein Anschlussjob bei den Bayern ist ihm auch sicher. Im Sommer übernimmt der Coach als Talentschmied die zweite Mannschaft der Bayern.

Gewinner:

Louis van Gaal

Ja, Louis van Gaal hat beim FC Bayern viel falsch gemacht. Sein größter Fehler war, ohne Not einen Torwartwechsel vorgenommen zu haben. Darüber ist er jetzt gestolpert. Kraft für Butt, das war van Gaals ganz persönliches Eigentor. Aber: Der Niederländer hat der Mannschaft nach vielen Jahren der Konzeptlosigkeit endlich wieder eine Idee von Fußball an die Hand gegeben. Ballbesitz, Ballbesitz, Ballbesitz. Getragen von einem exakten, zirkulierendem Passspiel. Das war die Handschrift von van Gaal. In seiner ersten Saison holten sie so beinahe das Triple. Daran wird man sich auch erinnern. Louis van Gaal ahnte, dass man ihn rausschmeißen würde. Zum Saisonende wäre er sowieso gegangen. Nun laufen die vollen Bezüge bis zum Ende seines Vertrags weiter. Und auch an der Prämie für das Erreichen der Champions League wäre er noch beteiligt. Rummenigge und Co. schmerzt das sehr. Van Gaal eher weniger. Auch deshalb ist er ein kleiner Gewinner.

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Verlierer:

Thomas Kraft

Es war eine einsame Entscheidung, die Louis van Gaal im Wintertrainingslager in der Torwartfrage getroffen hatte. Den jungen hochtalentierten Thomas Kraft zu installieren war mutig - zu mutig, wie die Bayern-Bosse fanden. Siehe das "Sch…."-Zitat von Uli Hoeneß. Streng genommen hat Thomas Kraft zwei Mal richtig gepatzt. Beim desaströsen 1:3 der Bayern in Hannover Anfang März, als der Torhüter einen Ball durch die Hände gleiten ließ und ein Treffer daraus resultierte. Und eben jetzt wieder beim 1:1-Unentschieden gegen Nürnberg, das die sofortige Entlassung Van Gaals zur Folge hatte. Alles deutet daraufhin, dass Kraft gegen Leverkusen vom neuen Trainer Andries Jonker auf die Bank verbannt wird. Er hat eigentlich keine andere Wahl - zumal nach den Worten von Uli Hoeneß. Das wäre dann tragisch für Kraft, dem ein ähnliches Schicksal wie Michael Rensing drohen könnte. Rensing verschwand nach seiner zweifachen Ausbootung durch Klinsmann und van Gaal in zwischenzeitlich in der Versenkung und musste sich vereinslos bei einem Bezirksligisten fit halten.

Verlierer:

Karl-Heinz Rummenigge:

Nach der verhängnisvollen 1:3-Niederlage der Bayern in Hannover am 5. März, es war die dritte Pleite hintereinander, sprach Karl-Heinz Rummenigge von einem "absoluten Tiefpunkt der Saison". Die direkte Qualifikation für die Champions League war in akuter Gefahr. Man rechnete mit der Entlassung van Gaals. Dass es doch nicht dazu kam, lag vor allem an Vorstandboss Rummenigge. Er stellte den Coach nicht in Frage - anders als Uli Hoeneß, der - so erzählt man sich in München - auch wegen seines zerrütteten Verhältnisses zunächst seine Zustimmung zur Weiterbeschäftigung verweigert haben soll. Man einigte sich schließlich darauf, bis zum Saisonende mit van Gaal weiterzuarbeiten. Es war von Anfang an klar: Dieses Konstrukt, auch aus Ermangelung an Alternativen entstanden, stand auf äußerst wackligen Beinen. Schon damals hätte Andries Jonker übernehmen können. Rummenigge wollte nicht. Nun gab er doch klein bei. Der Verein hat im Kampf um das notwendige Saisonziel fünf Wochen verloren. Die Situation hat sich nicht gebessert. Das kann man Rummenigge vorwerfen.

Verlierer:

Uli Hoeneß:

Geschichte wiederholt sich. Besonders bei Uli Hoeneß. Als Jürgen Klinsmann 2008 als Erneuerer zum FC Bayern kam, wurde er auch von Hoeneß, der damals noch Manager war, mit einer unvergleichlichen Machtfülle ausgestattet. Das Experiment musste scheitern. Klinsmann wurde rausgeschmissen - und Hoeneß warf ihm Schlamm hinterher. Das war nicht fein. Aber es passiert eben immer wieder, wenn das Bayern-Urgestein selbst Fehler macht - diese aber selbst nicht eingestehen mag. Das gleiche Spiel mit van Gaal. Sein verbaler Rundumschlag gegen den sturköpfigen Niederländer nach dessen Rauswurf war kein guter Stil. Bei allem, was Uli Hoeneß für den FC Bayern geleistet hat: Ein Stück Ansehen und Respekt hat er damit wieder eingebüßt.

Verlierer:

Christian Nerlinger:

Was macht Christian Nerlinger eigentlich genau beim FC Bayern? Offiziell ist er Sportdirektor - und damit Nachfolger von Uli Hoeneß. Der Transfer von Luiz Gustavo ist auch ein bisschen auf seinem Mist gewachsen - aber sonst? Seit 2009 bekleidet Nerlinger dieses verantwortungsvolle Amt. Ein eigenes Profil hat er sich in der Zeit aber nicht erarbeiten können. Vielleicht ist sogar das Gegenteil der Fall. Die Begleitumstände der Trennung von Louis van Gaal lassen diese Überlegung jedenfalls zu. Es war Uli Hoeneß und eben nicht Christian Nerlinger (und auch nicht Rummenigge), der auf der Pressekonferenz alle Fäden in der Hand hielt und sich zu einer Abrechnung aufschwang. Der Präsident, offiziell ohne Stimmrecht im Bayern-Vorstand, begründete die Entlassung van Gaals mit hochrotem Gesicht wie damals als er allein in München die Abteilung Attacke war. In dem Moment war Uli Hoeneß wieder der FC Bayern - und Christian Nerlinger nur sein Praktikant.

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