FC Bayern und Louis van Gaal Nichts geht mehr

Von Klaus Bellstedt
Nach der 1:3-Niederlage gegen Hannover deutet vieles auf eine baldige Entlassung von Bayern-Trainer Louis van Gaal hin. Weil der Niederländer weiter Fehler macht - und die Risse zu tief sind.

Es war eine einsame Entscheidung, die Sturkopf Louis van Gaal in der Winterpause der Bundesliga getroffen hatte. Im stillen Kämmerlein hatte er sich überlegt, seinen bisherigen Stammtorwart Jörg Butt aus dem Kasten zu nehmen, um dafür den jungen Thomas Kraft zu installieren. Die Bosse hatte er über seinen kühnen Plan nicht informiert. Rummenigge, Hoeneß (beide per Telefon) und Nerlinger (im direkten Gespräch) wurden im Trainingslager in Doha vor vollendete Tatsachen gestellt. Natürlich war das ein Affront gegen die Chefs. Wieder einmal. Indes: Das Tischtuch zwischen van Gaal und der Führungsriege war zu dem Zeitpunkt schon längst zerschnitten.

Die Entscheidung pro Kraft war mutig. Sie war riskant. Und sie könnte Louis van Gaal jetzt tatsächlich zu Fall bringen. In der AWD-Arena lief die 62. Minute als Hannovers Sergio Pinto aus 22 Metern abzog. Der Ball nahm eine merkwürdige Kurve. Er flatterte ein wenig, aber nicht so stark, als könnte er für Thomas Kraft eine ernsthafte Bedrohung werden. Er wurde es doch. Mehr noch: Der Bayern-Torwart ließ die Kugel durch die Finger gleiten und erwischte sie erst wieder hinter der Linie. Das war das 3:1 für die Niedersachsen. Es war der K.o. für den FC Bayern, der kurz zuvor wegen eines Robben-Tores noch einmal Hoffnung geschöpft hatte. Dortmund. Schalke. Hannover. Die dritte Pflichtspiel-Niederlage in Folge, besiegelt durch einen schweren Fehler von Thomas Kraft, könnte jetzt das Aus für Louis van Gaal als Bayern-Trainer bedeuten. Fußball ist manchmal ein schicksalhaftes Spiel.

Damit hier keine Missverständnisse aufkommen: Die Bayern haben nicht wegen Thomas Kraft allein verloren. Das ganze Team ließ sich in diesem "Endspiel" um die Qualifikation für die Champions League hängen. Es war eine selten einfallslose Vorstellung mit den bekannten Schwächen in der Abwehrarbeit und im Spielaufbau. Auch gegen Hannover wirkte alles wieder viel zu durchschaubar und statisch. Die Bayern haben ihren Zauber verloren - weil Louis van Gaal nicht in der Lage ist, seiner Mannschaft die Einfallslosigkeit auszutreiben. Das ist aber nur ein Defizit des Niederländers.

Dass er sich immer noch nicht auf eine feste Formation der Viererkette festlegen mag und auch bei der 1:3-Niederlage in Hannover während der Halbzeitpause wilde Wechsel in der Abwehr vornahm, die wirkungslos verpufften, muss man ihm ebenfalls anlasten. So kann sich keine Mannschaft einspielen. Im Gegenteil: So verunsichert man ein Team. Bestes Beispiel: Holger Badstuber, der momentan überhaupt kein Bein mehr an Deck bekommt, weil er nicht weiß, was van Gaal mit ihm vorhat. Mal spielt er, mal nicht. Gegen Hannover durfte der Nationalspieler eine Halbzeit ran - dann traf ihn wieder der Bannstrahl des Trainers.

Die Risse sind zu tief

"Meine Spieler haben in der zweiten Halbzeit mit einem Löwenherz gespielt, aber es hat nicht gereicht", sagte Louis van Gaal nach der Niederlage gegen Hannover. Es ist das zweite Mal innerhalb von vier Tagen, dass der Bayern-Coach seinen Spielern ein "Löwenherz" attestierte. Nach der 0:1-Pokalpleite gegen Schalke wählte er exakt diese Formulierung - und schrammte damit schon letzten Mittwoch voll an der Realität vorbei. Ein bisschen Realitätssinn bewies van Gaal dann aber doch noch. Auf die Frage des "Sky"-Reporters, was denn nun mit ihm passieren würde, antwortete der Niederländer: "Ich bin nicht in der Lage, diese Frage zu beantworten. Der Vorstand entscheidet, nicht ich."

Der Vorstand will aber noch nicht entscheiden. Zumindest nicht vor Sonntag. Das kündigte Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge unmittelbar nach der Niederlage von Hannover an. "Schlafen werde ich nicht, aber zumindest nachdenken", sagte er. Der Vorstandschef, kalkweiß im Gesicht, sprach von "katastrophalen acht Tagen" für den Fußball-Rekordmeister und sah in den Niederlagen gegen Dortmund, Schalke und jetzt gegen Hannover einen Abwärtstrend. "Was wir heute gespielt haben, das war der absolute Tiefpunkt der Saison", sagte Rummenigge. "Ich bin angeschlagen, da mache ich keinen Hehl draus."

Aus München heißt es, Louis van Gaal würde intern Fehler immer knallhart ansprechen. Bei den gefürchteten Videoanalyse-Sitzungen auf dem Trainingsgelände an der Säbener Straße würden einzelne Spieler schon mal vorgeführt und dabei fast lächerlich gemacht. Holger Badstuber soll zuletzt öfter das Opfer gewesen sein. Badstuber kann sich schon ein bisschen freuen. Vieles deutet auf eine vorzeitige Entlassung des Trainers Louis van Gaal hin. Die Risse sind einfach zu tief. Und Besserung ist nicht in Sicht. Das ist die bittere Erkenntnis aus der blutleeren Vorstellung der Bayern beim 1:3 in Hannover.

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