CHAMPIONS LEAGUE »Der Fußball-Gott ist halt kein Leverkusener«

Die Enttäuschung der Leverkusener über die 1:2 Niederlage gegen Real Madrid war groß. Doch inzwischen schauen die Verlierer wieder nach vorn.

Wieder Tränen statt Triumph, wieder alles verspielt, wieder gescheitert: Nach dem dreifachen Titel-K.o. verlor Michael Ballack endgültig den Glauben an das Gute der höheren Mächte:

»Der Fußball-Gott ist halt kein Leverkusener.« Da hatten die Bayer- Profis alles gegeben, hatten sich gegen die »Königlichen« von Real Madrid »bis zum Erbrechen« (Trainer Klaus Toppmöller) aufgebäumt und als rheinischer David dem spanischen Goliath beim 1:2 (1:2) im Champions-League-Finale von Glasgow alles abverlangt, um am Ende erneut mit leeren Händen da zu stehen.

Mitleid gab es auch von Kanzler Schröder

Selbst Bundeskanzler Gerhard Schröder drückte sein Mitgefühl aus. »Wer selbst einmal gespielt hat, der weiß, wie groß in diesem Moment die Enttäuschung darüber ist, dass es nicht geklappt hat«, schrieb Schröder an Manager Reiner Calmund. Zugleich bedankte er sich bei der Mannschaft für ihren Einsatz. »Bayer Leverkusen hat in dieser Saison durch beherztes Offensivspiel Fußball-Deutschland begeistert.« Auch in der Niederlage habe die Mannschaft Haltung bewahrt.

Bestes Jahr der Fußballgeschichte für Leverkusen

»Leider nur Zweiter, das ist das Entscheidende«, zog Ersatz- Kapitän Carsten Ramelow nach den Treffern von Raul zum 0:1 (8.), Lucio zum 1:1 (14.) und Weltstar Zinedine Zidane kurz vor dem Pausenpfiff mit einem phänomenalen Volleyschuss mitten ins Herz der Leverkusener eine bittere Saison-Bilanz. Doch die vielen negativen Gefühlswallungen wichen schnell der Erkenntnis, dass Bayer das beste Jahr seiner Fußball-Geschichte hinter sich gebracht hat: Zweiter in Europa, Zweiter in der Bundesliga, Zweiter im nationalen Pokal.

Dennoch bleibt das Bild des ewigen Verlierers haften. Doch davon dem wollten Calmund und Toppmöller beim Festbankett nichts wissen: »Trotz der Niederlage sind wir Gewinner. Wir haben zwar keine Schale gewonnen, aber Image, Reputation und viel, viel Sympathie«, machte Calmund seinen Verein zum moralischen Sieger. Und Respekt hätte man auch gewonnen. »Den hat Bayer wirklich verdient«, verneigte sich Real-Coach Vicente Del Bosque nach den dramatischen 90 Minuten im ausverkauften Hampden Park.

Toppmöller: Stolz und Wehmut

Der 50-jährige Toppmöller verbarg seine Enttäuschung nicht. Doch es kam von Herzen, als er nach dem Schlusspfiff auf seine Spieler zuging, jeden in den Arm nahm, seinem Lieblingsschüler Yildiray Bastürk die Tränen trocknete, sich bedankte und später bilanzierte, »dass wir über die ganze Saison am Limit gespielt haben. Wir haben in der Champions League Juve, Manchester und all die anderen geschlagen, und deshalb bin ich stolz«. Doch es war auch Wehmut dabei, denn Toppmöller weiß, dass diese Mannschaft ihre wichtigsten Kräfte verliert. Ballacks Wechsel an die Isar steht seit langem fest, und bei Zé Roberto ist es wohl nur noch eine Frage von Tagen, bis auch der im Finale gesperrte Brasilianer dem Rheinland Adios sagt.

»Pinkel net höher wie du kannst«

»Nach meinem Wissen ist es nicht möglich, sie zu ersetzen«, griff Toppmöller im Fall Zé Roberto dem Weggang voraus, der sich laut Calmund »in den nächsten drei Tagen entscheidet«. Trotz der 18,5 Millionen Euro, die Bayer allein an Champions-League-Prämien auf der Haben-Seite verbuchen kann, kann der Club nicht in Dimensionen von Real Madrid investieren. »Bei denen kostet allein Zidane so viel wie unsere ganze Mannschaft zusammen« - Bayers unermüdlicher Fußball- Macher Calmund hat längst erkannt, dass so etwas unterm Bayer-Kreuz nicht geht: »Pinkel net höher wie du kannst«, offenbarte »Calli« im breitesten rheinischen Dialekt seine Strategie, weiter behutsam auszugeben und Hochkaräter wie Ballack teuer zu verkaufen.

Der hätte sich unter den Augen von Spaniens König Juan Carlos und Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Wolfgang Clement »gern mit einem Titel verabschiedet. Doch zum Schluss hat einfach wieder das Glück gefehlt.« Was ihm von Leverkusen bleibt? »Drei tolle Jahre, nur positive Erinnerungen.« Und das mit den Titeln will er spätestens in München nachholen, ohne eines zu vergessen: dem bisherigen Arbeitgeber für die neue Bundesliga-Saison schnell noch die Favoritenrolle zuzuschieben. »Klar, das ist Leverkusen.«

Jetzt erst recht

In Vertretung des in den USA am Knie operierten Kapitäns Jens Nowotny brachte Carsten Ramelow eine verflixte Saison auf den Punkt: »Es war ein Top-Jahr für uns. Und da wollen wir in der nächsten Saison wieder hin.« Jetzt erst recht, so soll es weiter gehen, auch deshalb, weil Toppmöller der Mannschaft einen Geist vermittelte, der zu Höchstleistungen in 60 Pflichtspielen antrieb. »Wie ihr mit leerem Tank noch Gas gegeben habt, ohne Sprit« - auch Calmund erwies einer Verlierer-Mannschaft, die zum Sieger wurde, seine Reverenz.

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