Deutschland gegen Argentinien Vier Wirkungstreffer und ein unwürdiges Schauspiel

Mit dem 4:2 gegen eine stark ausgedünnte deutsche Mannschaft kühlt Argentinien zumindest ein bisschen die Wunden der WM-Niederlage. Die deutsche Elf steckt dagegen noch im Post-WM-Umbau.

Da standen sie also wieder, tapfere Männer mit finsteren Mienen. Gerade 52 Tage war es her, dass sie eine Ehrung dieser Deutschen über sich hatten ergehen lassen müssen, eine nicht ganz unbedeutende, wie man weiß. Zum WM-Sieg mussten Männer wie Agüero in der Nacht von Rio gratulieren. Oder sollten es zumindest. Es war die größte Niederlage für sie alle. Sie wird ihre Karrieren zieren wie ein Schmiss, vielleicht bei manchem ein Leben lang.

Nun also Düsseldorf, das erste Länderspiel nach dem Finale, wieder gegen die Deutschen. Und schon wieder sollten sie ihren deutschen Kontrahenten beklatschen, die Nationalhymnen waren noch nicht einmal erklungen. Der Stürmer Klose, der Verteidiger Mertesacker und Kapitän Lahm waren soeben aufs Feld getreten, doch sie trugen keine Trainingsanzüge mehr.

Brasilien, das war ihr persönliches Finale, mit dem Titel gingen sie in den Ruhestand. Der DFB wollte sie natürlich nicht gehen lassen ohne ein kleines Präsent, und hochleben lassen wollte man sie natürlich auch noch mal. Es dauerte am Ende nur einige Minuten, der Verband verzichtete auf ausladende Ehrerbietung, was mal als wohltuend geerdet empfinden durfte.

Haarsträubende Fehler

Heftiger Beifall brandete dafür noch einmal auf für die drei Heroen von Brasilien, die noch um den Bundesassistenztrainer-Weltmeister Hansi Flick erweitert wurden, der ab sofort ein DFB-Sportdirektor ist. Auch ein paar argentinische Spielerhände klatschten widerstrebend, dann hatten die Gäste genug gelitten.

Als sie 90 Minuten später in die Kabine schritten, stand ein 4:2-Erfolg. Mit der besten Elf waren sie angereist, nur Messi fehlte, was nicht heißt, dass sie sich nun wirklich mächtig ins Zeug gelegt hätten.

Gegen eine durch die Rücktritte der alten Kempen, zahlreiche Verletzungen (Schweinsteiger, Khedira, Hummels) und Vorsichtsmaßnahmen (Boateng, Müller, Götze) reichlich ausgedünnte deutsche Elf genügte ein effizienter Vortrag. Haarsträubende Fehler in der Defensive durch Ginter und Durm ebneten den Weg zum Sieg. 4:0 hatte es zwischenzeitlich gestanden, man musste schon wieder Historisches fürchten.

Lahm fehlt deutlich

Beinahe hätte man glauben können, dass Löw im Nachgang noch einmal veranschaulichen wollte, dass es jetzt nicht so ist, dass sich diese deutsche Elf gewissermaßen selbst zum Sieg trägt, egal, wer da auf dem Feld steht. Die stabile Defensive, sie war schwer erkämpft.

In der Defensive wird Lahm schon jetzt vermisst, die Dortmunder Kette aus Großkreutz, Ginter und Durm wirkte naiv. Davor durfte Mönchengladbachs Christoph Kramer noch einmal das Finale nachspielen, er war ja ausgeknockt worden, damals in Rio. Doch als Block erlebte man Löws Erwählte diesmal nur selten.

Was nicht heißt, dass des Bundestrainers Verlegenheitself nun heillos unterlegen gewesen wäre. Ein Chancenplus erspielte sie sich, Klose-Ersatz Gomez allein hätte für ein 4:4 sorgen müssen, denn auch die Gäste ließen im Spielaufbau immer wieder Sorglosigkeiten walten, die zu Großchancen einluden.

Unwürdiges Schauspiel

Doch bei seiner Rückkehr zielte Gomez zweimal nicht genau, und man mag sich nicht ausdenken, was passiert wäre, wenn dies nicht die erste Partie nach erfolgreicher WM gewesen wäre. Als er nach 58 Minuten für den Finaltorschützen Götze wich, da dröhnten in die allgemeine Heiterkeit heftige Pfiffe von der Tribüne.

Es war ein unwürdiges Schauspiel, und man fragt sich, warum selbst im Erfolg ein Teil des Publikums dermaßen unbarmherzig einem der eher bescheidenen Vertreter im Kader den Respekt verweigert. Gomez reagiert darauf nicht, stellt nach dem Spiel lediglich fest: "Wir haben drei große Chancen und machen kein Tor." Statt "wir" hätte er auch "ich" sagen können - und hätte damit seinen Kritikern im weiten Rund recht gegeben. Diesen gilt Gomez als grobmotorischer Chancentod, und wo man nach der WM auf Gnade gehofft hatte, scheint die Kluft zum einzigen echten Stürmer in Löws Kader eher größer geworden zu sein. Beinahe möchte man meinen, ein Teil der Fans wolle seine Lieblinge vor Gomez schützen. Man kennt ein solches Verhalten sonst nur aus Klassenzimmern, wenn sich die Mehrheit einen herauspickt, der sich nicht wehren kann.

Schon in Dortmund am Sonntag dürfte wieder einmal die falsche Neun zum Einsatz kommen, viel zu geschmeidig kombinierte Götze mit seinen Kumpel Reus. Weil auch mindestens Boateng zurückkehren wird, wie auch Müller, wird Deutschland dann wieder mehr von dem Odeur des WM-Siegers verströmen.

"Warnschuss" für die Deutschen

Doch vor allem auf den Außenverteidigerpositionen darf man gespannt sein, wer am Ende den Zuschlag erhält. Der Schalker Höwedes, bei der WM zum Linksverteidiger umgeschult, wird womöglich im Zentrum gebraucht. Gegen Schottland sollte dies kein allzu großes Problem darstellen, doch auf Dauer wird Löw nach einer Formel suchen müssen, die ihm in der Defensive jene Stabilität verleiht, die ihm diesmal in bester Vor-WM-Tradition wieder abhanden kam.

Argentinien stellte ja gewissermaßen den Epilog zu diesem WM-Titel nach. Die Feierlichkeiten sind damit offiziell abgeschlossen. Der Aushilfskapitän Manuel Neuer mahnte schon einmal im Kabinentrakt, man müsse "aufpassen, dass am Sonntag nichts passiert". Er sprach gar von einem "Warnschuss".

Der Alltag hat sie wieder. Ab sofort zählt – Achtung Kalauer: Schotten dicht.

PRODUKTE & TIPPS

Kaufkosmos