Der Führungstreffer von Klara Bühl war von beeindruckender Wucht. Die linke Außenstürmerin zog kurz vor dem Strafraum leicht nach innen und donnerte den Ball mit dem rechten Fuß links ins Tor. Die isländische Torfrau Telma Ivarsdottir versuchte gar nicht erst, in die Ecke zu hechten. Der Schuss von Bühl war zu hart und platziert. Wie einst Arjen Robben auf der rechten Seite bei den Bayern hatte Bühl die deutsche Frauen-Nationalelf im Nations-League-Spiel mit ihrer gelungenen Einzelaktion gegen Island in Führung geschossen. Und gab damit die Linie vor: Nach der 0:2-Niederlage gegen Dänemark im ersten Nations-League-Spiel machten es die DFB-Frauen in Bochum besser: Mit 4:0 gewannen sie überlegen gegen ersatzgeschwächte Isländerinnen und wahrten sich die Chance auf die Olympia-Qualifikation.
Auch wenn Island nicht zu den Top-Nationen im Frauen-Fußball gehört: Die Art und Weise von Bühls wunderschönem Tor und der klare Sieg vermitteln das Bild einer Mannschaft, die entschlossen ein Ziel vor Augen hat. Das war nach dem enttäuschenden (und blamablen) frühen WM-Aus und der Niederlage gegen Dänemark dringend notwendig. Besonders der DFB hätte sich eine weitaus hitzigere Debatte über die Zukunft der Frauen-Nationalelf eingehandelt als bisher. Der Grund: Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg hat sich nach der WM krankgemeldet. Welche Krankheit sie hat, ist unbekannt. Der DFB hüllt sich in Schweigen. Doch offenbar leidet Voss-Tecklenburg an einer Art Erschöpfungssyndrom. So lassen sich zumindest die Worte ihres Ehemannes interpretieren. Nach der WM sei sie "körperlich und mental angeschlagen" gewesen und nun "auf unbestimmte Zeit" krank geschrieben, sagte er.
Die Nationalelf verlangt eine Entscheidung
Entschlossen ist die Mannschaft auch im Bezug auf die Trainerinnen-Frage. Die Nationalspielerinnen um Kapitänin Alexandra Popp fordern den DFB auf, die Hängepartie zu beenden. "Es ist jetzt an der Zeit, dass eine Entscheidung getroffen wird und Klarheit besteht", sagte Mittelfeldspielerin Lena Lattwein nach dem Spiel gegen Island. "Es ist für uns keine schöne Situation, dass man keine Gewissheit hat." Ähnlich äußerten sich andere Spielerinnen. Popp sagte: "Natürlich benötigen wir Klarheit, wie es dann auch ganz genau weitergeht. Wir werden in den Austausch mit dem DFB gehen."
Der Verband spielt in der Frage auf Zeit, weil er in einem Dilemma steckt. Keinesfalls will sich DFB-Präsident Bernd Neuendorf vorwerfen lassen, er habe sich zu schnell von Voss-Tecklenburg getrennt und sie kaltherzig ohne Rücksicht auf ihre Erkrankung abserviert. Auf der anderen Seite kann der DFB nicht mehr lange warten. Zu lange darf und sollte eine Nationalelf nicht führungslos dastehen, besonders wenn wichtige Spiele anstehen. Die Qualifikation für das olympische Turnier ist das nächste große sportliche Ziel. Das haben die Nationalspielerinnen in ihren Statements deutlich gemacht.
Dabei erweckten die Spielerinnen nicht den Eindruck, dass sie hundertprozentig hinter Voss-Tecklenburg stehen. Popps Äußerungen vor dem Dänemark-Spiel klangen eher nüchtern. "Wir hoffen, dass Martina wieder gesund wird und voll genesen irgendwann wieder da ist. Alles andere entscheidet der Verband und nicht wir", hatte sie gesagt. Das kann man auch anders formulieren.
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Die schwache WM wirkt sich auf die Mannschaft aus
Die schwachen Leistungen bei der WM wirken auf jeden Fall nach, und es ist einiges aufzuarbeiten. Selbst Assistenztrainerin Britta Carlson sprach von "einem Rucksack", den die Mannschaft mit sich herumschleppe. Warum zum Beispiel waren so viele Nationalspielerinnen in Australien komplett außer Form? In der Mannschaft soll es Konflikte geben, die nicht klar moderiert werden. So sollen sich die Spielerinnen von Eintracht Frankfurt benachteiligt fühlen im Vergleich zum Wolfsburg- und Bayern-Block.
Die Debatte nimmt Fahrt auf, und das weiß der DFB. Deshalb will der Verband, so heißt es, bis zu den Länderspielen Ende Oktober gegen Wales und Island (Rückspiel) eine Entscheidung treffen. Die "Bild"-Zeitung berichtete, der zuletzt als Nationaltrainer der Türkei tätige Stefan Kuntz sei ein Kandidat, sollte Voss-Tecklenburg nicht weitermachen. Der 60-Jährige war erst vor ein paar Tagen in der Türkei von seinen Aufgaben entbunden worden. Der Deutsche Fußball-Bund kommentierte den Bericht nicht. "Dazu habe ich keine Info", sagte eine Sprecherin.
Quellen: DPA, "Frankfurter Rundschau", ZDF, "Bild"