Ein Erdbeben erschüttert den deutschen Fußball, Schockwellen breiten sich aus. Der frühere DFB-Präsident Theo Zwanziger führt über das Nachrichtenmagazin "Spiegel" einen Großangriff auf seinen Nachfolger, Wolfgang Niersbach; bezichtigt ihn der Lüge. Der aktuelle Präsident und sein Vorgänger befehden sich schon seit langem. Zwanzigers Angriff gilt aber nicht nur Niersbach, sondern auch den anderen Machern des Sommermärchens 2006 sowie einem aufklärungsresistenten Fußballverband.
Die Version, die Zwanziger und der "Spiegel" verbreiten, lautet: Es soll eine schwarze Kasse beim WM-Organisationskomitee gegeben haben, um die WM 2006 nach Deutschland zu holen. Das Geld dafür soll vom früheren Adidas-Boss Robert Louis-Dreyfus stammen, der es dem OK im Jahr 2000 als Darlehen gewährt habe. 2005 zahlte das OK demnach die 6,7 Millionen Euro über die Fifa an Dreyfus zurück. Und Niersbach soll schon 2004 oder früher maßgeblich an den Vorgängen beteiligt gewesen sein. Die Fäden muss aber ein anderer gezogen haben: die deutsche Fußball-Ikone Franz Beckenbauer. Der "Kaiser" war Chef des OK.
Fragen über Fragen, bisher keine Antworten
Wer weiß also was? Niersbach berief sich in seiner Erklärung, die er in einer hastig einberufenen und wenig souveränen Pressekonferenz vortrug, auf "den Franz": Beckenbauer habe damals mit der Fifa über einen Zuschuss für die WM verhandelt, dessen Bedingung die Zahlung von 6,7 Millionen Euro an die Fifa gewesen sei. Das Dumme an der Version von Niersbach und Beckenauer ist nur: Fifa-Boss Sepp Blatter bestreitet das. Er wisse nichts von einem derartigen Vorgang. Harte Beweise für seine Erklärung lieferte der DFB-Präsident bis heute nicht.
Die Fragen türmen sich also immer weiter auf, und je drängender sie werden desto schwammiger werden die Antworten. Franz Beckenbauer rückt dabei immer mehr in den in den Fokus. Beckenbauer soll sogar den Schuldschein für Dreyfus persönlich unterzeichnet haben. Bisher schweigt er beharrlich.
Der "Kaiser" muss sich erklären
Beckenbauer hat als Spieler, Trainer und Funktionär Unglaubliches geleistet für den deutschen Fußball. Doch seine Verstrickungen in das globale Korruptionssystem der Fifa treten immer deutlicher hervor. Das Denkmal bröckelt. Die Ethik-Kommission des Weltfußballverbandes hat gegen ihn ermittelt, weil er sich als Mitglied des Exekutivkomitees für die in Verdacht geratene Vergabe der Weltmeisterschaften an Russland 2018 und an Katar 2022 verdächtig gemacht hat. Die Ergebnisse der Ermittlungen stehen noch aus.
Und jetzt also möglicherweise schwarze Kassen beim DFB. Auch andere sind neben Niersbach mutmaßlich beteiligt gewesen an den dubiosen Vorgängen: Günter Netzer als Botschafter, Horst R. Schmidt, der langjährige DFB-Funktionär, oder Fedor Radmann, der Spezi von Beckenbauer in dem Gremium. Doch keiner trug so viel Verantwortung wie Beckenbauer. Der "Kaiser" war der Mastermind. Es wird Zeit, dass er endlich Antworten liefert. Es wäre ein weiterer Dienst am deutschen Fußball.