"Bundesliga, we have a problem" könnte man nach dem Wochenende laut ausrufen. Bei der krassen Fehlentscheidung von Schiedsrichter Sascha Stegemann und dem Versagen des Video Assistent Referee (VAR) im Spiel zwischen dem Abstiegskandidaten VfL Bochum und dem Titel-Anwärter Borussia Dortmund am Freitagabend ging es zwar nicht um Leben und Tor wie bei der Mondmission Apollo 13 vor 53 Jahren, dennoch wird sie vermutlich lange nachhallen. Stegemann versuchte alles, die hitzige Debatte durch öffentliches zu Kreuze Kriechen einzufangen. Mehrfach erklärte er, wie die Entscheidung zustande kam, das klare Foul an Karim Adeyemi im Bochumer Strafraum nicht zu ahnden. Stegemann berichtete zudem, dass er und seine Familie ernsthafte Morddrohungen erhalten hätten. Doch es half alles nichts. Die Bundesliga hat ein VAR-Problem, das sich nicht durch Entschuldigungen und Erklärungen in Luft auflöst.
Die Heftigkeit der Reaktionen hat einen Grund: Es ist nicht auszuschließen, dass die Fehlentscheidung mit darüber entscheidet, wer Deutscher Meister wird. Dortmund wurde einer großen Chance beraubt, dass Spiel gegen Bochum zu gewinnen und die Tabellenführung zu verteidigen. So endete die Partie 1:1 und der BVB verlor Platz eins an die Bayern. Es wäre das erste Mal seit der Einführung des Videobeweises in der Bundesliga vor knapp sechs Jahren, dass der VAR einen Titelkampf unmittelbar beeinflusste.
Hat die Bundesliga ein Schiedsrichter-Problem?
Bei aller Aufregung bleibt die Frage: Wieso sorgt der VAR in Deutschland regelmäßig für Aufregung und Kritik? Ein Grund ist sicherlich der Glaube vieler Anhänger und auch so mancher Journalisten, dass jeder Fehler durch den VAR ausgeschlossen wird. Darauf wies jüngst Schiedsrichter Felix Brych im Interview mit dem stern hin: Allgemein sei die "Fehlertoleranz" bei den Menschen niedriger, weil viele glaubten, dass "jetzt keine Fehlentscheidungen mehr passieren", beschrieb Brych den Sachverhalt. Doch die passierten genauso wie früher.
Was Brych nicht sagt: Möglicherweise hat Deutschland ein Qualitätsproblem bei seinen Schiedsrichtern. Nur zur Erinnerung: Stegemann, immerhin einer von zehn Fifa-Schiedsrichtern des DFB, stand in dieser Saison schon einmal im Zentrum eines Aufregers. Ebenfalls beteiligt: der BVB und Adeyemi, aber unter anderen Vorzeichen. Am zwölften Spieltag hatte Stegemann ein Foul Adeyemis an Eintrachts Frankfurts Jasper Lindström übersehen und nicht auf Strafstoß entschieden. Auch damals war die Aufregung groß. Dass einem Schiedsrichter zwei Mal innerhalb einer Saison solche Fehler passieren, ist zumindest ärgerlich.
Eine "Challenge" könnten helfen
Zu Verteidigung Stegemanns lässt sich anführen, dass der größere Fehler im aktuellen Fall vom Videoassistenten begangen wurde. In diesem Fall war es der Unparteiische Robert Hartmann, der durch sein Nicht-Eingreifen die Sache erst richtig verschärfte. Er hätte Stegemann den Hinweis geben müssen, sich die strittige Szene noch einmal am Feld-Monitor anzuschauen. Man darf davon ausgehen, dass Stegemann auf Strafstoß entschieden hätte, wenn er die Szene mit den gleichen Bildern gesehen hätte. So aber entschieden zwei Schiedsrichter jeweils falsch. Das Fußball-Fachmagazin "Kicker" wies daraufhin, dass Hartmann zum fünften Mal als Verantwortlicher im Kölner Keller daneben lag.
Was also tun, um eine Verbesserung zu erwirken? Eine Maßnahme, die schon länger diskutiert wird, ist die Einführung einer sogenannten "Challenge". Bei der "Challenge" können die Trainer in bestimmten Situationen selbst die Nutzung des Videobeweises durch die Unparteiischen anfordern. In der amerikanischen NFL können Trainer zwei Mal pro Spiel eine Video-Überprüfung fordern. Aus der Bundesliga kommen für die Maßnahme positive Signale: "In solchen Fällen, in denen offensichtlich klare Fehlentscheidungen getroffen werden, sollten Trainer diese Möglichkeit bekommen. Pro Halbzeit einmal wäre sinnvoll", sagte Steffen Baumgart, Trainer des 1. FC Köln, dem "Kicker". Auch sein Bundesliga-Kollege Thomas Reis vom FC Schalke 04 ist der Meinung, "dass dies eine Möglichkeit sein könnte". Es müsse darum gehen, "Abläufe zu optimieren."
Mit einer "Challenge" hätte sich der Irrtum vom Freitagabend schnell in Luft aufgelöst.
Quellen: "Kicker", "Frankfurter Allgemeine Zeitung", DPA