"Freiheit für Papa" Drama um Liverpool-Star Diaz: Was hinter der Entführung seines Vaters steckt

Luis Diaz vom FC Liverpool: "Ich bitte die ELN um die sofortige Freilassung meines Vaters"
Luis Diaz vom FC Liverpool: "Ich bitte die ELN um die sofortige Freilassung meines Vaters"
© Justin Tallis / AFP
Liverpool-Profi Luis Diaz hat in einem bewegenden Aufruf um die Freilassung seines entführten Vaters gebeten. Der ist in Kolumbien von einer Guerilla-Bewegung verschleppt worden. Der Fall bewegt nicht nur Reds-Trainer Jürgen Klopp, sondern ein ganzes Land. 

Der Albtraum des Luis Diaz dauert an. Der kolumbianische Linksaußen erzielte nach seiner Einwechslung den 1:1-Ausgleichstreffer im Premier-League-Spiel gegen Luton Town, doch das dürfte ihn kaum von seinen Sorgen um seinen Vater befreien. Mane Diaz wurde vor anderthalb Wochen von der linken Guerilla-Bewegung ELN (Ejército de Liberación Nacional) von einer Tankstelle im Norden des Landes nahe der Heimatstadt der Familie entführt. Die Kidnapper nahmen auch die Mutter in ihre Gewalt, die von Sicherheitskräften aber schnell befreit wurde. Jetzt bangen Diaz, die Angehörigen und das ganze Land um den Vater des besten Fußballers des Landes.

Dem 26-Jährigen bleibt nichts anderes übrig, als an die Entführer zu appellieren, seinen Vater freizulassen. Nach dem Tor gegen Luton zog er sein Trikot hoch und zeigte die Aufschrift "Freiheit für Papa". Gleichzeitig veröffentlichte der Nationalspieler auf Instagram ein bewegendes Statement. "Heute spricht nicht der Fußballer zu euch. Heute spricht Lucho Diaz, der Sohn von Luis Manuel Diaz, zu euch. Mane, mein Vater, ist ein unermüdlicher Arbeiter, eine Stütze der Familie, und er wurde entführt. Ich bitte die ELN um die sofortige Freilassung meines Vaters, und ich bitte die internationalen Organisationen, sich gemeinsam für seine Freiheit einzusetzen."

Entführungen sind ein eigener Industriezweig

Weiter heißt es in dem Text: "Mit jeder Sekunde, mit jeder Minute wird unsere Angst größer. Meine Mutter, meine Brüder und ich sind verzweifelt, verängstigt und haben keine Worte, um zu beschreiben, was wir fühlen. Dieses Leiden wird erst ein Ende haben, wenn wir ihn wieder zu Hause haben. Ich bitte Sie, ihn sofort freizulassen, seine Unversehrtheit zu respektieren und dieses schmerzhafte Warten so schnell wie möglich zu beenden."

Die Entführung von Diaz' Vater ist in dem Land nichts Ungewöhnliches. Lange tobte ein Bürgerkrieg in Kolumbien, der nach wie vor nicht restlos befriedet ist. Rechte Paramilitärs, linke Guerilla-Bewegungen, kriminelle Banden, aber auch Polizei und Armee waren an den brutalen Kämpfen beteiligt. Die grassierende Armut tut ihr Übriges, um Kolumbien zu einer der gefährlichsten Regionen auf dem Erdball zu machen.

Familie und Unterstützer demonstrieren in der Heimatstadt der Familie in Barrancas für die Freilassung von Mane Diaz
Familie und Unterstützer demonstrieren in der Heimatstadt der Familie in Barrancas für die Freilassung von Mane Diaz
© Lismari Machado / DPA

Entführungen waren und sind als Druckmittel und Finanzierungsmethode immer fester Bestandteil der exzessiven Konflikte gewesen. Die bekannteste Rebellengruppe des Landes, die linke Farc, hat eingestanden, insgesamt 21.000 Menschen entführt zu haben, solange sie aktiv war. 2016 schloss die Regierung mit der Farc einen Friedensvertrag, doch es existieren weiterhin zahlreiche Splittergruppen und andere Bewegungen wie eben die ELN, die über etwa 3000 Kämpfer verfügen soll.

Die Entführer haben die Solidarität unterschätzt

Doch möglicherweise ist die ELN mit der Tat einen Schritt zu weit gegangen. Diaz ist äußerst populär und das aktuell größte Fußball-Idol Kolumbiens. Das spät entdeckte Talent stammt aus der indigenen Minderheit der Wayuu, die hauptsächlich im Norden des Landes lebt. Dass die ELN hinter der Tat steckt, gab die Regierung erst vergangene Woche bekannt. Später tauchte ein Audiomittschnitt auf, in dem ein führender Vertreter die Täterschaft der ELN bestätigte und versprach, "den Vater von Herrn Díaz" wieder freizulassen, und zwar "so schnell wie möglich".

Er sei schließlich ein "Verwandter des großen Sportlers, den alle Kolumbianer lieben", hieß es in einem Statement weiter. Die Untergruppe der ELN behauptete sogar, Díaz senior versehentlich entführt zu haben, seine Identität sei gar nicht bekannt gewesen. "Luis ist ein Symbol Kolumbiens – und so empfindet das auch die ELN", ergänzte Antonio García aus dem Oberkommando der Guerillagruppe. Er bezeichnete die Entführung gar als "Fehler".

Zumindest deuten die hoffnungsvollen Worte darauf hin, dass die ELN die Welle der Solidarität möglicherweise unterschätzt hat. Fast täglich fanden in der vergangenen Woche Demonstrationen statt, auf denen die Freilassung von Mane Diaz gefordert wurde. Überall war "Libérenlo ya" (Lasst ihn sofort frei) auf Transparenten, Bettlaken und Häuserwänden zu lesen. Sogar Präsident Gustavo Petro schaltete sich ein: "Die ELN hat eine Tat begangen, die dem Friedensprozess zuwiderläuft", sagte er. "Sie sind für das Leben des Vaters von Luis Díaz verantwortlich.

Für Luis Diaz dauert die Ungewissheit an

Dennoch ist es fraglich, ob die Freilassung tatsächlich bald erfolgt. Die ELN hat im August dieses Jahres einen Waffenstillstand mit der Regierung vereinbart und wird das prominente Entführungsopfer möglicherweise als Faustpfand in den Friedensverhandlungen einsetzen. Was die Lage zusätzlich erschwert: Die Guerillas sind dezentral organisiert, die einzelnen Gruppen zeichnen sich durch eine große Autonomie aus. Wenn also ein führender Kommandant wie Garcia, das Kidnapping als "Fehler" bezeichnet, muss das längst noch nicht heißen, dass das die Einheit, die die Entführung begangen hat, genauso sieht.

Für Diaz heißt das: Die unerträgliche Ungewissheit über das Schicksal seines Vaters dauert an. "Wir wollten Lucho - und er wollte es auch - die Möglichkeit geben, sich ein wenig von den anderen Dingen abzulenken", sagte Liverpools Trainer Jürgen Klopp nach dem Spiel gegen Luton. "Er kann nicht nichts tun, er wartet die ganze Zeit, die ganze Familie wartet die ganze Zeit." Die Zeichen aus Kolumbien seien "eher positiv", so Klopp, "aber das, was wir alle hören wollen, das ist noch nicht passiert".

Quellen: DPA, "Süddeutsche Zeitung", "Spiegel", "t-online"

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