Ganz Österreich träumt nun wieder von Córdoba...
Lassen wir die Kirche im Dorf. Wir haben gut gespielt gegen Polen, die ganze Mannschaft. Das hat mich gefreut.
Das klingt nach einem großen Aber?
Jeder hat auch gesehen, dass noch Luft nach oben bleibt. Wir machen aus den vielen Chancen einfach zu wenig Tore. Und jetzt die Deutschen, mein Gott, wir hoffen halt immer. Auf alle Fälle hat die Mannschaft gezeigt, dass sie kämpfen kann. Das macht Mut.
Bis heute bleibt der Eindruck: Österreich lebt vom Sieg in Córdoba, und Sie tragen die Last allein auf ihren Schultern?
Es gibt keine Last. Wir haben ein Mal in 50 Jahren gegen unseren großen Bruder gewonnen, Das war's. Das ist immer die Geschichte David gegen Goliath. Wir haben uns bisher immer auf die Hinterbeine gestellt und oft eine Watschn bekommen.
Sehen Sie Chancen auf ein zweites Córdoba?
Was heißt zweites Córdoba, wir spielen in Wien. Wir sind der Außenseiter. Aber auch der hat die Chance, Schwergewichte wie Kroatien, Polen und Deutschland in Schwierigkeiten zu bringen. Das haben wir in den ersten beiden Spielen gesehen.
DDR-Stürmer Jürgen Sparwasser, der durch sein Tor bei der WM 1974 den "Westen" bezwang, hat einmal gesagt: "Schreibt auf meinem Grabstein, Ort, Ergebnis und Datum des Spiels, dann weiß jeder, wer da liegt." Was soll denn auf Ihrem stehen, einfach Córdoba?
Des will ich gar nicht wissen. Ich wünsche dem Sparwasser ein sehr langes Leben und mir auch.
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Aber Córdoba ist gleichbedeutend mit dem Namen Krankl?
Wir wollen mal nicht übertreiben. Ich stand mit Barcelona gegen Düsseldorf im Europacupfinale, und wir sind Europapokalsieger geworden. Ich hab ein Tor geschossen. Und gegen Deutschland hab ich oft gespielt, leider nur ein Mal gewonnen. Und ich war vier Monate Trainer von Fortuna Köln. Córdoba war etwas Besonderes, aber die Leute kennen mich auch so.
Die Videokassette mit den Toren aber schauen Sie sich schon noch an?
Schon lange nicht mehr. Ich weiß ja, wie sie gefallen sind, ich hab sie ja geschossen. Selbst in Deutschland hat man registriert, dass es zwei sehr schöne Tore waren. Man sollte aber dem Ganzen keine allzu große Bedeutung beimessen. Es war nur ein besonderer Sieg bei einer WM.
Ganz Österreich stand Kopf. Und Sie haben die Nacht durchgefeiert?
Na, das wüsste ich aber. Besonders kann das nicht gewesen sein. Wissen Sie warum?
Nein.
Ich kann mich nicht mehr erinnern. Gefeiert haben wir bestimmt ein bisserl, aber ein rauschendes Fest gab es keines. Wir haben uns gefreut, weil wir gewonnen haben und sind zwei Tage später heimgeflogen.
Wie haben denn die deutschen Spieler reagiert?
Der Rüssmann war völlig fertig. Dem liefen die Tränen runter. Da hab ich ihn getröstet, habe mit ihm gesprochen und ihm gesagt, er soll sich nichts daraus machen. Wir haben Leibchen getauscht, aber er war zerstört. Die haben ihn alle zum Sündenbock gemacht, dabei war er einer der Besten auf dem Platz. Mit Hansi Müller hab ich geredet, der war nicht gut drauf, weil es in der Mannschaft nicht stimmte.
Sie wollen sagen, die Deutschen haben gestritten damals?
Wir haben jedenfalls gemerkt, da stimmt was nicht. Da rauscht es im Karton. Freundschaft und Harmonie waren offensichtlich nicht so ausgeprägt. Es gab wohl Probleme der Spieler untereinander.
Haben Sie Ihre Gegenspieler Rüssmann, Vogts und Maier später wiedergetroffen?
Rüssmann hat mich besucht, als ich mit Barcelona gegen Köln gespielt habe, den Berti hab ich als österreichischer Nationaltrainer getroffen, wir haben in Schottland gespielt, er war dort Nationaltrainer. Und bei Tagungen der Nationaltrainer haben wir uns getroffen.
Und Sie haben über Córdoba geredet?
Warum denn, ich mag die beiden. Vor allem Berti, weil er in Deutschland als Trainer nicht so anerkannt wurde, wie er es verdient gehabt hätte.
Andere reagierten etwas gereizt auf die deutsche Niederlage. Ein Boulevardblatt soll Ihre Telefonnummer veröffentlicht haben...
Irgendwo ist meine Nummer bekannt geworden. Keine Ahnung, wie das passiert ist. Aber sie werden sich wundern, es gab auch sehr viele positive Anrufe aus Deutschland. Viele haben angerufen und haben mir gratuliert. Einer hat sich bedankt, dass wir die Deutschen geschlagen haben, er meinte, das war keine gute deutsche Mannschaft.
Keine Beschimpfungen für Sie?
Ein paar. Ich habe dann meine Nummer gewechselt, aber das dauerte einen halben Tag. Außerdem ist der Treffer zum "Tor des Monats" gewählt worden. Bei euch in Deutschland. Da zieh ich heute noch dankbar den Hut.
Hat Córdoba Ihr Leben verändert?
Ich bin von Rapid zu einem der besten Klubs der Welt, zum FC Barcelona. Das kam nicht nur durch diese Tore. Ich hatte auch schon gegen Schweden und Spanien welche gemacht. Da hat Valencia angerufen, nach Córdoba kam Barcelona.
Hat Ihnen das Tor denn Glück gebracht?
Es waren zwei, bitte. Beide sind ein Stück Sportgeschichte und Fußballgeschichte für Österreich. Das ist schön, das es mir passiert ist, aber auch nicht mehr.
Und wie sind Sie damals in Österreich empfangen worden?
Zur damaligen Zeit fast untypisch für unser Land. Tausende waren am Flughafen und haben uns jubelnd empfangen.
Später waren Sie Nationaltrainer in Österreich, ein Traumjob?
Nein, wirklich nicht. Vier Jahre reichen mir. Ich hatte zwei Qualifikationen zu spielen, zwei Mal gegen starke Gegner, wir haben es zwei Mal nicht geschafft. Damals kamen viele junge Spieler ins Team, und am Ende hat sich der Verband gegen mich entschieden.
Interview: Oliver Trust