Finalgegner Spanien Wer stoppt den Mittelfeldzauber?

Eine Analyse von Nico Stankewitz
Die spanische Nationalelf spielt ihr bestes Turnier. Der brillante Angriffsfußball und das effektive Kurzpassspiel beeindrucken. Aber die Spanier sind nicht unbesiegbar. Allerdings braucht Deutschland im EM-Finale eine noch bessere Leistung als gegen Portugal.

Auf die deutsche Nationalmannschaft wartet in Wien die schwerste Aufgabe des Turniers. Spanien hat alle fünf Spiele gewonnen und dabei fast ausschließlich überzeugt. Am meisten Probleme hatte der Finalfavorit noch mit den teilweise sehr defensiv auftretenden Schweden und Italienern, aber auch in diesen Spielen war Spanien die überlegene und spielgestaltende Mannschaft.

Torres - die Sturm-Herausforderung

Auf die deutsche Hintermannschaft kommt dabei eine besondere Herausforderung zu: Fernando Torres. 24-Jähriger Topangreifer vom FC Liverpool ist ein körperlich und technisch starker Mittelstürmer, schnell und torgefährlich. 24 Tore erzielte Torres in dieser Saison in der englischen Premier League, ein toller Torjäger und ein wertvoller Teamspieler. Im Endspiel will Torres seinen persönlichen Rekord ausbauen, denn er stand mit der U16 und der U19 bereits in drei europäischen Endspielen und gewann dabei immer. Dabei gab es im Juli 2002 in Oslo auch einen Finalsieg gegen Deutschland, zu dem Torres ebenfalls den Siegtreffer beisteuerte. In der spanischen Elf stand auch sein jetziger Mitspieler Andres Iniesta, auf deutscher Seite wurde Philipp Lahm immerhin eingewechselt. Aus den beiden EM-Kadern waren außerdem noch der Spanier Sergio Garcia und die Deutschen Piotr Trochowski und David Odonkor dabei.

Verzichten muss Torres in seinem vierten Finale allerdings auf seinen kongenialen Partner in diesem Turnier, den vierfachen Torschützen David Villa vom FC Valencia, der wohl verletzt ausfallen wird. Im Sturm könnte er durch den spanischen Torschützenkönig und Edeljoker Daniel Güiza ersetzt werden, aber wahrscheinlicher ist eine ähnliche Umstellung, wie sie Trainer Luis Aragones bereits im Halbfinale nach dem Ausscheiden von Villa spielen ließ: Aus dem 4-4-2 wird eine Art 4-1-4-1, mit Senna als knallhartem Abräumer vor der Viererkette, Torres ganz vorne und einer Art flexibler Raute dazwischen. Xavi, Iniesta, David Silva und Jungstar Cesc Fábregas spielen alle sowohl defensiv als auch offensiv, von allen geht direkte Torgefahr aus. Alle sind technisch ganz stark und zelebrieren ein schnelles Kurzpassspiel. Zusätzlich unangenehm sind die vier aber durch ihre häufigen Positionswechsel, jeder kann hier alles spielen und damit sind sie nur ganz schwer auszuschalten.

Zweikampfstärke gefragt

Der einzige Schlüssel um diese "Viererbande" wirkungsvoll zu bekämpfen ist konsequentes Zweikampfverhalten im zentralen Bereich. Auf Per Mertesacker, Christoph Metzelder, Torsten Frings und Thomas Hitzlsperger kommt Schwerstarbeit zu, sie müssen ihre Gegenspieler immer wieder stellen und stoppen. Dazu müssen die Außenbahnspieler Arne Friedrich und Lahm immer wieder mit einrücken, Spanien spielt wenig über die Flügel und wird beide defensiv nicht so fordern, wie das vor allem die Portugiesen getan haben. Gleichzeitig ergeben sich auf den Flügeln Raum für eigene Angriffe, vor allem auf der linken spanischen Defensivseite, wo Joan Capdevila vom FC Villareal vielleicht das schwächste Glied in der bisher so stabilen Viererkette der Iberer ist.

Ein Nachteil der spanischen Mannschaft kann auch die fehlende körperliche Robustheit werden. Xavi und Iniesta (beide 1,70), David Silva (1,71), Senna (1,77) und Fábregas (1,80) - wahrlich keine achtungsgebietende Formation von preußischem Gardemaß. Die Spieler sind klein und flink und müssen konsequent angegangen werden, körperliche Überlegenheit kann ein Vorteil in einem hart umkämpften Spiel sein. Leicht wird auch das allerdings nicht, denn die spanischen Giftzwerge haben es als Vereinsspieler bei Barcelona, Valencia, Arsenal London oder Villareal ständig mit robusten Zweikämpfen zu tun.

Erfolgsrezept Konterfußball?

Da die Spanier zweifellos im Mittelfeld mehr Ballbesitz haben werden und dadurch eine - zumindest optische - Überlegenheit erlangen werden, sind Konter ein gutes Mittel für die deutsche Mannschaft. Bei eigenem Ballgewinn muss schnell mit wenigen Kontakten in die Spitze gespielt werden, wenn die spanische Abwehr in Bewegung kommt, ist auch die Innenverteidigung mit Carles Puyol und Carlos Marchena am ehesten verwundbar.

Spanien wirkt sehr stabil und hat bisher in allen Mannschaftsteilen überzeugt. Aragones, der "Weise von Hortaleza", steht mit 70 Jahren vor dem größten Erfolg in seiner Trainerlaufbahn. Der eigenwillige Trainerfuchs hat den eleganten Stil dieser Mannschaft geprägt, Jogi Löw und seine Mannschaft werden ihren besten Tag brauchen, um diese Spanier zu schlagen.

PRODUKTE & TIPPS