Europa League Vor dem Spiel bei Hannover 96 - Christoph Daum bei Club Brügge

Das Frankfurt-Debakel ist abgehakt, Christoph Daum in Brügge wieder obenauf. Das Umfeld ist perfekt, die Kritiker still, das Team erfolgreich und sogar der Trainer lernt noch dazu.

Christoph Daums wenig erfolgreiche Frankfurter Zeit ist vergessen, in Brügge ist der Coach erfolgreich in den Profifußball zurückgekehrt. Die Bedingungen beim Club aus Westflandern passen perfekt, die Kritiker haben die Störfeuer mittlerweile eingestellt, weil das Team erfolgreich spielt und sich sogar der Trainer lernwillig zeigt. Wir haben haben uns vor Daums Rückkehr nach Deutschland angeschaut, wie er Club Brügge auf Kurs gebracht hat und wie er mit der Transfer-Allmacht des Managers zurechtkommt.

"Du kannst hinfallen. Es ist auch nicht entscheidend, wie oft du hinfällst. Du musst nur immer wieder aufstehen." Dieses Motto hatte Christoph Daum schon über viele Rückschläge in den letzten 25 Jahren hinweggeholfen: das Wechsel-Fiasko von Leeds, die Koks-Affäre, Morddrohungen in Istanbul und den Abstieg mit Eintracht Frankfurt, der sein Image als Motivator und Psychologe erheblich angekratzt hatte. Der einstige Motivations-Guru Daum erschien verbrannt.

In Frankfurt war er schließlich nicht nur sieglos geblieben, sondern trotz tiefenpsychologischer Einzelbehandlung auch daran gescheitert, Theofanis Gekas aus dessen "Denkgefängnis" zu holen. Doch Daum rappelte sich auch davon wieder auf. Gut, er hätte das sicherlich lieber in England getan, wo er bei Sir Alex Ferguson, Arséne Wenger, David Moyes und Harry Redknapp hospitiert und Klinken geputzt hatte. Ein Job-Angebot brachte es ihm nicht.

Geblieben sind aber immerhin viele schöne Erinnerungen. "Super war das mit Harry bei Tottenham", strahlte Daum kürzlich, als er auf einer Pressekonferenz davon berichtete. Und er fasste den Vorsatz, nur noch bei einem Club mit englischer Professionalität anzuheuern. Gefunden hat er den im Club Brügge. Modernste Trainingsanlagen, ein Personal Performance Center und regelmäßiges Mentalcoaching für die Angestellten sind ganz nach Daums Geschmack. "Wir sind so perfekt organisiert, dass zweimal in der Woche der Kunstrasen gemäht wird", lobte er laut fr-online.de.

Daum von Brügge hellauf begeistert

Der Gegensatz zu seiner Frankfurter Zeit könnte kaum größer sein. Nach der hektischen Bankenmetropole mit Verkehrslärm, Smog und riesigen Wolkenkratzern lebt und arbeitet Daum mittlerweile in der ungleich beschaulicheren von Fachwerkhäusern und Fahrradfahrern dominierten westflandrischen Metropole. Das Umfeld färbt auf ihn ab, hier beim belgischen Traditionsclub fühlt er sich sauwohl, wie er auf einer PK vor dem Europa League-Duell gegen Hannover den deutschen Medienvertretern lang und breit darlegte.

Ein paar kurze Fragen zum Warmwerden, dann legte der Coach los und "traktierte die deutschen Journalisten mit einem einstündigen Monolog" über die Vorzüge seiner neuen Heimat, wie Het Laatste Nieuws schrieb. "Die Stadt hat immer noch den Charme des Mittelalters. Ich glaube Disney würde Millionen dafür zahlen, wenn sie die Stadt komplett nach Disneyland verpflanzen könnten", erklärte Daum und grinste: "Ich hoffe, dass die Fans von Hannover sich die Zeit nehmen und davon überzeugen werden. Wer nicht zufrieden ist, bekommt sein Geld zurück."

Doch wichtiger als das Flair des Stadtkerns von Brügge, das seit Jahren das Label Weltkulturerbe trägt, war Daum jedoch die sportliche Perspektive. "Ich bin hierher gekommen, um Erfolg zu haben“, erklärte Daum unmissverständlich seine Beweggründe für die Vertragsunterschrift Mitte November.

Daums Defensivkonzept kritisiert, aber erfolgreich

Die Anfänge waren allerdings nicht gerade leicht. Der Boulevard konfrontierte Daum immer wieder mit der Vergangenheit, seine Entscheidung, zunächst bis Januar ohne seine drei Positionstrainer für Abwehr, Mittelfeld und Angriff alleine mit der gesamten Mannschaft zu arbeiten, wurde ebenso kritisiert, wie seine defensive Ausrichtung. Doch der Erfolg hat mittlerweile die meisten Daum-Kritiker verstummen lassen: Club Brügge steht wieder auf Platz zwei der Jupiler League.

Dafür musste Daum die Spielweise der Mannschaft allerdings komplett umstellen. Unter Vorgänger Adrie Koster hatte Brügge zwar attraktiv und offensiv gespielt, damit jedoch viele Punkte liegenlassen. Denn die Defensive kassierte zu viele Tore (18 in 13 Ligaspielen), was letztlich zur Entlassung des Coaches auf Tabellenplatz vier führte. Daum verordnete Brügge daher zunächst mehr defensive Disziplin.

Der Motivationskünstler Daum ist zurück

Hübsch war das nicht, mit vier 1:0-Siegen in Folge jedoch erfolgreich. Mittlerweile hat Daum neun Siege in 12 Ligaspielen und 27 Punkte bei nur elf Gegentreffern auf der Habenseite. "Ich erinnere mich noch an das letzte Spiel unter Adrie Koster", erklärte Stürmer Björn Vleminckx laut grenzecho.net. "Wir haben 4:5 gegen Genk verloren, es war ein tolles Spiel mit vielen Toren, aber wir hatten am Ende keine Punkte. Jetzt gewinnen wir unsere Spiele, sind wieder in der Lage, ein Spiel ohne Gegentor zu überstehen."

Und dank Daums Motivationskünsten auch fähig Spiele zu drehen, wie beim 4:3 in der Europa League-Gruppenphase bei NK Maribor. Kurz zuvor hatte Innenverteidiger Ryan Donk erfahren, dass seine Großmutter im Sterben liege, mit einem Eigentor dann den scheinbar aussichtslosen 0:3-Rückstand mitverursacht. Doch nachdem Daum ihn in der Pause an seine mentale Kraft und möglicherweise auch sein Lebensmotto erinnert hatte, schoss ausgerechnet Donk den Siegtreffer.

Die Spieler hatte Daum so schnell auf seiner Seite. Obwohl er im Gegensatz zu Kumpeltyp Koster, mit dem das Team auch abseits des Fußballs viel kommunizierte und der es auch in viele Entscheidungen einband, einen eher autoritären und auf die sportliche Arbeit fokussierten Stil fährt.

Spieler holt der Manager, nicht Daum

Umstellen musste sich aber auch der Coach. "Die Art und Weise, wie Transfers hier geregelt werden, ist für mich neu. Aber selbst ich kann noch lernen", erklärte Daum laut demorgen.be. Spielerkäufe und -verkäufe werden nämlich nicht immer unbedingt in Absprache mit dem Trainer getätigt. Daum darf zwar grob die gewünschte Position und erforderten Fähigkeiten angeben, musste sich dann davon überraschen lassen, wen Manager Vincent Mannaert ihm dann vorsetzt.

Wie bei Mushaga Bakenga, der von Rosenborg Trondheim geholt wurde. "Den hatte ich gefragt, wer er denn sei", so Daum, nachdem er ein ihm fremdes Gesicht auf dem Trainingsplatz erblickte. "Ich bin der neue Spieler", habe der Stürmer geantwortet. Hatte Daum über diese Episode noch schmunzeln können, zeigte er sich über den plötzlichen Verkauf seines wichtigsten Offensivspielers Nabil Dirar sichtlich verärgert.

Kurz vor Transferschluss war die hängende Spitze der Not des finanziell nicht auf Rosen gebetteten Clubs gehorchend für 7,5 Millionen Euro nach Monaco transferiert worden. "Als Trainer kannst du nicht zufrieden sein, wenn du deinen besten Spieler verlierst", schimpfte Daum laut demorgen.be. "Man wird schließlich nach Resultaten beurteilt. Und mit Dirar hätten wir deutlich bessere Chancen gehabt."

Wessen Zukunft beginnt hier?

Die Chance auf den Titel in dieser Saison und damit die Hoffnung an die glorreiche Vergangenheit anzuknüpfen, dürften damit deutlich gesunken sein. Der RSC Anderlecht hat sieben Punkte mehr zudem einen etwa doppelt so großen Etat. Trotzdem ist sich Daum laut waz-online.de sicher: "Hier beginnt die Zukunft." Ob er damit nur die mögliche goldene Zukunft seines Clubs oder vielleicht auch seine persönliche meint, ist allerdings nicht ganz klar. Denn bei aller Schönheit Brügges, wird Daum sich sicherlich nicht über Jahre mit der Jupiler League zufriedengeben.

"Ich muss mehr geben als mein Bestes mit diesem Team", erklärte er dem kicker vor dem Europa League-Spiel gegen Hannover – seinem Comeback auf der deutschen Bühne. Und mit guten Ergebnissen in Brügge könnte er sich auch wieder für die Bundesliga ins Gespräch bringen. Hier hat er schließlich noch etwas gerade zu rücken.

Malte Asmus

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