Seit Kurzem hängt in der Bar "Angela" in Pavullo nel Frignano, einem kleinen Ort bei Modena, ein neues Bild. Es zeigt den 30 Jahre alten und 1,96 Meter großen Luca Toni in Lederhosen auf der Wiesn beim Oktoberfest. Eine solche Kluft wirkt überall in Italien so exotisch als habe der berühmteste Sohn des Ortes auf einem fernen Planeten sein Glück gefunden. Was vielleicht sogar ein bisschen so gekommen ist. Ein Star an dessen Erfolg alle Anteil haben, war er für die Menschen in der Provinz Emilia-Romagna seit langem. Nun ist er der Star der deutschen Bundesliga, der dort noch einmal allen zeigt, wie leidenschaftlich Italiener Fußball spielen und, dass es nur einen wahren Weltmeister gibt.
An der Wand im "Angela" hängen mittlerweile gut und gerne 30 Bilder, die den erfolgreichen Mittelstürmer des FC Bayern zeigen. Auf den Zuckertütchen für den Espresso, kann man sein Gesicht lächeln sehen, bevor man ihm ein Ohr abreißt und das schwarze Gebräu süßt. Sie lieben ihn, weil er oft so unbeholfen und staksig wirkt als habe er sich in der Sportart geirrt. Man hat ihn ausgelacht und einen "Unglücksraben" genannt. Das ging etwa bis ins Jahr 2003 als er Palermo und Sizilien wach küsste und 30 Tore in 45 Spielen schoss. In München macht der Weltmeister von 2006 nun weiter damit. Beim 3:1 der Münchner bei Eintracht Frankfurt schoss der Mann, der erst mit 23 Jahren sein erstes Spiel in der Serie A machte, seine Saisontore 19 und 20. Elf mit rechts, sechs mit links und drei mit dem Kopf.
Toni ist ein Spätzünder
Der "Spätzünder" Luca Toni ist also genau richtig im Fußball. Der FC Bayern blätterte elf Millionen Euro für den baumlangen charmanten Kerl mit den dunklen Haaren und großen dunklen Kulleraugen hin. In Italien nannte man Toni "Il Bomba", was an den legendären Gerd Müller erinnern sollte, mit dem Toni rein äußerlich so wenig gemeinsam hat. Nur auf dem Platz sprechen sie die gleiche Sprache. Der "Bomber der Nation", der mehr Tore für Bayern schoss als alle anderen, und der Sohn eines Anstreichers und einer Schuldienerin aus der Gegend von Modena. "Ich berühre den Ball und er geht rein", sagte Toni einmal. Gerd Müller schaut ihm gerne zu. "Kleines dickes Müller" liebt Torjäger, die "die einfachen Tore machen". Er war selbst einer, der so zu arbeiten pflegte. Als Müller 1982 sein Engagement in den USA beendete, war Luca Toni fünf Jahre alt. Als Müller nach 365 Toren in 427 Bundesligaspielen die Bayern verließ, war der Frauenschwarm Toni zwei.
Schon damals sah er wohl lustig aus. Er scheint nicht nur ein Meister seiner Zunft im Strafraum, sondern auch ein Meister der Grimasse, weshalb er eine Gastrolle in einer italienischen Kultserie bekam. Schießt er ein Tor, dreht er seine Hand am rechten Ohr, was zu skurrilen Vergleichen führt. Einmal sieht es aus, als drehe er eine Glühbirne in eine Fassung, ein anderes Mal, als wolle er sich das Ohr abschrauben.
Früher war Toni ein Pechvogel
Überliefert ist zudem die Variante, Toni wolle damit "avete capito" sagen, was ungefähr heißt: "Habt Ihr das verstanden". Den seltsamen Torjubel eignete sich Toni wohl an als es für ihn als Fußballspieler nicht besonders lief. Damals, so erinnert sich seine Verlobte Marta Cecchetto, erinnerte der stolze Kicker eher an einen Ritter der traurigen Gestalt. "Er war ein Unglücksrabe als ich ihn traf", sagt sie. "Als ich Marta traf, fing mein Glück an, sie war und ist mein Glücksbringer" sagt er über das italienische Model, die in der Heimat auch als Fernsehmoderatorin Berühmtheit erlangte. "Sie sucht die Möbel aus, ich zahle", sagte er zu ihrem Verhältnis, als das Paar eine große Wohnung in der Münchner Altstadt bezog. In den schweren Tagen, als er in der dritten Liga herumdümpelte, muss sich sein bis heute gültiges Lebensmotto entwickelt haben, das da lautet: "Ich gebe nie auf".
Dass er sich jemals mit solch bleierner Schwere herum schlagen musste, traut man Luca Toni in Deutschland gar nicht zu. Dort bestaunt man seine traumwandlerische Sicherheit beim Vollstrecken der Chancen, die manchmal keine sind, weil er sie erst zu solchen macht. "Er muss nie überlegen, was er macht, er macht es einfach", sagt der Stuttgarter Torjäger und "Fußballer des Jahres" Mario Gomez über ihn. "Das ist eine besondere Qualität", sagt Gomez, als beschreibe er einen Roboter, der in Bruchteilen von Sekunden, lange bevor ihn ein Verteidiger nur im Ansatz stoppen kann, die richtige Schusslösung ausrechnet.
Die Bundesliga fand er anfangs nicht besonders spannend
Luca Toni ist immer nett und meist unverbindlich. Vergessen die Zeiten als enttäuschte Fans des AC Florenz ihren Frust über seinen Wechsel nach München an eine Kai-Mauer des Arno schrieben. Dort standen drei Worte: Luca. Toni. Stirbt. Toni aber lebt. Mehr als jemals zuvor. Und für Bayern-Manager Uli Hoeneß hat sich jeder einzelne Cent der elf Millionen Euro gelohnt. Es gab wohl selten einen Einkauf an der Isar, der so erfolgreich einschlug. Ein Kämpfer und Vorbereiter wie Frank Ribery mag besonders wertvoll sein, ein "Knipser" wie Luca Toni ist im Kampf ums internationale Image unersetzlich. Wenn in den anderen Stadien der Bundesliga die Tore der Bayern vom Ergebnisdienst eingeblendet werden, haben tausende Fußballfreunde schon seinen Namen auf den Lippen, bevor der Name des lässig wirkenden "Luca Toni" auf der Videowand erscheint.
86 Tore schoss der amtierende Manager Uli Hoeneß in seiner Karriere für die Bayern, der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge schaffte 162 und mancher in München sieht seit Tonis Torefestspielen schon manch vertraute Bestmarke wanken. Der Film- und Kinofan mit der Schuhgröße 44 sieht das alles selbst ziemlich locker - wie offenbar vieles, was in seinem Leben passiert. Die Bundesliga fand er bis zu seiner Unterschrift im Freistaat nicht besonders prickelnd. Das sei kein Vorwurf, das habe ihm sogar sein Sturmpartner Miroslav Klose in einem vertraulichen Gespräch bestätigt. Und in der Allianz-Arena, der Heimspielstätte der Bayern, sei es ihm ein bisschen zu ruhig. "Hier ist es manchmal wie im Theater", sagt er. Seine Bühne in Deutschland hat sich Luca Toni doch eine Spur lebendiger vorgestellt.