Herr Lück, von Ihnen stammt der romantische Satz: "In einen Verein wird man reingeboren und eines Tages rausgestorben." Ist das tatsächlich eine lebenslange Liebe zwischen der Arminia und Ihnen?
Der Anfang war etwas holprig. Ich habe nämlich als Kind beim lokalen Konkurrenten TuS Eintracht Bielefeld Handball gespielt, und ich konnte aus nächster Nähe verfolgen, wie die Arminia bei der Eintracht in der Fußballabteilung wilderte. Die besten Spieler haben sie abgeworben, einer hat sogar mal ein Mofa bekommen für den Wechsel. Fand ich nicht so gut.
Wie sind Sie dennoch zum Arminia-Fan geworden?
Ich bin klassisch sozialisiert worden: Mein Vater und mein Opa haben mich mit ins Stadion genommen, auf die Südtribüne. Ende der sechziger, Anfang siebziger Jahre war das. Einige Bilder habe ich heute noch im Kopf. Den 1:0-Sieg gegen den FC Bayern am 3. Oktober 1970 zum Beispiel, das war ein Jahrhundertspiel. Zudem wohnte einer der größten Arminen dieser Zeit in unserer Straße: Torwart Gerd Siese, im Hauptberuf Malermeister, der oft in weißer Latzhose zum Training fuhr. Siese war mein Held.

Zur Person
Ingolf Lück, geboren 1958 in Bielefeld, ist Schauspieler und Comedian. In seiner Heimatstadt studierte er Germanistik, Philosophie und Pädagogik – und besuchte gemeinsam Vorlesungen mit dem Arminia-Profi Ewald Lienen. Schon während des Studiums trat Lück auf kleinen Theaterbühnen auf. Einem größeren Publikum wurde er ab 1985 bekannt, als er die Moderation der ARD-Musiksendung "Formel eins" übernahm. In den folgenden Jahren moderierte Lück zahlreiche Shows und tourte mit eigenen Comedy-Programmen durchs Land. Derzeit ist er wieder als Theaterschauspieler tätig
Sie sind doch Handballer gewesen.
Ja, schon. Aber ich habe mit meinen Freunden auch Fußball gespielt – und da war ich immer Torwart.
Ein guter?
Na ja, die Knochen taten mir schon früh weh vom Handball. Als Kreisläufer knallt man halt oft auf den Hallenboden. Mein linkes Knie ist heute noch immer taub von den vielen Stürzen.
Schmerzen aushalten zu können, scheint eine Grundvoraussetzung für einen Arminia-Fan zu sein: Acht Mal ist Bielefeld aus der ersten Liga abgestiegen, nur der 1. FC Nürnberg musste öfter runter.
Das stimmt, aber diese Höllenfahrten haben uns Arminia-Fans nur noch enger zusammengeschweißt. Es ist sehr leicht, Bayern-Fan zu sein, da gibt es wenig zu leiden. Als Armine hingegen wirst du immer wieder in harte Prüfungen geschickt. Die Arminia ist wie das echte Leben. Man muss einstecken können.
Ich beneide Menschen, die sich an der Schönheit eines Spiels berauschen können
Welcher Abstieg war der Schlimmste?
2014, die Relegation gegen Darmstadt. Wir gewinnen auswärts 3:1 und verlieren dann zu Hause 2:4. Nach dem Schlusspfiff war es totenstill. 27.000 Menschen im Stadion unter Schockstarre. Es war gespenstisch. Boah, mir läuft es heute noch kalt den Rücken runter, wenn ich daran denke.
Haben Sie die vielen leidvollen Momente robuster gemacht?
Im Gegenteil. Ich beneide Menschen, die sich an der Schönheit eines Spiels berauschen können. Für mich ist es der schönste Moment, wenn der Schiedsrichter abpfeift und wir gewonnen haben. Dann kann nichts mehr passieren. Das ist jedes Mal eine Erlösung. Die 90 Minuten davor: oft eine Qual, ein Hoffen und Beten, dass es gut geht.
Sie sind neben dem Musiker Casper und Kevin Kühnert der wohl prominenteste Arminia-Fan. Spendiert der Verein Ihnen VIP-Tickets für die Heimspiele?
Das Tor zur Ehrentribüne würde sicherlich für mich offenstehen, aber ich will da gar nicht hin.
Warum nicht?
Wenn die Leute sehen, dass der Lück da ist, und die Mannschaft verliert, heißt es: Lück ist ein Seuchenvogel, der bringt uns nur Pech.
Sind Sie abergläubisch?
Ich halte es mit Caterina Valente, die mal sagte: Ich bin nicht abergläubisch, weil das nur Unglück bringt.
Haben Sie bestimmte Rituale beim Stadionbesuch?
Bratwurst und Cola Zero.
Man entdeckt Gefühle in sich, die jahrelang verschüttet waren
In dieser Saison scheint die Arminia vom Glück geküsst zu sein: Die Mannschaft steigt im Sommer in die Zweite Liga auf und steht an diesem Samstag im DFB-Pokalfinale – als erstes drittklassiges Team seit 24 Jahren. Wie hält man als Armine so viel Erfolg aus?
Ich frage mich manchmal: Ist das alles echt? Oder ist das ein Traum? Man entdeckt wunderbare Gefühle in sich, die jahrelang verschüttet waren.
Werden Sie im Berliner Olympiastadion sein, wenn Bielefeld im Pokalfinale gegen den VfB Stuttgart spielt?
Ich bin Mitglied der Arminia Supporters und habe zum Glück eine Karte zugelost bekommen. Zuvor hatte ich es über das DFB-Ticketportal probiert, mit vier oder fünf Handys und Computern parallel, aber da bin ich schon beim Log-in gescheitert. Kein Wunder, wenn 1,6 Millionen Leute gleichzeitig ein Ticket wollen.
Wer wird Sie beim Pokalfinale begleiten?
Ich habe mich mit meinem Kumpel Guido Cantz (TV-Moderator und Komiker, Anm. der Redaktion) verabredet für ein Treffen nach dem Schlusspfiff. Guido ist zwar in Köln geboren, aber dennoch glühender VfB-Fan. Ich habe ihm meine starke Schulter angeboten, an die er sich anlehnen darf, wenn am Abend die Arminen den Pokal in die Höhe recken.