Der neunte Bundesliga-Spieltag liegt hinter uns. Und der bot dem neutralen Betrachter eigentlich Anlass, sich zu freuen: Dramatik (Schalkes Last-Minute-Ausgleich im Spitzenspiel gegen die Bayern), Überraschungen (Bielefelds Sieg über den Hauptstadt-Klub Hertha BSC Berlin) und jede Menge Entertainment (am eindrucksvollsten vermutlich vom neuen Spitzenreiter Werder Bremen beim 6:2-Kantersieg gegen Nürnberg dargeboten). Lange sollte die Freude über das "Tollhaus" Bundesliga aber nicht anhalten. Oder anders ausgedrückt: sie wurde einem vermiest.
Von Uli Hoeneß zum Beispiel. Der Bayern-Macher verlor unmittelbar nach Spielschluss auf Schalke die Contenance und polterte in Richtung Jürgen Klinsmann. Er solle endlich nach Deutschland kommen und "nicht ständig in Kalifornien rumtanzen und uns hier den Scheiß machen lassen", forderte der Manager im TV-Sender Premiere. Hoeneß' Worte haben in der Liga Gewicht, das weiß er selbst am besten. Deshalb lässt die personifizierte "Abteilung Attacke" der Bayern in regelmäßigen Abständen ja auch seinen Gedanken freien Lauf. Diese Mal aber hat der Wurstfabrikant aus München den Bogen überspannt. Mit seinen populistischen Äußerungen hat er die seit langem schon unsachlich geführte Debatte über die Arbeitsweise des Bundestrainers neu entfacht - die Schmerzgrenze ist überschritten. Und die Meinungsmacher freuen sich.
"MV" verteidigt Klinsmann
"WM-Krieg - in Deutschland brennt der Baum...und bei Klinsi nur die Sonne", heißt es da in der Bild-Zeitung am Montag. "Krisengipfel! Mangelnde Kommunikation! Schlechte Fitnesswerte!", schreibt der Kicker. Hoeneß hat erreicht, was er erreichen wollte. Die Medien haben sich auf Jürgen Klinsmann eingeschossen, eindrucksvoll übrigens auch im "Doppelpass", dem sonntäglichen Fußball-Stammtisch des Deutschen Sportfernsehens, zu beobachten. Dort hieß das Spiel dieses Mal "alle gegen einen". Der eine war DFB-Boss Mayer-Vorfelder, der im Kreuzverhör mit den Journalisten (angeführt vom eitlen Chefredakteur des Kicker Rainer Holzschuh) wenig Land sah. Immerhin, der Funktionär versuchte es wenigstens, Klinsmanns Arbeitsstil zu verteidigen: "Er muss seinen eigenen Weg gehen, deshalb ist er Bundestrainer geworden. Man soll nicht aus lauter Lust und Tollerei an allem herum machen", forderte der DFB-Präsident, der damit vielen Fußballfans aus der Seele sprach.
Es scheint im Moment in Deutschland en vogue zu sein, am Bundestrainer und der Nationalmannschaft herumzumeckern. Natürlich ist das legitim - aber nur solange die Auseinandersetzung fair bleibt. Jürgen Klinsmann mangelnde Kommunikation mit der Liga vorzuwerfen, ist genauso falsch wie die momentane spielerische Misere der Nationalmannschaft an der Wahl seines Wohnorts festzumachen. Im Land der ewigen Nörgler sehnen manche bereits die Nach-Klinsmann-Ära herbei. Mit einem möglichen DFB-Coach, der auf den Namen Otmar Hitzfeld hört. "Als Bundestrainer würde ich in München wohnen bleiben", ließ der sicherheitshalber schon mal verlauten. Und sammelte damit bei den Medien mächtig Pluspunkte. Dabei geht es doch um etwas ganz anderes. Nicht Huntington Beach oder Bogenhausen ist entscheidend, sondern die Qualität des vorhandenen Spielermaterials. Die ist - da muss man kein Nörgler sein - in Deutschland beschränkt.
Gefahr einer negativen Grundstimmung
Jürgen Klinsmann hat im DFB-Team den lang ersehnten Generationswechsel eingeleitet. Dafür wurde er von den Medien noch vor wenigen Monaten während des Konföderationen-Pokals in den Himmel gelobt. "Klinsis Schweini-Bande" oder "Jugend forsch" lauteten damals die Schlagzeilen von den Blättern, die ihn jetzt so gnadenlos kritisieren und Tag für Tag weiter attackieren werden. So kurz vor der WM im eigenen Land ist das der falsche Weg. Der 41-Jährige hat bewiesen, dass er die Mannschaft motivieren und begeistern kann. Man sollte ihn jetzt in Ruhe weiter arbeiten lassen und ihn dort kritisieren, wo es angebracht ist. Alles andere erzeugt eine gefährliche Grundstimmung.
Und Uli Hoeneß? Der müsste sich für seine unbedachten Äußerungen eigentlich entschuldigen. Aber Jürgen Klinsmann ist klug genug, darauf nicht zu bestehen. Er weiß, wie der Bayern-Manager tickt. Sein hochroter Kopf nach dem Schlusspfiff auf Schalke verriet es ganz deutlich: Es war nicht so sehr die fehlende Präsenz des Bundestrainers, die Hoeneß auf die Palme brachte, sondern vielmehr die gerade verloren gegangene Tabellenführung.