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Bundesliga-Neustart Gladbach-Manager Eberl: "Wir vermissen die Fans sehr"

Max Eberl
Max Eberl sagt, Mannschaften, in denen es vor der Coronakrise schon nicht gestimmt habe, würden nun Probleme bekommen.
© Rolf Vennenbernd / DPA
Max Eberl vom Bundesligisten Borussia Mönchengladbach spricht im stern-Interview über Spiele vor leeren Rängen, Rituale, die Teams zusammenhalten und darüber, ob die Zeit von dreistelligen Millionen-Ablösesummen nun vorbei ist.
Herr Eberl, man könnte behaupten, dass Sie ein erfahrener Bundesliga-Manager sind, was Geisterspiele betrifft. Sie haben mit Ihrem Verein Borussia Mönchengladbach immerhin schon zwei solcher Spiele ohne Zuschauer absolviert: Im März gegen den 1. FC Köln und jetzt am Wochenende gegen Eintracht Frankfurt.
Mit zwei Spielen gilt man schon als alter Hase? Im Ernst: Für uns ist das noch immer eine neue Situation. Wir vermissen die Fans sehr. Wir alle sind damit aufgewachsen, dass beim Fußball Menschen zuschauen. Früher, in der Jugend, da waren es vielleicht die eigenen Eltern, und im Profifußball sind es Tausende Menschen, die auf den Tribünen dabei sind. Und das fehlt jetzt alles.
Was macht das mit einer Mannschaft, wenn sie von einem leeren Stadion spielt?
Das ist von Spieler zu Spieler unterschiedlich. Viele haben eine hohe Eigenmotivation, da leidet die Leistung nicht, weil die Kulisse fehlt. Es gibt aber auch Spielertypen, die brauchen den Kitzel, die Extraportion Motivation, die ein Stadion wie unser Borussia-Park sie liefern kann.
Verändert sich auch das Spiel? Bringen Geisterspiele einen neuen Spielstil hervor? Ist der Fußball möglicherweise taktischer und strategischer geworden, weil die Hitze des Gefechts fehlt?
Dass die Taktik nun wichtiger geworden wäre, kann man nicht sagen. Wohl aber, dass das Spiel klarer und nüchterner geworden ist. Die Anweisungen des Trainers kommen besser an.
Das Hygiene-Konzept der Deutschen Fußball-Liga (DFL) verlangt von den Profis, vor und nach den Spielen größtmögliche Distanz zueinander zu halten, um Ansteckungsgefahren zu minimieren. Was bedeutet das für ein Team, wenn es doch ein kleiner verschworener Haufen sein soll?
Borussia Mönchengladbach war schon immer ein Verein, der zusammengehalten hat. Da können Sie weit zurück in unsere Geschichte schauen, das hat Tradition bei uns. Für unsere Mannschaft ist Teamspirit wichtig, um gegen Klubs wie Bayern München, Dortmund und Leipzig bestehen zu können. Auch wenn die Mannschaft die aktuelle Situation nicht liebt: Sie lässt sich voll drauf ein und hält zusammen in dieser Krisensituation.
Trotzdem: Fußball lebt von Gesten. Vom gemeinsamen Jubel, vom Abklatschen, von Umarmungen. Das sind Rituale, die einer Mannschaft Halt geben können.

Wenn eine Mannschaft schon zu normalen Zeiten nicht richtig funktioniert als Gruppe, wenn es keinen echten Zusammenhalt gibt, dann kann sie zu Corona-Zeiten ein echtes Problem bekommen. Starke Teams hingegen können auch in dieser schwierigen Zeit wachsen. Wenn man gemeinsam eine Krise meistert und da durchmarschiert, erzeugt dies Verbundenheit und Zusammenhalt. Bloß dass man sich im Moment nicht in den Armen liegen kann.

Wenn Sie einen Strich unter den ersten Spieltag nach dem Re-Start der Bundesliga ziehen: Wie fällt Ihre Bilanz aus?
Alle Verantwortlichen haben einen erstklassigen Job gemacht. Die Politik hatte uns mit ihrer Erlaubnis, den Spielbetrieb wieder aufnehmen zu dürfen, einen großen Vertrauensvorschuss gegeben. Und diesen haben wir gerechtfertigt. Das Hygienekonzept wurde konsequent umgesetzt. Wir haben einen wichtigen ersten Schritt getan.
Wie wichtig ist die Fortsetzung der Saison für Borussia Mönchengladbach?
Die Fortsetzung ist nicht nur für unseren Verein wichtig, sondern für die gesamte Bundesliga und am Ende auch für die gesamte Gesellschaft, weil wir dadurch ein Stück Normalität zurückgewonnen haben.
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Und wirtschaftlich? Wie groß war der Druck, dass der Ball wieder rollt?
Die Bundesliga fährt zurzeit auf Notstrom. Dass wir wieder spielen, kommt eben nicht in erster Linie den Spielern zugute, die sehr gut bezahlt sind, sondern vielen Menschen. 55.000 Jobs hängen am Bundesliga-Fußball. Wir haben bei Borussia Mönchengladbach zum Beispiel einen Greenkeeper, wir haben eine Rezeptionistin, wir haben Buchhalter und wir haben Verkäuferinnen – es geht auch um diese Menschen, deren berufliche Zukunft wir sichern wollen.
Wenn die Saison abgebrochen worden wäre: Hätte das Ihren Klub in Existenznot gebracht?
Wir haben in den vergangenen zwei Jahrzehnten einen sehr guten Job gemacht, was die finanzielle Ausstattung des Vereins betrifft. Wir sind solide aufgestellt. Wenn es doch noch zu einem Abbruch käme, wären wir nicht von einer Insolvenz bedroht. Wir müssten dann zwar von der Substanz zehren, aber es würde uns nicht umbringen.
Es wird oftmals behauptet, dass die Welt nach der Corona-Krise eine andere sein wird. Sehen Sie auch den Fußball vor einem großen Wandel?
Das Spiel wird das gleiche bleiben, aber die Rahmenbedingungen werden sich verändern. Die Corona-Krise konfrontiert uns mit der Frage, wie wir uns künftig für eine solche Extremstsituation wappnen und welche Rücklagen wir bilden müssen, ob nun in Form von Infrastruktur oder in schnell verfügbarer Liquidität – all das wird zu diskutieren sein.  
Wie wird der Transfermarkt der Zukunft aussehen? Ist die Zeit der Mega-Transfers mit dreistelligen Millionen-Ablösesummen vorbei?
Kurzfristig erwarte ich heftige Veränderungen und einen Einbruch des Transfermarktes. Es mag den ein oder anderen Mega-Deal geben – aber mit einem durchschnittlichen Spieler wird man nicht mehr diese Preise erzielen wie zuvor. Wir werden eine Korrektur erleben.
Was bedeutet dies für Borussia Mönchengladbach? Wie werden Sie im Sommer einkaufen?
Unser Ziel ist es, den bestehenden Kader zusammenzuhalten, mit dem wir super zufrieden sind. Und wenn wir dann noch sportlichen Erfolg haben sollten und die Europa League oder sogar die Champions League erreichen sollten, dann können wir überlegen, etwas Geld zu investieren. Aber das wäre Schritt zwei oder drei. Schritt eins ist, dass wir überhaupt wieder Fußball spielen. Das ist ein Erfolg. Die ganze Sportwelt schaut auf die Bundesliga, wie wir das machen. Und jetzt heißt es für uns, verantwortungsvoll und achtsam mit dieser Aufgabe umzugehen.

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