Der VfB Stuttgart schwebt im siebten Fußball-Himmel. Nach einer Zitterpartie am Ende einer furiosen Saison haben sich die Schwaben zum deutschen Meister gekrönt. Die Mannschaft von Trainer Armin Veh verteidigte am letzten Bundesliga-Spieltag mit einem mühsamen 2:1 (1:1)-Sieg gegen Energie Cottbus die Tabellenführung und zwei Punkte Vorsprung vor Verfolger FC Schalke 04. 56.000 Zuschauer im ausverkauften Daimler-Stadion feierten am Samstag den VfB, der als Tabellenletzter nach dem ersten Spieltag in die Saison gestartet war und nun sogar auf das Double hoffen darf.
Reaktionen
Armin Veh (Trainer des VfB Stuttgart): "Begriffen habe ich es schon. Es ist ein sehr, sehr gutes Gefühl. Ich freue mich vor allem für die Mannschaft, weil sie über die gesamte Saison konstanten Fußball gespielt hat. Es ist was Schönes, deutscher Meister zu sein."
Timo Hildebrand (VfB Stuttgart):
"Ich werde die Fans, diese Mannschaft und diesen Verein, dem ich alles in meiner Karriere zu verdanken habe, nie vergessen. Ich hatte einen Traum, mit dem VfB deutscher Meister zu werden. Und dieser Traum ist jetzt in Erfüllung gegangen."
Mirko Slomka (Trainer FC Schalke 04):
"Kompliment an Stuttgart. Mit acht Siegen in Serie am Ende vorn zu stehen, verdient großen Respekt. Vielleicht hätten wir oder Bremen den Titel genauso verdient gehabt. Heute hatten wir uns sehr viel vorgenommen. Leider hat es nicht ganz gereicht. Trotzdem ein Riesenkompliment an meine Mannschaft. Sie hat zueinander gefunden, besonders nach dem stürmischen Herbst."
Jürgen Klinsmann (ehemaliger Fußball-Bundestrainer):
"Es ist natürlich normal und nachvollziehbar, dass man mit der Mannschaft fiebert, für die man viele Jahre gespielt hat, wo man aufgewachsen ist, wo die Familie nach wie vor ein Zuhause hat. Deswegen bin ich heute, da bitte ich die Schalker Fans um Verzeihung, wirklich VfB- Fan. Trainer Armin Veh hat den jungen Spielern eine Chance gegeben, vor allem auch in schwierigen Zeiten zu ihnen gestanden."
Guido Buchwald, Weltmeister 1990 und VfB-Ehrenspielführer:
"Wer nach 34 Spielen vorne liegt, ist verdient Meister. Der VfB war diese Saison die beste Mannschaft. Dass es noch mal so spannend wird, hätte ich nicht gedacht. Heute waren Nerven da bei der Mannschaft. Man hat gespürt, dass sie schwere Beine hatte. Aber die Mannschaft hat die Ruhe bewahrt und Rückschläge wettgemacht."
Uli Hoeneß (Manager FC Bayern München):
"Ich finde, dass Stuttgart am Ende verdient Meister geworden ist. Sie haben sich in der wichtigsten Phase der Saison keine Blöße gegeben, die anderen haben sich dagegen gegenseitig die Nase blutig gemacht."
Mehmet Scholl (Profi FC Bayern München):
"Wahnsinn, dass die Stuttgarter es mit der Mannschaft geschafft haben. Sie haben die letzten Spiele alle gewonnen, also haben sie es verdient."
Nach der Führung der Lausitzer durch Sergiu Radu (19. Minute) hatte Nationalspieler Thomas Hitzlsperger für den Ausgleich gesorgt (27.). Der erst 20 Jahre alte Deutsch-Tunesier Sami Khedira erlöste mit seinem Siegtreffer zum 2:1 (63.) den VfB und seine Fans. Das mit Abstand beste Rückrundenteam tat sich dieses Mal ungemein schwer, feierte aber am Ende völlig losgelöst den fünften Titel nach 1950, 1952, 1984 und 1992.
Acht Siege in Folge
Unter den Augen von Bundestrainer Joachim Löw und dessen Assistent Hansi Flick baute der VfB auch seinen Vereinsrekord auf acht Siege hintereinander aus. Die Spieler dürfen sich nun auf eine Meisterprämie von jeweils etwa 100.000 Euro freuen. Vor allem für Timo Hildebrand war es ein denkwürdiges letztes Heimspiel: Der Nationaltorwart, der den VfB wahrscheinlich zum FC Valencia verlässt, kann wie sehnlichst erwünscht mit einem Titel im Gepäck seinen Weg nach Spanien antreten. Am nächsten Wochenende kann Hildebrand mit seinen Kollegen am im DFB-Pokalfinale in Berlin gegen den 1. FC Nürnberg nachlegen.
Mit einem Fahnenmeer und einer WM-reifen Stimmung hatten die Anhänger ihre Mannschaft in der Arena empfangen. Bei stahlblauem Himmel und 25 Grad begannen die Stuttgarter - vor allem die jungen Spieler wie Khedira - nervös. Veh ließ Torjäger Mario Gomez, der erst am vergangenen Wochenende nach langer Verletzungspause sein Comeback gefeiert hatte, zunächst auf der Bank und brachte Marco Streller als zweite Spitze neben Cacau.
Offensivspiel der Schwaben stockt zunächst
Die Gastgeber kamen in der Offensive jedoch nicht zum Zug wie gewohnt. Hitzlsperger feuerte zwar in der 12. Minute die ersten beiden ganz gefährlichen Warnschüsse ab, doch es schlug auf der Gegenseite ein: Nach einem Schuss von Vlad Munteanu hielt Radu den Fuß hin und traf zum Entsetzen des VfB mit seinem 14. Saisontor zum 1:0. Kurz zuvor war es unter der Stuttgarter Anhängerschaft schon ganz ruhig geworden, weil die Nachricht von Schalkes Führung durchgedrungen war, obwohl auf der Anzeigetafel nichts angezeigt wurde.
Glück hatten die Schwaben, als nur zwei Minuten nach dem Rückstand ein Handspiel von Innenverteidiger Matthieu Delpierre im Strafraum nicht von Schiedsrichter Wolfgang Stark (Landshut) angezeigt wurde. Der VfB machte nun etwas mehr Druck und vergab eine Riesenchance durch Cacau. Nach einem Eckball von Pavel Pardo hämmerte Hitzlsperger dann den Ball direkt ins Tor.
Khedira schießt Siegtor
"Man sieht, wir sind sehr nervös und kommen nicht in die Zweikämpfe. Man merkt, dass das heute etwas Besonderes ist", kommentierte Teammanager Horst Heldt zur Halbzeit die verzweifelten Bemühungen seiner Mannschaft. In Antonio da Silva brachte Veh nach der Pause einen Spielmacher und schickte nur acht Minuten später Gomez ebenfalls auf den Platz. Der Nationalstürmer und Hoffnungsträger wurde mit großem Jubel empfangen. Doch nicht Gomez gelang die Führung, sondern Mittelfeldspieler Khedira ließ mit seinem Treffer zum 2:1 das ganze Schwabenland erbeben.
In der Stuttgarter Innenstadt feierten rund 100.000 Fans nach Polizeiangaben den fünften Meistertitel des VfB Stuttgart: Beim Schlusspfiff lagen sich die Fans in den Armen, tausende Fäuste wurden in die Luft gestreckt und hunderte Fahnen geschwenkt. Bei der Übertragung des Spiels auf der Großbildleinwand auf dem Stuttgarter Schlossplatz war nach Einschätzung der Polizei mehr los als bei den Spielen während der Fußball-Weltmeisterschaft im vergangenen Jahr.