Wenn sich am Sonntagmorgen eine Gruppe mittelalter Männer im Münchner Flughafen zum Fußballtalk "Doppelpass" versammelt, ist dem TV-Stammtisch hinterher eine Kritik gewiss: dass wieder einmal viel zu viel über die Bayern geredet worden ist. Nicht zu Unrecht, auch an diesem Sonntag war der Rekordmeister wieder einmal das beherrschende Thema. Die Pleite in Leverkusen und der größer gewordene Rückstand auf Borussia Dortmund beschäftigten die Runde derart, dass etwa der neue Tabellenzweite aus Mönchengladbach lieblos abgefrühstückt wurde.
Dabei könnten die Gladbacher tatsächlich der lachende Dritte im Meisterschaftsrennen sein. Das 2:0 auf Schalke war eine spieltaktische Meisterleistung, gekrönt durch einen zweiten Treffer, vor dem der Ball schier endlos durch die Gladbacher Reihen zirkulierte, bis die entnervten Schalker die Waffen streckten und das Tor kassierten. Man kann nur staunen, wie es Max Eberl und Dieter Hecking vermocht haben, ein zur Schludrigkeit neigendes Team zu einer Effizienzmaschine geformt zu haben.

Gladbach ist der gefährlichere Konkurrent für den BVB
Wer jedoch mit Realitätssinn auf die Tabelle schaut, sieht natürlich auch, dass Voraussetzung für grün-weiß-schwarze Träume eine dauerhafte Schwächeperiode der Dortmunder ist - und danach sieht es gerade nicht aus. Denn das 1:1 in Frankfurt war eigentlich ein Sieg. Nicht nur wegen der gleichzeitigen Bayern-Niederlage, sondern auch, weil der BVB im Duell mit einer Spitzenmannschaft das bessere Team war. "Wir hatten die Chancen für einen Erfolg", sagte BVB-Schlussmann Roman Bürki, der seinerseits den Punkt mehrfach festgehalten hatte.
Die erstaunliche Erkenntnis des Spieltags ist jedoch: Die Dortmunder sollten tatsächlich eher auf die Borussia als Konkurrenten schauen als auf die Bayern. Die offenbarten derart viele Probleme im Spielaufbau, dass die Mannschaft im Laufe des letzten Saisondrittels noch größere Probleme bekommen wird. Denn immer dann, wenn es dem Gegner gelingt, im Mittelfeld die Münchner Kombinationsmaschinerie still zu legen, erweist sich die Mannschaft von Niko Kovac als erstaunlich unflexibel. Anders als noch unter Pep Guardiola und mit Abstrichen auch unter Jupp Heynckes wird dann nicht die Taktik gewechselt, sondern in einen oft uneffektiven Modus umgeschaltet, in dem es dann Willenskraft und individuelle Stärke entscheiden soll. So etwas gelingt gegen eine unsortierte Freischärlertruppe wie den VfB Stuttgart am letzten Wochenende, die unter Peter Bosz revitalisierten Leverkusener nutzten die Schwächen der Bayern hingegen gnadenlos aus.
Bayern haben keine spieltaktische Flexibilität
Und das ist zugleich auch ein vernichtendes Zeugnis für Niko Kovac. Es hatte ja den Anschein, als hätten sich die Spieler und ihr Coach auf einer Arbeitsebene auf einen vernünftigen Umgang miteinander verständigt. Die Indiskretionen aus der Kabine waren weniger geworden und in der Liga war der BVB immerhin noch in Sichtweite. Nun aber erweist sich, dass auch nach mehr als einem halben Jahr die Mannschaft noch immer nicht jene spieltaktische Flexibilität und Reife erlangt hat, die notwendig sein wird, um Saisonziele wie Meisterschaft, Pokalsieg und die Vorschlussrunde in der Champions League zu erreichen. Mag sein, dass die Erfahrung der Münchner reicht, um das Achtelfinale am Mittwoch gegen Hertha BSC zu überstehen. Mag auch sein, dass der FCB gegen den FC Liverpool mit einem Kraftakt das Viertelfinale erreicht. Aber ewig geht das nicht gut und es wäre, bei allem berechtigen Gejammer über die Personalführung der Chefetage eben auch der Job von Coach Kovac gewesen, die Mannschaft weniger ausrechenbar zu machen.
So spricht alles für eine Meisterschaft von Borussia Dortmund. Was aber die Kollegen vom "Doppelpass" nicht stören wird. Die dürfen weiter über den FC Bayern reden.