In der Vorrundengruppe H trifft Saudi-Arabien auf Angstgegner Tunesien, Ukraine und Spanien. Dazu hat sich das Königreich, in dem bis 1951 Fußball verboten war, selbst unter Druck gesetzt, auch wenn es keine Aussicht auf den Titel hat. Denn seit Monaten knirschte es im Getriebe der Auswahl, die bei einer WM bisher nie weiter als bis in das Achtelfinale wie 1994 gekommen ist.
Obwohl die Saudis noch unter der Führung von Gabriel Calderon den Sprung nach Deutschland schafften, musste der Argentinier gut ein halbes Jahr vor der WM wegen unbefriedigender Ergebnisse bei der Asienmeisterschaft gehen. Auch die von ihm betriebene Rückkehr des Altstars Sami Al Jaber brachte nicht den Erfolg. Calderons Posten übernahm der Brasilianer Marcos Paqueta, der seit 2004 mit dem saudi-arabischen Spitzenclub Al-Hilal vier Landestitel gewann.
"Die arabischen Spiele"
Am 20. Dezember 2006 unterschrieb der Südamerikaner, der 2003 mit der die U17- und U20-Nationalmannschaft Brasiliens zum Weltmeister machte, einen Zwei-Jahresvertrag. "Ich verstehe die Denkweise der arabischen Spieler und glaube, dass sie für einige Überraschungen gut sind", sagte der Coach bei Amtsantritt. Paqueta nominierte allein acht Spieler von seinem ehemaligen Team Al-Hilal. Unbestrittener Star aber ist Hamad Al Montashari, der inzwischen zum besten Spieler Asiens gekürt worden ist und bei Al-Ittihad sein Geld verdient.
Abgesehen von den Trainern, die in dem islamisch-konservativen Wüstenstaat ohnehin sehr häufig ausgetauscht werden, ist Fußball dort kein anerkannter internationaler Sport. Die guten Spieler verdienen in den 12 Clubs der Saudi Arabian Premier League ihr Geld. Vor allem junge Männer sind fußballverrückt. Sie reden sich bei ihren traditionellen abendlichen Treffen, bei denen Tee getrunken und manchmal auch Wasserpfeife geraucht wird, die Köpfe heiß über die richtige Strategie und die ideale Aufstellung bei der WM.
Prüfungen für die WM verschoben
Damit Studenten und Schüler wegen des WM-Fiebers nicht bei den Prüfungen versagen, hat das Erziehungsministerium sogar die Prüfungstermine an allen Jungenschulen und Universitäten des Landes verschoben. Die Älteren und die frommen Saudis mit den langen Bärten sind mit dem WM-Virus dagegen nicht infiziert. Das Gleiche gilt für die tief verschleierten Frauen, die wegen der vom Staat vorgeschriebenen Geschlechtertrennung sowieso keinen Zutritt zu den saudiarabischen Stadien haben.
Der saudiarabische Fußballverband hatte trotzdem keine Mühe, die 10.500 Karten für die drei Vorrundenspiele an den Mann zu bringen. Denn für die Saudis, die Statussymbole schätzen, ist es auch eine Prestigefrage, in Deutschland im Stadion dabei zu sein. Auch bei der Erteilung der Visa für die WM-Besucher lief alles glatt, obwohl das Königreich ein massives Terrorismusproblem hat. Um sich von diesem Terror-Image zu distanzieren, kommt die saudiarabische Nationalelf mit einem Logo nach Deutschland, auf dem als Symbole des Friedens eine Taube und ein Palmzweig zu sehen sind.
"Das Spiel gegen die Tunesier wird die Feuertaufe."
Ganz anders ist das zum Beispiel bei den tunesischen Nationalspielern, von denen ein Großteil in Europa spielt, und gegen die die Saudis in Deutschland ihr erstes WM-Spiel am 14. Juni in München bestreiten müssen. Vor diesem arabischen Derby graut es den "Grünen" jetzt schon. "Das Spiel gegen die Tunesier, die momentan ungefähr auf dem gleichen Niveau spielen wie Saudi-Arabien, wird die Feuertaufe. Das dürfen sie nicht verlieren, denn das wäre für das Publikum zu Hause das Schlimmste", meint ein arabischer Sportjournalist.
Mit sehr gemischten Gefühlen kommen die Saudis nach Deutschland. Denn gegen den Vizeweltmeister von 2002 hatten die Saudis mit einem.0:8 in der Vorrunde die schmachvollste Niederlage der vergangenen Jahrzehnte erlitten. Der Schock saß so tief, dass die lokale Sportpresse sogar noch im vergangenen Sommer nach der Qualifikation für die WM in Anspielung auf diese Begegnung schrieb: "Die Saudis können jetzt wieder erhobenen Hauptes gehen".
Die Vorbereitungsspiele sind für die ganz in Grün spielende Mannschaft nicht sonderlich gut gelaufen. Gegen Schweden, Syrien und den Irak spielten sie jeweils unentschieden. Gegen den WM-Teilnehmer Portugal und Libanon verlor das Team unter Paqueta. Für zusätzliche Aufregung sorgte unlängst das Gerücht, Stürmer Jassir al-Kahtani (23) sei gestorben. Der nur 1,66 Meter große Star sah sich genötigt, im Fernsehen das Gerücht zu entkräften.