Deutscher WM-Kader Zittern in Südtirol - zwei müssen raus

Zwei Spieler haben sich verletzt, zwei müssen noch gestrichen werden: Im Trainingslager in Südtirol muss Jogi Löw entscheiden, wer nicht mit nach Südafrika fährt. Es gibt erste Tendenzen.

Man fühlt sich gut, wenn man Sport gemacht hat. Der Bundestrainer war mitgefahren bei der Mountainbike-Tour, hoch und runter, eineinhalb Stunden lang, und als er im Garten des Mannschaftshotels Weinegg stand und sich am Obstkorb stärkte, die Haare nass-, das Radlershirt durchgeschwitzt, da wirkte er glücklich und zufrieden.

Keine zwei Stunden später durchflutete die Sonne immer noch die Häuser und Weinstöcke der Südtiroler Gemeinde Eppan, doch die Stimmung im Quartier der deutschen Nationalmannschaft war jetzt gedrückt. Schon wieder war ein Sprunggelenk verletzt, schon wieder einer aus dem Kreis zu verabschieden. Christian Träsch musste aufgeben, ein talentierter Spieler des VfB Stuttgart, der seit dem Ausfall Michael Ballacks als Ersatzmann von dessen Ersatzmann Sami Khedira auf der wichtigen Sechser-Position im defensiven Mittelfeld gehandelt wurde. Noch ein verletzter Deutscher also, während Teams wie Argentinien, Italien, die Niederlande oder Brasilien aus dem Vollen schöpfen können.

Bevor nun die Fantasie mit den Deutschen durchgeht und die beliebte Debatte neu aufgelegt wird, ob der nicht mehr ganz so beliebte Bremer Haudegen Torsten Frings nicht doch noch berufen werden müsse in Zeiten derart herber Verluste, hat der Trainerstab reagiert und klargestellt: Der Kader ist groß genug. Niemand wird nachnominiert.

Der Spitzenkandidat der Streichliste

Dass sich die Nation aber Gedanken macht, wer sie am Ende bei der Endrunde der Fußball-WM in Südafrika vertritt, lässt sich indes nicht unterbinden. Auch Löw selbst wägt ja ab in diesen Tagen, wer aus seinem nun nur noch 25 Spieler großen Aufgebot ihm am wenigsten nützen kann. Verletzt sich nicht noch jemand, wird er zwei Spieler streichen müssen.

Löw gilt als Mann, der zu seinem Wort steht, und deshalb können Mario Gomez und Stefan Kießling ruhig schlafen. Alle Stürmer seien für den endgültigen 23-Mann-Kader gesetzt, hat der Bundestrainer gesagt und damit auch jenen Angreifern einen Fahrschein ausgestellt, deren Bedeutung im Moment wohl nicht allzu hoch ist. Mit Mario Gomez ist am Dienstag ein Mittelstürmer zum Kader gestoßen, der in München Monate am Rande der Demütigung zu überstehen hatte, dort als Stürmer Nummer vier so gut wie gar nicht aufs Feld durfte. Da auch seine Bilanz in der Nationalelf bescheiden ausfällt, bringt Gomez im Moment weder Selbstbewusstsein noch Formstärke mit.

Sein Kollege Kießling blickt auf eine pralle Bundesligasaison zurück, er traf und traf und traf – und wirkt nun im Kreis der Nationalelf seltsam unsicher. Schon im Test gegen Malta vergab er Chancen, sein Kombinationsspiel enthielt allerlei Unzulänglichkeiten. Im Kick gegen den FC Südtirol knüpfte Kießling exakt daran an.

Als Spitzenkandidat der Streichliste muss wohl Andreas Beck gelten. Der rechte Verteidiger aus Hoffenheim scheint sich bisher wenig aufzudrängen. Auf seiner Position konkurriert er mit Philipp Lahm und Jérome Boateng. Auch Arne Friedrich kann hier spielen, der (wenn man den voraussichtlichen Dritttorwart Jörg Butt ausklammert) zweitälteste Spieler im Kader, der gegen Südtirol sicht- und hörbar das Kommando übernahm.

Podolski blüht auf

Holger Badstuber wäre ein Geheimkandidat – wenn noch ein Abwehrspieler wegzuschicken wäre. Außerdem kann der Bayer innen wie außen verteidigen – und verfügt damit über den derzeit hoch geschätzten Vielseitigkeitsbonus. Vielseitig einsetzbar sind auch der Berliner Arne Friedrich (Innen- und Außenverteidigung) und der Hamburger Dennis Aogo (Außenverteidigung und Sechser-Position). Nicht eben formstark, aber der König der Vielseitigkeit ist der Schalker Heiko Westermann, ein Innen- und Außenverteidiger und zugleich auch noch ein Sechser. Westermann wird auch deshalb mitfahren dürfen nach Südafrika.

Der Sturm, das Tor, das defensive Mittelfeld sind quasi unausdünnbar, und so müsste der zweite Doch-nicht-WM-Teilnehmer dem offensiven Mittelfeld entstammen. Viele junge Kräfte wollen hier walten, an einem Platzhirschen kommen sie – Stand jetzt – nicht vorbei: Lukas Podolski blüht tatsächlich auf im Kreise der Nationalmannschaft, auf dem Trainingsplatz verströmt er neben guter Laune auch eine bemerkenswert starke Präsenz. Als klassischer Zehner gesetzt ist der Bremer Mesut Özil. Auch auf Toni Kroos, ein Hochtalent als Spielmacher und erfahren auf den Außenbahnen, wird der Bundestrainer kaum verzichten.

Marin oder Trochowski?

Am Ende könnte die Entscheidung zwischen den Linksfüßlern Pjotr Trochowski vom Hamburger SV und Marko Marin von Werder Bremen fallen. Den kleinen Dribbler Marin, damals allerdings noch Gladbacher Zweitligist, erwischte es schon 2008 vor der Europameisterschaft – von Mallorca aus ging es für ihn nicht in die Schweiz. Nun, in Südtirol, gibt er sich gewiss, dass diesmal ein anderer dran sei. Marin verweist darauf, in der Bundesliga Stammkraft bei einem Champions-League-Qualifikanten gewesen zu sein.

Im von Joachim Löw ja höchst erwünschten Konkurrenzkampf sollte man das nicht als Seitenhieb verstehen, doch tatsächlich kann Pjotr Trochowski genau das nicht von sich behaupten. Der HSV schaffte es nicht mal in die Europa League und der Mann mit den gefährlichen Fernschüssen oft nicht mal in dessen Stammelf.

Aber Trochowski bestritt viele Partien der WM-Qualifikation und gilt als gelehriger Schüler. Joachim Löw würde sich nicht gut fühlen, wenn er ihn nach Hause schicken müsste.

P.S.: Diskutieren Sie das Thema auf Fankurve 2010 der Facebook-Fußballfanseite von stern.de.

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