Selbst Nelson Mandela, alt und senil, lässt ausrichten, das Land solle sich noch einmal hinter seinem Team versammeln. Und Staatspräsident Jacob Zuma sagt: "Lasst uns weiterhin unsere Jungs unterstützen und auch das Turnier, das wir ausrichten."
Ob ihre Landsleute ihnen folgen werden? Zwölf Tage sind nun vergangen, seit dem ersten Anstoß dieser WM. Und genauso so lange wird denn auch der Gastgeber nur im Turnier vertreten sein. Sollte sich nicht ein fußballtechnisches Wunder ereignen, ist Bafanas Spiel gegen die Auswahl von Frankreich heute Nachmittag in Bloemfontein der letzte Kick der Südafrikaner. Zum ersten Mal in der Geschichte der Weltmeisterschaft ist es damit schon nach der Vorrunde mit dem Auftritt des Gastgebers vorbei. Und damit auch mit der Stimmung?
Selbst Rubgy-Fans ließen sich überzeugen
Nicht unbedingt. Sicher, es war ein Taumel in gelb und grün, den das Land in den Tagen nach dem unerwarteten Unentschieden gegen Mexiko durchlebte. Selbst hartgesottene Rugby-Fans begannen sich plötzlich die gelben Bafana-Leibchen über die Bäuche zu ziehen und den Kneipennachbarn zu fragen, was es denn eigentlich mit dieser seltsamen Abseitsregel auf sich hat. Die Quote der südafrikanischen Fähnchen an den Autos stieg exponentiell.
Doch es war den meisten Fans klar, dass ein Weiterkommen in einer Gruppe mit Uruguay, Frankreich und Mexiko sehr, sehr schwer werden würde. Sollte sich Bafana Bafana heute Nachmittag mit einer soliden Vorstellung gegen Frankreichs von Intrigen geschwächte Auswahl verabschieden, es würde vielen schon reichen, um auch weiterhin mit Stolz das gelbe Shirt zu tragen.
Die Südafrikaner feiern ihre WM
Schließlich war diese Weltmeisterschaft bislang alles andere als ein Desaster. Was hatten düstere Propheten nicht alles vorausgesagt: Diebstähle, Vergewaltigungen, Morde, ja ein afrikanisches Sodom und Gomorrha sondergleichen. Tatsächlich aber hat Südafrika bislang bewiesen, dass es in der Lage ist, ein Weltspektakel zu stemmen. Zugegeben: Die Park&Ride-Systeme funktionierten nicht perfekt, ein unseliges Ticket-Vertriebssystem der Fifa ließ in manchen Nebenspielen noch Plätze leer bleiben, der Lohnkonflikt zwischen Ordnern und ihrem Arbeitgeber brachte zwei Tage lang unschöne Bilder - aber die Stimmung bei Fans und Einheimischen war fast immer hervorragend. Und auch die afrikanischen Fans feierten, trotz eher mittelprächtiger Leistungen ihrer Teams.
Als etwa Argentinien im Johannesburger Ellis-Park-Stadion auf Nigeria traf, organisierte die nigerianische Gemeinde im benachbarten Viertel Hillbrow eine karnevalsgleiche Prozession hinunter zum Stadion - Gesänge, Orchester und sogar zwei in Nigerias Farben weiß-grün bemalte Hühner inbegriffen. Und als einen Tag später Ghana Serbien besiegte, versammelte sich die ghaneische Exil-Gemeinde von Johannesburgs Immigrantenviertel Yeoville zunächst geschlossen vor den Fernsehern der dortigen Kneipen - um nach dem 1:0-Sieg die Straßen in ein rot-gelb-grünes Fahnenmeer umzuwandeln. So enttäuschend manche der vermeintlich großen Teams bislang agierten, so verrückt war die Leistung jener unbekannten kleinen Helden rund um das Turnier. Es sind Geschichten wie die von Anele Vani, dem Vorsteher einer kleinen Hüttensiedlung vor den Toren von Knysna an der Südküste Südafrikas.
Strom für den Township
Knysna ist ein schnuckeliger Touristenort samt Lagune und großer Austernzucht, der es geschafft hat, gleich zwei WM-Teams zu überzeugen, hier ihr Basislager aufzuschlagen: Dänemark und Frankreich. Knysna ist aber auch eine Kleinstadt, die wie fast alle Kleinstädte Südafrikas von einem Ring aus mehr oder minder erbärmlichen Townships umzogen sind. Und einem von diesem, Hlalani genannt, steht Anele Vani vor.
Vani ist eigentlich ein gemütlicher Mann, der ruhig spricht - außer wenn es um seine Leidenschaft geht: Fußball. Sein großes Problem aber ist: In Hlalani konnte bislang keiner Fußball sehen - die kleine Hüttensiedlung ist nicht ans Stromnezt angeschlossen. Und ohne Strom funktionieren eben keine Fernseher. "Seit Jahren kämpfen wir dafür, aber es passiert einfach nichts", sagt er.
Sorge, vom Spektakel ausgeschlossen zu werden
Als die WM immer näher rückte, wurden die Sorgen, vom Spektakel ausgeschlossen zu bleiben, immer größer. Die Bewohner von Hlalani schrieben Briefe, in dem sie Stadtverwaltung anflehten, ihre Siedlung bis zur WM mit Strom zu versorgen. Sie wurden immer wieder vorstellig, sie blockierten schließlich sogar mehrmals die Hauptstraße des Ortes. "Aber es wollte lange keiner auf uns hören", sagt Vani.
Dann, endlich, nach monatelangem Kampf erreichte es Vani tatsächlich, dass man versuchen wollte, Hlalani mit Strom zu versorgen - doch dann fehlte der nötige Transformator. Vani aber gab nicht auf und erdachte sich gemeinsam mit der Stadtverwaltung eine Notlösung: ein Zelt mit gesonderter Stromversorgung samt Großbildleinwand. Mitten im Township. So sitzen nun jeden Nachmittag und Abend vielleicht 100 oder 200 Township-Bewohner im hell erleuchteten Zelt inmitten ihres dunklen Townships und schauen Fußball. Und wohl auch heute Nachmittag, beim wahrscheinlich letzten Auftritt ihres Teams. Und danach? "Auch wenn Bafana verlieren sollte, für uns ist die WM damit nicht zu Ende. Wir unterstützen dann eben Ghana", sagt Vani, "aber vielleicht überrascht uns Bafana ja auch mit einem kleinen Wunder."
P.S.: Diskutieren Sie das Thema auf Fankurve 2010 der Facebook-Fußballfanseite von stern.de.