WM 2010: Argentiniens Superstar Herr Messi sucht das Tor

Von Klaus Bellstedt, Pretoria
Lionel Messi wartet bei der WM auf seinen ersten Treffer. Kritiker monieren deshalb, dass der Argentinier im Nationaltrikot nicht zur Entfaltung kommt. Doch das Gegenteil ist der Fall.

Es lief die Nachspielzeit im WM-Achtelfinale zwischen Argentinien und Mexiko. Ein letztes Mal nahm der beste Fußballspieler der Welt Fahrt auf, umdribbelte auf seine unnachahmliche Weise zwei bedauernswerte mexikanische Abwehrspieler und zog aus 18 Metern ab. Lionel Messis Ball nahm eine so verrückte Flugbahn, dass ihn viele im Stadion bereits im Netz zappeln sahen. Aber das Kunstwerk blieb unvollendet. Mexikos Torwart Perez parierte den Schuss sensationell. Nach dem Schlusspfiff feierten die Fans der "Albiceleste" den Doppeltorschützen Carlos Tevez. Messi ließ sich derweil von Trainer Diego Maradona trösten.

Laut Fifa-Statistik hat Lionel Messi bei dieser WM in vier Spielen für Argentinien 13 Mal auf das gegnerische Tor geschossen. Mehr als jeder andere Spieler in Südafrika. Zum Vergleich: Sein Teamkollege Carlos Tevez schoss deutlich seltener aufs gegnerische Gehäuse - und traf zwei Mal. Sein Gegner Thomas Müler hat sogar drei Treffer zu verbuchen. Dummerweise gibt es für den Gewinner der Kategorie "häufigster Torschuss" am Ende der WM keinen Extra-Pokal - anders als zum Beispiel für den besten Torschützen beim Turnier am Kap. Womit wir beim eigentlichen "Problem" angekommen wären. Was die Rangliste der Torschützen betrifft, liegt Messi mit null Toren in der laufenden Wertung noch immer auf dem geteilten letzten Platz. Und wenn schon!

Nur 13 Tore in 45 Partien

Rückblick: Sorgenvoll klagte Argentiniens Konditionstrainer kurz vor WM-Beginn über den Zustand von Lionel Messi. Aufgrund der langen und harten Saison beim FC Barcelona sei der Superstar ausgelaugt und zu keinen Wunderdingen bereit. Doch der Teamarzt beruhigte die Fans sogleich: Der körperliche Zustand von Argentiniens Nummer 10 ließe nichts zu wünschen übrig. Taktik oder Wahrheit? Man war nicht schlauer als vorher. Die Erwartungen an Messi waren und sind immens. Für Barcelona erzielte er sagenhafte 34 Saisontore in der spanischen Liga, in allen Wettbewerben zusammen sogar 47 - doch in der Nationalmannschaft lief es für das Jahrhunderttalent in der Vergangenheit nie so richtig rund: 13 Tore in 45 Partien.

Viele Kritiker von Trainer Diego Armando Maradona monieren, dass Messi nicht die gleiche Rolle wie bei seinem Klub spielen könne und er deshalb meistens unauffällig bleibe. In Barcelona ist er der Vollender, Xavi und Iniesta machen das Spiel. Die Startelf ist eingespielt, die Automatismen sitzen. In der WM-Qualifikation bot Maradona über 90 verschiedene Akteure auf. Messi hatte immer wieder andere Spieler neben sich und tat sich dementsprechend schwer.

Messi spielt immer

Aber damit ist bei dieser WM in Südafrika nun Schluss. Argentinien, nur mit Ach und Krach durch die Qualifikation gekommen, hinterlässt einen defensiv stabilen und offensiv starken Eindruck. Maradona weiß, auf welche Spieler er setzen will. Messi spielt immer, und immer wieder sorgt er für Ausrufezeichen. Bisher allerdings nicht durch Tore, doch die Highlights waren reich gesät. "La Pulga", der Floh, irrlichterte in allen vier Spielen der argentinischen Nationalmannschaft phantomgleich durch die gegnerischen Abwehrreihen und war maßgeblich an den Siegen beteiligt. Vier Spiele, etliche Torchancen, null Treffer und dennoch voll überzeugend: Messi präsentiert sich bis jetzt in blendender Verfassung, sein körperlicher Zustand ist alles andere als suboptimal, trotz der vielen Tritte, die er Spiel für Spiel einstecken muss. Nur das ist die Wahrheit.

Apropos Fouls: Diego Maradona sah nach dem gewonnenen Achtelfinale gegen Mexiko angesichts der vielen Fouls an Lionel Messi eine neue Ära Gentile heraufdämmern. Claudio Gentile, das war der italienische Verteidiger, der Maradona im Zwischenrundenspiel der WM 1982 bei jeder Ballberührung mit teilweise brutalsten Fouls zu Boden streckte, ohne dass der Schiedsrichter nennenswert eingriff. Das war natürlich nur ein Ablenkungsmanöver Maradonas. Der Trainer wollte die Diskussion in eine andere Richtung lenken. Er weiß, dass sein bester Spieler schon ein bisschen unter dem "Null-Tore-Syndrom" leidet. Fünf Tore und fünf Torvorlagen steuerte Diego Maradona zum WM-Triumph Argentiniens 1986 bei. Messi wird diese Werte in Südafrika kaum noch erreichen können. Argentinien kann aber trotzdem Weltmeister werden - vor allem wegen seiner Klasse.

P.S.: Hat Sie Messi bei dieser WM enttäuscht? Diskutieren Sie mit auf Fankurve 2010, der Facebook-Fußballfanseite von stern.de.

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