WM 2010 Steht Griechenland vor dem Ende der "Ottokratie"?

Auf der einen Seite der gelernte Anstreicher, auf der anderen der Lebemann. Hier der dozierende Fußballlehrer im Trainingsanzug, dort die schillernde Hand Gottes. Das Trainer-Duell bei der WM in Südafrika zwischen Otto Rehhagel und Diego Maradona ist auch ein Aufeinandertreffen der Gegensätze.

Auf der einen Seite der gelernte Anstreicher, auf der anderen der Lebemann. Hier der dozierende Fußballlehrer im Trainingsanzug, dort die schillernde Hand Gottes. Das Trainer-Duell bei der WM in Südafrika zwischen Otto Rehhagel und Diego Maradona ist auch ein Aufeinandertreffen der Gegensätze. Und doch haben beide etwas gemein: In Griechenland und Argentinien haben die Volkshelden Rehakles und Maradona Kult-Status - und von ihren Spielern werden sie verehrt.

"Die Verdienste von Rehhagel für den griechischen Fußball kann man gar nicht hoch genug einschätzen", sagt Angelos Charisteas, der EM-Held von 2004: "Wir vertrauen ihm wie Kinder." Stürmer Georgios Samaras fügt hinzu: "Er hat Disziplin ins Team gebracht und stets negative Einflüsse von außen abgeblockt."

Nach dem sensationellen EM-Triumph haben sie Rehhagel in Hellas auf den Olymp gehoben. Seine defensive Spielweise hat der "Maurermeister" stets verteidigt. "Wenn wir irgendwann mal Ronaldo, Kaka oder Messi haben, dann können wir auch entsprechenden Fußball spielen", pflegt Rehhagel Kritikern zu antworten.

Vor der Partie gegen Argentinien betonte Rehhagel erneut, dass ein Vergleich Griechenlands mit den großen Fußball-Nationen hinke. "In Brasilien und Argentinien wachsen die guten Spieler auf den Bäumen. Wir müssen jahrelang nach ihnen suchen. Argentinien lässt einen Milito draußen, der Bayern München im Champions-League-Finale abgeschossen hat. Davon träumen wir nur", sagte der Methusalem, der mit 71 Jahren der älteste Trainer der WM-Geschichte ist, auf der Pressekonferenz im Peter-Mokaba-Stadion in Polokwane.

Über den 22 Jahre jüngeren Maradona redete Rehhagel ganz höflich und korrekt als "Herr Maradona". Die Griechen bekamen es schon einmal bei einer WM mit ihm zu tun. 1994 in den USA erzielte D10S - eine Zusammensetzung des Wortes Dios (Gott) mit Maradonas Trikotnummer 10 - beim 4:0-Sieg der Gauchos sein achtes und letztes WM-Tor.

Rehhagel hat seine Aufgabe in Südafrika im Grunde schon vor dem Vorrunden-Endspiel gegen den zweimaligen Weltmeister Argentinien erledigt. Beim 2:1 gegen Nigeria feierte das ganze Land den ersten Sieg und die ersten Tore bei einer WM-Endrunde. Im Anschluss konnte "König Otto" auch wieder die Huldigungen seiner Untertanen entgegennehmen. "Er hat erneut gezeigt, wie genial er sein kann", schrieb die Sportzeitung Goal News.

Trotzdem nagt der Zahn der Zeit an Rehhagel. In Griechenland wird schon fleißig über mögliche Nachfolger spekuliert. Der Nachrichtensender Skai berichtete zuletzt, dass der Portugiese Fernando Santos in den Startlöchern steht. Auch der Bosnier Dusan Bajevic wird als potenzieller Rehhagel-Erbe genannt. Beide Trainer versprechen offensiveren und moderneren Fußball.

Nach neun Jahren könnte die Ottokratie ein Ende haben. "Ich weiß nicht, wie es weitergeht. Wir setzen uns nach der WM zusammen", hat Rehhagel erklärt und zu seinen Spielern sagte der gebürtige Essener nach dem 0:2 zum Auftakt gegen Südkorea: "Es könnten die letzten Tage sein, die wir gemeinsam verbringen. Also lasst uns die WM gut zu Ende bringen." Es klang nach Abschied.

SID
Holger Luhmann, SID

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