Es ist bekannt, dass Peter Danckert, der Vorsitzende des Sportausschusses im Bundestag, kein Blatt vor den Mund nimmt. Also hat der SPD-Politiker dieser Tage deutlich gesagt, was er von der Vergabe der Fußball-Weltmeisterschaft 2010 nach Südafrika hält.
"Was im Moment dort passiert, ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass die Sicherheitslage nicht gelöst ist", sagt Danckert gegenüber stern.de.. Würde die WM jetzt beginnen, "ich würde nicht hinfahren wollen."
Unsichere Lage
Aus gutem Grund: In den vergangenen Wochen kamen mindestens 56 Menschen in Südafrika ums Leben, es gab etliche Verletzte und zig Vertriebene, Ausländerverfolgungen, Plünderungen, Vergewaltigung und Mord sind beinahe Alltag am Kap der guten Hoffnungen. An Grenzstationen wurden traumatisierte Mosambikaner aufgegriffen, auf der Flucht vor mordlüstigen südafrikanischen Schlägerbanden.
Selbst die südafrikanische Zeitung "Sunday World" konstatierte angesichts der neuerlichen Schandtaten fatalistisch: "Die Fifa wird sich die Frage stellen, wie dieses Land in der Lage sein will, sich Sicherheit von Besuchern aus aller Welt während der WM zu gewähren, wenn wir nicht einmal in der Lage sind, das Töten unserer Brüdern und Schwestern von der anderen Seite der Grenze zu stoppen."
Alternativen gesucht?
Denn nach unveröffentlichten Studien gibt es in Südafrika ausgeprägte ausländerfeindliche Tendenzen - die erst jetzt wieder in Gewaltakte münden. Daher attackiert Danckert nun auch den Weltfußballverband: "Die Fifa muss energisch auf das Gastgeberland einwirken. Man kann nicht mehr nur dem Prinzip Hoffnung vertrauen. Bislang sei das Problem von der Fifa "etwas bagatellisiert" worden.
Was ist die Alternative? Danckert denkt sogleich an sein Heimatland: "Jeder weiß, dass wir 2006 eine organisatorische einwandfreie Weltmeisterschaft abgeliefert haben." Aber wenn sich Deutschland jetzt anböte, "würde dies Südafrika sicherlich demotivieren."
Großes Engagement
So gibt es auch von Seiten des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) keinerlei sachdienliche Hinweise darauf, dass so ein Plan existiert. Denn nur die leise geäußerte Bereitschaft würde den Partner Südafrika verschrecken. Aber das südlichste Land Afrikas, die Erkenntnis ist nicht neu, ist als Ausrichter eines Giga-Events so oder so ein Sonderfall. Wer sicherheitstechnisch, strategisch und organisatorisch das Ereignis 2006 für 2010 als Maßstab nimmt, begeht einen grundsätzlichen Fehler.
Unablässig weist auch Horst R. Schmidt, der ehemalige DFB-Generalsekretär und OK-Vizepräsident, auf diesen Umstand hin. Der Aschaffenburger stellt sein Know-how längst den Südafrikanern zur Verfügung, er berät, schlägt vor, weist an, korrigiert und arrangiert, wo und was er kann. "Mein Ziel ist es, als Teamarbeiter meine Erfahrungen einzubringen und damit einen Beitrag zu leisten, dass die WM 2010 ein Erfolg wird", sagte Schmidt bei Amtsantritt des Fifa-Projektes.
Kaum Infrastruktur
Doch können damit grundsätzliche Defizite kaschiert werden? Das Land, das sich über mehr als 2.500 Kilometer ausdehnt und an zwei Ozeanen liegt, dazu 3,4-mal so groß wie Deutschland ist, verfügt nur über 2000 Kilometer ausgebauter Außenbahnen.
Das Schienennetz ist in manchen Regionen rudimentär, der öffentliche Verkehr für 47 Millionen Einwohner ebenso - es fehlen Straßen- und U-Bahnen, die Zuschauermassen zu den Stadien bringen könnten. Und über allem thront das Sicherheitsproblem: Die Großstädte haben großflächige No-Go-Bereiche, die ein Weißer besser meidet. Es gibt Hotels, ja auch Supermärkte, die ihre Gäste gleich darauf hinweisen, bei Dunkelheit in diesem Gebiet besser nicht zu verkehren.
Harte Linie
Und selbst bei Tageslicht ist manch einer nicht sicher: Vor der WM-Auslosung im November vergangenen Jahres ist bekanntlich der 43-jährige Peter Burgstaller, ehemaliger Torwart von Austria Salzburg, auf einem Golfplatz in Durban erschossen worden. Der Mann wurde vom Sicherheitspersonal auf einer mit einem Elektrozaun gesicherten Anlage mit einem Brustschuss tot aufgefunden. Es handelte sich offenbar um einen Raubmord.
Blatter beeilte sich damals mit einer Feststellung, die verriet, wie gefühlskalt Mächtige doch denken: "Das Opfer war kein Delegationsmitglied." Man stellte sich vor, so etwas würde sich 2010 wiederholen. Und WM-Spieler und Fifa-Funktionäre treffen. Selbst ein Abbruch der WM wäre dann nicht ausgeschlossen.
Vertrauen in Organisatoren
Kein Wunder, dass Blatter und seine Gefolgschaft ja selbst gewaltige Zweifel haben. In Fifa-Protokollen sollen die Organisatoren am Kap scharf gerügt worden, mehrfach bereits die Aufforderung ans Organisationskomitee ergangen sein, den Druck auf die südafrikanischen Verantwortlichen zu erhöhen. Das geschieht intern.
Nach außen hin beschwichtigt der Weltverband, dessen Exekutivkomitee gerade erst bei seiner Sitzung in der australischen Metropole Sydney erklärte, es habe volles Vertrauen in Südafrikas Organisation und man setze auf die Fähigkeit des Gastgebers, die Sicherheitslage in den Griff zu bekommen.
Hoffen auf Menschlichkeit
Artig artikulierte Danny Jordan, der Vorsitzende des lokalen Organisationskomitees in Südafrika: "Unser offizieller Slogan lautet 'Ke Nako' – Lasst uns Afrikas Menschlichkeit feiern. Was derzeit geschieht, steht in totalem Widerspruch zu dem, wofür wir einstehen. Was da passiert, ist nicht die Haltung Südafrikas."
Und der Vize-Polizeichef von Südafrika, Andre Pruis, verkündete kürzlich bei einer Informationsveranstaltung in Berlin kühn: "Südafrika wird durch die WM sicherer werden. Unser Ziel ist es, die Kriminalitätsrate Jahr für Jahr zwischen sieben und zehn Prozent zu senken." Außerdem habe man durch die Cricket- und Rugby-WM ja schon genug Erfahrung mit Großevents. Pruis verriet sodann, dass von den 122 Millionen Euro, die für Sicherheitsmaßnahmen zur Verfügung stehen, "viele Spielzeuge" gekauft worden sind. Damit waren Hubschrauber gemeint.
Plan B existent?
Das wird vermutlich ebenso wenig helfen wie mehr als 40.000 Polizisten, die zum Großteil kaum fremde Sprachen sprechen, wie der Polizeiexperte sagte. Deshalb sollen bitteschön ausländische Sicherheitskräfte her.
Gesunde Skepsis ist bei solchen Tagträumern angebracht. Und seine wirklichen Zweifel tat der Fifa-Obere ja auch vor einem Jahr kund. In einer schwachen Minute machte Blatter nämlich den Plan B tatsächlich öffentlich: die Verlegung in ein anderes Land. Der Walliser nannte England, Australien, er redete gegenüber der BBC von den USA, Mexiko, Japan und Spanien, es gebe andere Länder, "die morgen, in zwei Tagen oder in zwei Monate in der Lage wären, eine WM zu organisieren."
Nur damit hatte der findige Strippenzieher den Bogen überspannt - und Blatter ruderte alsbald zurück. So habe er das alles nicht gemeint und man werde doch nicht Südafrika, der Nation, der der Fifa-Chef am liebsten schon 2006 die WM zugeschanzt hätte, wieder das einzigartige Erlebnis wegnehmen.
Blatter weiß, dass vor allem er selbst gar keine andere Alternative hat. Ein Scheitern des Prestigeprojektes auf dem afrikanischen Kontinent wäre auch ein Geständnis seiner persönlichen Fehlschätzung. Denn die Kür war ja einst nicht ohne Sinn und Zweck: Nur die afrikanischen Stimmen hievten schließlich den 62-Jährigen auf den höchsten Fußball-Thron. Doch die Fifa weiß auch, dass sie genau wie das IOC mit seiner umstrittenen Vergabe der Olympischen Spiele nach Peking im Fokus steht. Der Imageschaden in das blinde China-Vertrauen ist für die Olympioniken schon jetzt gewaltig – die fatalen Folgen für die Fußballwelt mit der Südafrika-Wahl sind bislang erst zu erahnen.