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WM-Qualifikation Warum Hansi Flick auf "Radio Müller" und ein ungewöhnliches Experiment setzt

Bundestrainer Hansi Flick gestikuliert
Training der Nationalmannschaft vor dem WM-Qualifikationsspiel gegen Rumänien. Bundestrainer Hansi Flick gestikuliert.
© Marcus Brandt / DPA
Beim WM-Qualifikationsspiel gegen Rumänien wird Routinier Thomas Müller auf den Platz zurückkehren und im Mittelfeld lautstark Regie führen. In der Abwehr hingegen muss Hansi Flick ins Risiko gehen und auf die Verwandlungskünste eines Gladbachers setzen.
Von Christian Ewers

Die Europameisterschaft liegt schon fast drei Monate zurück, die Ära Löw ist längst beendet, und doch ist das missratene Turnier noch immer ein Bezugspunkt für die deutsche Nationalmannschaft. Diese EM, bei der das DFB-Team bereits im Achtelfinale scheiterte, muss irgendwie vergessen und getilgt werden. Das war am Dienstag aus dem Statement von Thomas Müller zu lesen, einem der Wortführer der Mannschaft. "Wir sehen aktuell einen kleinen Aufschwung", sagte Müller, "in der Spielweise und im Ergebnis. Daran wollen wir unbedingt anknüpfen."

Müller gab in einem Hamburger Hotel eine Art Regierungserklärung ab. Sie war gerichtet auf die kommenden beiden WM-Qualifikationsspiele gegen Rumänien am Freitag und gegen Nordmazedonien am Montag. Man wolle die Fans begeistern mit offensivem Fußball, sagte der Mittelfeldspieler der FC Bayern. "Und natürlich auch mit Resultaten, denn am Ende werden  wir daran gemessen. Und das ist auch in Ordnung so."

Flick hält viel von Müller

Müller wird am Freitag (20:45 Uhr, live bei RTL, TV Now und im stern-Ticker) wohl in der Startaufstellung von Bundestrainer Hansi Flick stehen. Bei Flicks ersten Länderspielen im September gegen Liechtenstein, Armenien und Island war Müller wegen einer Verletzung nur Zuschauer. Das 6:0 gegen Armenien in Stuttgart verfolgte er von der Tribüne aus. "Ich war Mitmacher bei einer durchs Stadion gehenden Welle", erzählte Müller. "Das war mitreißender Fußball."

An diesen Abend will die Nationalmannschaft nun anschließen. Sie ist Tabellenführer ihrer Qualifikationsgruppe mit 15 Punkten und 17:2 Toren. Dem Gruppenersten ist die Teilnahme an der WM 2022 in Katar sicher – und Müller, Weltmeister 2014, möchte dort noch einmal um den Titel kämpfen.

Flick hält große Stücke auf ihn. Als Flick noch Trainer beim FC Bayern war, wirkte Müller auf dem Platz wie eine Art Botschafter seines Coaches: Lautstark gab Müller Anweisungen weiter – oder, wie er es mit feiner Ironie nennt: "sachdienliche Informationen". 

"Radio Müller" als Lautsprecher für die Mannschaft

In der verjüngten Nationalmannschaft, in der Nachwuchskräfte wie Florian Wirtz (18, Bayer Leverkusen), Jamal Musiala (18, FC Bayern) oder Karim Adeyemi (19, RB Salzburg) zunehmend Spielzeit bekommen, kann Flick einen erfahrenen Moderator wie den 32 Jahre alten Müller gut gebrauchen. Der macht das liebend gern, was ihm den Spitznamen "Radio Müller" eingebracht hat, denn Müller ist eigentlich immer auf Sendung. 

Solch einen Lautsprecher könnte Flick auch gut für die Abwehr gebrauchen, dieser Dauerbaustelle des DFB. Mats Hummels, Deutschlands bester Innenverteidiger, erhielt von Flick eine Ruhepause und wurde nicht für die Spiele gegen Rumänien und Nordmazedonien berufen. An seine Stelle wird aller Voraussicht nach Niklas Süle (FC Bayern) treten und mit Antonio Rüdiger (FC Chelsea) das Innenverteidiger-Duo bilden. Süle ist zwar körperlich robuster und auch schneller als Hummels, aber längst nicht so stark in der Spieleröffnung wie der Dortmunder.

Auf der rechten Verteidigerposition hat sich Flick für ein Experiment entschieden: Wie bei den Länderspielen im September wird er auf den Gladbacher Jonas Hoffmann setzten, der in seinem Verein im offensiven Mittelfeld unterwegs ist. Hoffmann stört der erzwungene Arbeitsplatzwechsel nicht, im Gegenteil. "Je flexibler ich bin und je mehr ich dem Trainer anbieten kann, desto besser", sagt Hoffmann, "das erhöht meine Chancen, dabei zu sein".

Bundestrainer Hansi Flick

Hoffmann: "Ich bin ein Typ, der sich schnell anpassen kann"

In der Tat wäre Hoffmann auf seiner angestammten Position wohl chancenlos bei Flick. Die Offensive im Nationalteam ist exzellent besetzt – zumal Flick auch noch Marco Reus zurückgeholt hat, einen feinen Techniker, der seinen Platz (ähnlich wie Müller) hinter den Sturmspitzen hat.

Gegen Armenien glückte das Experiment mit Hoffmann. Was auch daran gelegen haben mag, dass Hoffmann eher einen Außenstürmer gab als einen Außenverteidiger. Weil Armenien nur selten Angriffe startete, gab es für Hoffmann auch nichts zu verteidigen; daher wagte er sich weit nach vorn.

Die Frage, die sich Flick stellen muss, lautet nun: Kann Aushilfsjobber Hoffmann auch in Spielen gegen Spitzenmannschaften wie Spanien, Frankreich oder Italien bestehen?

Hoffmann traut es sich jedenfalls zu. "Ich bin ein Typ, der sich schnell anpassen kann", sagt er. Auch in Gladbach hat man schon von seinen Verwandlungskünsten profitiert. Vor zwei Jahren, noch unter Trainer Marco Rose, habe er mal während eines Spiels vier verschiedene Positionen bekleidet, berichtete Hoffmann am Dienstag. Gegen Rumänien wird Flick das Chamäleon wohl wieder aufstellen. In der Hoffnung, dass es wieder wenig zu verteidigen gibt.

rw

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