Es war der Aufreger des siebten Bundesliga-Spieltags: Bruno Labbadias Ausraster nach dem 2:2 seiner Stuttgarter gegen Bayer Leverkusen. Wieder keine drei Punkte, wieder kein Heimsieg, Platz 15. Der VfB steckt in einer Ergebniskrise. Mindestens. Die Fans haben den Sündenbock längst ausgemacht: den Trainer. Aber Labbadia hat offensichtlich keine Lust mehr stillzuhalten. In einer Wutrede und mit hochrotem Kopf platzte dem Stuttgarter Coach in der Pressekonferenz nach dem Spiel der Kragen.
"Es kann nicht sein, dass hier der Trainer immer wie ein Depp hingestellt wird. Die Trainer sind nicht die Mülleimer für andere Menschen", wetterte er am Sonntagabend, "mich wundert es nicht, dass es hier alle paar Monate einen neuen Trainer gibt." Es war ein Rundumschlag, der sich gegen Fans und Medien richtete. Nun muss man wissen, dass Labbadia im Schwabenland in regelmäßigen Abständen vom Umfeld infrage gestellt wird. Jetzt also der Gegenschlag: "Es ist eine gewisse Grenze erreicht. Vor 22 Monaten bin ich hier angetreten. Da hatten wir nur zwölf Punkte auf dem Konto. Da hat keiner mehr auch nur einen Pfifferling gegeben auf die Mannschaft. Danach habe ich sie in die Europa League geführt", echauffierte sich der Trainer, der sich im anspruchsvollen VfB-Ländle so sehr mehr Anerkennung und Respekt wünscht.
Magath springt Labbadia zur Seite
Vor allem die "Bruno raus"-Rufe des Publikums bei seiner Auswechslung des starken Österreichers Raphael Holzhauser hatten ihm aufs Gemüt geschlagen. Der 19-Jährige habe bereits in der Halbzeit signalisiert, dass er angeschlagen sei, begründete Labbadia den Wechsel. "Die Zuschauer sind aufgewiegelt durch absolute Unwahrheiten. Holzhauser wäre nicht mehr beim VfB, wenn ich nicht mein Veto eingelegt hätte", schob er nach. Und dann wurde es noch grundsätzlich: "Als normaler Bundesligatrainer muss man sich die Frage stellen: Gehe ich einen schweren Weg mit? Oder sage ich: Am Arsch geleckt! Das Fass ist absolut voll." Mit diesen Worten beendete Labbadia schließlich die Pressekonferenz - und nicht nur der neutrale Betrachter fragt sich jetzt: War das ein berechtigter Ausraster oder müssen Trainer mit Pfiffen leben?
Stuttgarts Sportdirektor Fredi Bobic stärkte seinem Trainer den Rücken: "Er hat ein gutes Recht, das genau so zu sagen." Auch Felix Magath sprang Labbadia zur Seite: "Es wird wirklich respektlos mit den Trainern umgegangen", so der Trainer des VfL Wolfsburg im "NDR-Sportclub". Es sei so, wie es Labbadia gesagt habe: "Es hat sich in diesem Geschäft eingebürgert, wenn was schief läuft, dann geben wir dem Trainer die Schuld." Die Gilde hält zusammen, das verwundert nicht. Und dass ausgerechnet Magath, der mit seinen Wolfsburgern (Platz 17) einen desaströsen Bundesligastart hingelegt hat, so redet, ist auch keine Sensation. Die Wölfe hecheln - genauso wie der VfB - ihren Zielen hinterher. Nach der nächsten Pleite droht auch in der VW-Stadt die Stimmung endgültig zu kippen. Da kann man schon mal vorbeugen.
Kein Platz für Dünnhäutigkeit
Die Fälle Stuttgart und Wolfsburg sind nicht zu vergleichen, auch wenn die Anspruchshaltung der Fans dort in etwa gleich (hoch) ist. Nur: Beim Magath-Club ist die niedrige Punkteausbeute vor allem mit Blick auf Einkäufe wie Naldo, Dost und Olic sowie der Rückholaktion Diegos so erstaunlich. In Stuttgart dagegen passen die hohen Erwartungen des Umfelds überhaupt nicht mit der eher mäßigen Qualität des Kaders zusammen. Wenn man so will, hätten die Fans des VfL Wolfsburg also einen viel triftigeren Grund zum Pfeifen, als die der Schwaben.
Mit Unmutsäußerungen der Zuschauer und Kritik der Medien müssen indes beide Trainer, müssen Bundesligatrainer im Allgemeinen, leben. Auch wenn sie immer seltener die Rolle der Sündenböcke übernehmen wollen - wer aber sonst? Die Spieler, die nicht besser können oder wollen, natürlich auch. Die Clubbosse, die zu wenig Geld rausrücken, vielleicht. Aber die längst hoch bezahlten Trainer stellen die Mannschaft zusammen und sie stellen sie auf, vor allem wenn sie eine Machtfülle wie Magath in Wolfsburg besitzen. Dennoch empfinden sie es schnell als Majestätsbeleidigung, wenn in ihrem Sport, der ja von Öffentlichkeit lebt, Kritik von außen aufkommt. Das passt nicht zusammen.
Auch wenn Bruno Labbadia mit seiner Wutrede die Sache im Kern vielleicht sogar trifft und er die Fußballwelt mal wieder ein bisschen wachgerüttelt hat, solche Empfindlichkeiten haben im harten Fußball-Business (leider) nichts verloren. Das ist die Wahrheit.