Als am 2. Oktober 1988 in Seoul zum letzten Mal die DDR-Flagge am olympischen Siegermast empor stieg, ahnte noch niemand die historische Tragweite der Situation. Reichlich ein Jahr später fiel die Mauer, die deutsche Vereinigung brachte das Ende des Staates mit den drei Buchstaben, der in der Sportwelt drei Jahrzehnte lang für Aufsehen gesorgt hatte. 578 olympische Medaillen, darunter 203 Goldene, erkämpfte der andere deutsche Staat beim größten Sportspektakel zwischen 1956 und 1988.
Umstritten blieben die Methoden, mit denen das Sportland DDR die "Medaillen um jeden Preis" einfuhr. Doch das vereinte Deutschland freute sich über die neuen Helden, die maßgeblich dazu beitrugen, dass das gerade vereinte Team 1992 in Barcelona mit 82 Mal Edelmetall (33 Gold/21 Silber/28 Bronze) die beste Ausbeute der Olympia- Geschichte für die Bundesrepublik einfuhr.
Auch bei den Winterspielen sowie den Sommer-Festivals von Atlanta und Sydney sorgten Athleten, die das Sportler-ABC in den Kinder- und Jugendsportschulen ihres Landes erlernt hatten, für herausragende Resultate und den Löwenanteil der deutschen Medaillen.
Das "letzte Hurra" der DDR
Die Stars aber sind älter geworden, die systematische administrative Sichtung wie zu DDR-Zeiten ist unter den gegebenen gesellschaftlichen Voraussetzungen nicht mehr möglich. 16 Jahre nach dem "letzten Hurra" der DDR in der südkoreanischen Hauptstadt mit Platz zwei in der Länderwertung hinter der UdSSR und 102 Medaillen (37/35/30) wird der deutsche Sport in Athen wohl zum letzten Male von der umstrittenen Sportförderung jenes Staates profitieren, der den sportlichen Erfolg als Sieg des sozialistischen Systems über die kapitalistische Gesellschaftsordnung zu verkaufen suchte und dabei so permanent die Interessen seiner Bevölkerung vernachlässigte, dass diese sich zu Hunderttausenden von ihrem Land abwandte und die Flucht in den Westen als einzigen Ausweg sah.
Birgit Fischer auf Medaillenjagd
In dem Septett, das schon 1988 in Seoul im blauen Sportdress der DDR an den Olympia-Start ging und auch 16 Jahre später in der griechischen Metropole das deutsche Olympia-Trikot trägt, nimmt die erfolgreichste Sportlerin der Welt, Birgit Fischer, die herausragende Stellung ein. Die Super-Kanutin aus Brandenburg versucht bei ihren sechsten Olympischen Spielen seit 1980 mit 42 Jahren ein Comeback und möchte ihre Bilanz von sieben Gold- und drei Silbermedaillen weiter ausbauen.
Gold-Hoffnung Ralf Schumann
Zum jeweils fünften Male dabei sind der Thüringer Pistolenschütze Ralf Schumann - er gewann 1992 und 1996 Gold - und Gewichtheber Ronny Weller. Er will seine fünfte Olympia-Medaille nach Bronze 1988, Gold 1992 sowie jeweils Silber 1996 und 2000 gewinnen. Auch 400-m-Läuferin Grit Breuer, Gewichtheber Ingo Steinhöfel und Wurftaubenschütze Axel Wegner waren in zurückliegenden Jahrzehnten schon mit Olympia- Medaillen dekoriert und schafften nun jenseits der 30 Jahre noch einmal den Sprung ins deutsche Team. Nach drei vergeblichen Anläufen im Volleyball (Plätze 5/1988, 8/1996 und 6/2000) versucht sich Susanne Lahme in Athen erstmals auf neuem Terrain im Beach-Volleyball.