Jan Ullrich hat die historische Chance verpasst, als erster Radprofi seinen Olympiasieg zu wiederholen. Der Goldmedaillen- Gewinner von Sydney musste am Samstag beim olympischen Straßenrennen von Athen über 224,4 km unter gnadenlos glühender Sonne mit dem 19. Rang zufrieden sein. Auf geschichtsträchtigem Kurs unter der Akropolis holte der 30-jährige Italiener Paolo Bettini Gold vor dem Portugiesen Sergio Paulinho. T-Mobile-Sprinter Erik Zabel aus Unna wurde hinter Axel Merckx (Belgien) Vierter und ärgerte sich mächtig: "Schade, um vier Sekunden an Bronze vorbei. Das erinnert mich an Barcelona - aber c’est la vie."
Bettini holte Gold
Bei über 40 Grad hatten der Italiener, in den vergangenen beiden Weltcup-Rennen jeweils unglücklicher Zweiter, und der Portugiese in der vorletzten Runde erfolgreich attackiert. Der Tour-de-France- Vierte Ullrich konnte nicht folgen. Die Zuschauer zeigten wenig Interesse an dem Ereignis: Nur im Start-Ziel-Bereich standen die Fans dicht gedrängt.
Ullrich hofft aufs Zeitfahren
Ullrich, der sich fest eine Medaille vorgenommen hatte und damit auch seine Vorstellung auf der Tour vergessen machen wollte, muss nun alle Hoffnungen auf das Zeitfahren über 48 km am Mittwoch setzen. Auch der Tour-Zweite Andreas Klöden, der mit Krämpfen ausstieg, und Michael Rich hatten mit dem Ausgang des Rennens nichts zu tun. Zum ersten Mal hatten Radprofis in Atlanta, wo der Schweizer Pascal Richard gewann, an Olympischen Spielen teilnehmen dürfen.
Die aktivsten Fahrer waren zu Beginn der Paris-Roubaix-Gewinner Magnus Backstedt, der als erster ausriss. In der sechsten von 17 Runden bekam der bullige Schwede Gesellschaft von Tour-Bergkönig Richard Virenque (Frankreich) und dem Zeitfahr-Spezialisten Laszlo Bodrogi (Ungarn). Dahinter zeigten sich die deutschen Fahrer auf der Höhe des Geschehens und an der Spitze des Verfolgerfeldes, in dem Ullrich und Klöden in der neunten Runde das Tempo forcierten. Ergebnis: Die Ausreißer wurden bald gestellt.
Klöden und Voigt geben auf
Backstedt gab sieben Runden vor Ende ebenso wegen Erschöpfung auf wie Klöden und Rich, der sich für das Zeitfahren noch einiges ausrechnet. "Andreas hat bei der extremen Hitze versäumt, genug zu trinken. Deshalb bekam er Krämpfe", sagte Teamarzt Lothar Heinrich. Den Fahrern war gestattet worden, auch außerhalb der Boxengasse Getränke aus den Begleitfahrzeugen anzunehmen. Sie hätten laut Heinrich rund zehn Liter trinken müssen. "Ich habe genug getrunken, aber trotzdem Krämpfe bekommen. Ich fühle mich nach meiner super- super Tour irgendwie ausgepowert", sagte Klöden. Auch Jens Voigt (Berlin) fuhr nicht durch.
Schwere Stürze
Schwere Stürze hatten zum Auftakt für Dramatik gesorgt: Der spanische Weltmeister Igor Astarloa stürzte zwei Kilometer nach dem Start. Mit ihm gingen auch Michael Boogerd (Niederlande) und drei weitere Fahrer zu Boden. Die beiden Mitfavoriten konnten das Rennen nicht fortsetzen. Warn-Hinweise hatten sich schnell bewahrheitet. «Das Rennen wird besonders zu Beginn gefährlich, wenn die Fahrer der Nationen noch dabei sind, die keine Erfahrungen mit großen Starterfeldern haben», hatte Sport-Direktor Burkard Bremer vom Bund Deutscher Radfahrer (BDR) gesagt. «Viele werden fallen», prophezeite Tyler Hamilton (USA).
Ullrich, der mit der Startnummer eins ins Rennen ging, nahm die Hitzeschlacht mit einem verbundenen rechten Unterarm in Angriff. Der 30-Jährige war im Trainingslager auf Kreta auf einer Abfahrt in einer Kurve weggerutscht und hatte sich Schürfwunden zugezogen. «Das wird mich nicht behindern. Nur wenn Sonne direkt auf die größte Wunde am Unterarm scheint, ist das unangenehm. Deshalb haben wir sie verbunden», sagte Ullrich vor dem Start.