Chinesen fotografieren gerne. Am liebsten alles und jeden. Und für Chinesen ist Sport immer auch Spaß, Jubel und Spektakel - und zwar jede Art von Sport. Wenn sie zu einer Sportveranstaltung gehen, dann wollen sie mitfiebern, mitleiden, die Sportler sind eigentlich nur dazu da, sie zu amüsieren. Das Problem ist: Es gibt auch bei diesen Olympischen Spielen Sportarten, die bedürfen ein Höchstmaß an Konzentration und damit einhergehend eine gewisse Ruhe. Dazu gehört Tennis. Aber die Chinesen interessiert das nicht.
Deswegen gab es beim olympischen Tennis-Turnier auch jede Menge Ärger und einen handfesten Skandal dazu. Im Halbfinale des Weltranglisten-Ersten Rafael Nadal gegen den Serben Novak Djokovic zählte jeder Punkt. Das Spiel stand auf des Messers Schneide und beide bekämpften sich stundenlang auf hohem Niveau. Als Nadal Matchball hatte, unterlief seinem serbischen Gegner bei einem für ihn leichten Schmetterball der entscheidende Fehler. Der Ball landete im Aus, Nadal stand im Finale. Nach der Partie war Djokovic außer sich: "Ich habe nur noch die Leute schreien gehört und konnte mich beim besten Willen nicht mehr konzentrieren. Bei diesen Schmetterbällen darf man nicht gestört werden, sonst gehen sie daneben."
Das ist das Problem des olympischen Turniers. Für die einheimischen Zuschauer ist diese Sportart noch fremd. "Quiet, please!" Immer wieder ermahnen die Schiedsrichter das Publikum, doch bitte ruhig zu sein. Aber die Hinweise verhallen. Permanent laufen die Zuschauer umher, es wird geschrien und fotografiert, die eingespielte Pausenmusik läuft länger als sie müsste. Das ist kein Umfeld, in dem sich nach Meinung der Spielerinnen und Spieler ein Turnier gut spielen lässt, das so eine Dimension besitzt, wie das der Olympischen Spiele.
Federer flippt aus
Bemerkenswert war es daher auch, dass sich ausgerechnet eine Chinesin über das eigene Publikum echauffierte. Das ist durchaus ungewöhnlich für ein Land, in dem der Meinungsfreiheit der Sportler doch gewisse Grenzen gesetzt sind. "Viele der Zuschauer sind mit den Bedingungen, die bei einem Tennis-Turnier herrschen müssen, einfach nicht vertraut", erklärte Zhen Jie, immerhin Halbfinalistin in diesem Jahr in Wimbledon. "Manchmal jubeln sie zu früh, was einen wirklich stört. Ich hoffe doch sehr, dass sie bei meinem nächsten Turnier in China ein wenig besser aufpassen." Klare Worte mit einer Aussage: China ist noch nicht bereit für internationales Profi-Tennis.
Und es gab noch einen Skandal während des Turniers. Im Spiel Roger Federers gegen den Amerikaner James Blake - Federer schied aus - machte ein Zuschauer beim Aufschlag des Schweizers ein Foto. Federer, vom Klicken des Fotoapparates genervt, flippte aus. Er schrie den Zuschauer an, der daraufhin vom restlichen Publikum übel ausgepfiffen wurde und auf Anweisung des Schiedsrichters das Stadion verlassen musste.
Tennis in China - das passt (noch) nicht zusammen. Noch sind die Chinesen anscheinend nicht bereit, die Regeln und internationalen Gepflogenheit dieses Sports zu akzeptieren. Aber auch das werden sie schaffen - irgendwann. Olympiasieger wurde übrigens Nadal. Aber der gewinnt ja derzeit überall.