Martin Schmitt klingelte seine Freundin aus dem Bett, Michael Uhrmann dachte an den Rücktritt vom Rücktritt, und Erfolgstrainer Werner Schuster bekam einen neuen Vertrag: Nach dem Silberflug von Whistler und der ersten deutschen Skisprung-Medaille seit acht Jahren wurde nicht nur gefeiert, sondern bereits für die Zukunft geplant.
`Es ist nur noch eine Formalität, dass wir bis 2014 zusammen weitermachen. Bis dahin wollen wir um Gold mitkämpfen´, sagte Sportdirektor Thomas Pfüller dem SID: `Diese Silbermedaille war ganz wichtig für den Verband auf dem Weg dahin.´ Schuster fühlte sich zu müde, um seine Vision vom Olympiasieg in Sotschi zu erläutern und freute sich lieber über den größten Erfolg seiner Trainerkarriere: `Das ist für uns wie ein Sieg. Ich freue mich riesig. Diese Medaille wird uns einen Schub für die weitere Arbeit geben.´
Ausgiebig genossen Michael Uhrmann, Martin Schmitt, Michael Neumayer und Andreas Wank bei der Siegerehrung und später im Deutschen Haus den Erfolg ihrer Mission, am 22.2. Platz 2 zu belegen. Schmitt weckte seine Freundin mit einem Anruf auf, `weil es in Deutschland schon halb eins war´. Danach scheiterte sein revolutionärer Plan: `Wir feiern mit Kamillentee und Knäckebrot. Vielleicht lassen wir es aber auch richtig krachen und trinken einen Pfefferminztee.´ Das wurde schnell verworfen und doch lieber mit Bier angestoßen.
Schmitt, der als Einziger geschwächelt hatte, fühlte sich im allgemeinen Jubel sogar an den Team-Olympiasieg von 2002 in Salt Lake City erinnert. `Von der Dramaturgie war es ähnlich. Die Freude ist dementsprechend ähnlich groß. Die Momente werde ich nie vergessen´, sagte der 32-Jährige. Danach nahm er erst mal seinen Kumpel Uhrmann in den Arm.
Er war vor acht Jahren dabei gewesen, als Schmitt den Olympiasieg perfekt gemacht hatte. Diesmal rettete `Uhri´ nervenstark Silber: `Ich bin froh, dass ich Martin etwas zurückgeben konnte´, sagte der 31-Jährige: `Er hat es mir mit seinen Leistungen jahrelang ermöglicht, im Teamwettbewerb Medaillen zu gewinnen.´In der Euphorie deutete Uhrmann an, doch noch einen Winter bis zur Nordischen Ski-WM 2011 weiterzumachen: `Es macht einfach derzeit so viel Spaß.´ Die anderen Routiniers Schmitt (`Sotschi 2014 gehe ich vielleicht noch an´) und Witzbold Neumayer (`Ich warte ab, ob Olympia 2018 in München stattfindet´) sind ebenfalls mit von der Partie.
Mit dem nach Silber zu Tränen gerührten Junioren-Weltmeister Wank und Ersatzmann Pascal Bodmer steht die neue Generation aber schon bereit. `Man muss sich keine Sorgen um die Zukunft des deutschen Skispringens machen´, sagte Uhrmann. Schmitt ist überzeugt, dass `wir breit aufgestellt sind und aus der Breite bald jemand an die Spitze kommen wird´.
Der dreimalige Olympiasieger Jens Weißflog sah den Erfolg mit einer Mischung aus Jung und Alt als Bestätigung für Schusters Arbeit und das veränderte Konzept. `Die alte Generation läuft langsam aus. Aber ohne sie wäre nichts gegangen´, sagte Schuster. Er sieht Goldgewinner Österreich noch entfernt. Deshalb seien die Plätze fünf von Uhrmann auf der Normalschanze und sechs von Neumayer auf der Großschanze die momentan maximal möglichen Einzel-Resultate gewesen.
Uhrmann sieht aber Licht am Ende des Tunnels: `Wir werden von den Jungen gepusht. Es klingt vielleicht gewagt, aber man kann auch die Österreicher angreifen.´ Zunächst steht aber bis zum Abflug am Donnerstag Alpin-Skifahren und ein Trip in die Olympiastadt auf dem Programm. `Wir werden noch ein paar tolle Momente bei Olympia aufsaugen und die anderen Deutschen anfeuern´, sagte Schuster: `Schließlich haben wir alles erreicht, was wir uns erträumt haben.´