Jenny Wolf stellt demonstrativ ihr Selbstbewusstsein zur Schau, ihre große Rivalin aus China versteckt sich: In der schnellsten Damen-Konkurrenz im Richmond Olympic Oval kommt es heute über 500 Meter zur großen Jagd der Weltrekordlerin aus Berlin nach dem "Phantom" Wang Beixing. "Ich begreife nicht, warum die so pokert. Seit wir hier in Richmond sind, haben wir sie noch nicht einmal gesehen. Entweder sie ist verletzt oder sie haut hier ein Ding raus, dass die Heide wackelt", spekulierte der Erfurter Coach Stephan Gneupel. "Wang geht ein hohes Risiko ein, wenn sie das Eis gar nicht testet", meinte Bundestrainer Markus Eicher vor dem Duell um die Sprint-Krone.
Protagonistin Jenny Wolf nimmt das Versteckspiel gelassen. "Vielleicht hat sie Angst", sagte sie verschmitzt, nachdem sie beim einzigen Wettkampftest in 37,91 den eigenen Bahnrekord nur um 0,19 Sekunden verpasst hatte. Diesen besitzt die 31 Jahre alte Berlinerin seit ihrem dritten Titelgewinn bei der WM im Vorjahr. In den zwei Läufen um Gold werden wohl jeweils 37,5 Sekunden nötig sein, glaubt Wolf. Wang hatte sich hingegen recht zeitig für die Sprint-WM in Obihiro abgemeldet und trainierte seit Mitte Dezember als Solistin auf ihrer Heimbahn in Calgary. Testergebnisse wurden nicht bekannt.
Offene Kampfansage
Hingegen hat Jenny Wolf bei jeder Gelegenheit ihre Kampfansage deutlich gemacht. "Wenn ich als dreifache Weltmeisterin davon spreche, mit Silber zufrieden zu sein, glaubt mir das kein Mensch. Das Ziel kann nur Gold heißen", meinte sie und versprühte jede Menge Zuversicht. Überraschend kamen daher ihre Aussagen, sie verspüre vor allen wichtigen Rennen wirre Träume. "So einmal im Monat gehe ich im Schlaf an den Start eines wichtigen Wettkampfs. Und immer geht alles schief. Wenn ich nicht falsch herum laufe, komme ich zu spät oder erlebe eine andere Katastrophe. In diesen Träumen verarbeite ich den ganzen Druck", sagte sie in einem Interview.
Für Wolf schließt sich ein Kreis
In Vancouver schließt sich für Kanada-Fan Jenny Wolf ein Kreis, der mit den Spielen 1988 in Calgary begann, die ihre Leidenschaft für das Eis entfachten. Sie meldete sich beim Verein in Hohenschönhausen an, eine große Karriere nahm ihren Lauf. Vor vier Jahren schrammte sie als Sechste noch an ihrem damals nur insgeheim geäußerten Medaillenziel vorbei. Seitdem hat sie ihre Kurventechnik durch Shorttrack-Training verbessert, packte im Kraftraum einige Gewichte mehr drauf und stemmt unter Anleitung eines Gewichtheber-Coaches bis zu 140 Kilogramm und macht damit Kniebeugen.
In den letzten Wochen der Vorbereitung hat sie trotz eisiger Witterung für die Fahrt zur Eishalle das Auto mit dem Fahrrad getauscht, um sich täglich noch zwei Trainingseinheiten mehr zu verschaffen. Ihr Oberschenkel-Umfang liegt jetzt mittlerweile bei 63 Zentimetern. Nicht verwunderlich also, dass Jenny Wolf auf den ersten 100 Metern derzeit von keiner Rivalin zu toppen ist. Ob es auch über die gesamte Strecke zum Goldsprint reicht?