Kritik am Deutschen Olympischen Sportbund Attacke - Duplitzer

Fechterin Imke Duplitzer setzt auch abseits der Planche Stiche. So wie sie jetzt gegen Funktionäre wettert, hat sie schon Konkurrenten, Teamkameraden und Politiker attackiert.

Imke Duplitzer attackiert wieder. Zwar noch nicht mit dem Degen auf den olympischen Planchen von London. Doch auf sportpolitischer Ebene fährt sie fünf Tage vor der Eröffnung der Spiele dafür einen scharfen verbalen Angriff.

Und sie hat nicht nur ein Ziel für ihre Attacke, sondern gleich mehrere: Thomas Bach, Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), Generaldirektor Michael Vesper und die Strukturen im deutschen Leistungssport im Allgemeinen. "Die, die in der Halle stehen und schwitzen, die müssen um ihr Brot betteln. Die, die auf dem Stuhl sitzen und einen Anzug anhaben, weil sie es geschafft haben, die lehnen sich oft zurück", sagte sie in einem Interview mit der "Bild"-Zeitung. Viele Funktionäre hätten den Kontakt zur Basis komplett verloren. "Funktionäre leben in ihrem Pixiewolkenkuckucksheim." Duplitzer vergleicht den Umgang mit Funktionären mit der DDR. "Wenn Margot Honecker kam, wurde noch kurz die kaputte Birne im ansonsten dunklen Gang ausgewechselt."

Unbequem und unangepasst

Die Kritik der 36-jährigen Sportlerin kommt nicht von ungefähr. Noch während der Olympischen Spiele wird die Sportlerin, die als Markenzeichen ein Piratentuch unter der Fechtmaske trägt, ihr Buch mit dem Titel "Helden-Haft" vorstellen. Die Themen darin: die mangelnde Nachwuchsförderung im deutschen Sport, die gut gepäppelten Funktionäre und die wenig beachteten Trainer. Doch bei Duplitzer ist das keine PR-Strategie; denn sie hat bereits früher ähnliche Interviews gegeben. Der Umgang mit Sportlern und die Kluft zwischen Funktionären und Aktiven bewegt sie seit Jahren. Vor einigen Monaten hat sie die angeprangerten Mängel mal wieder zu spüren bekommen. Mit Ach und Krach qualifizierten sich die deutschen Degendamen für London. Duplitzer mahnte daher ein notwendiges Umdenken an, um nicht bald gänzlich ohne Nachwuchs dazustehen.

Die Fechterin ist bekannt als unangepasst und unbequem, schert sich nicht um Hierarchien und nimmt kein Blatt vor den Mund. In ihrer Heidenheimer Zeit hat sie auf einem Empfang einen Sponsor beschimpft, der daraufhin seine Unterstützung zurückzog. Und sie kommentiert auch Geschehnisse abseits des Fechtens. Auf ihrem Twitterprofil äußert sie sich zu politischen Themen ("Seine Aussagen stehen für sich! Danke! Ai Weiwei im Gespräch: Ohne Reform werden wir in China ein Desaster erleben", 13. Juni) ebenso wie zu anderen Sportarten ("Nehmt ihn weg. BITTE!.@weltonline:"Auszeit" Mayer-Vorfelder und die Hymnenpflicht in Germania", 20 Juli).

Duplitzer legt sich mit IOC an

Duplitzer versteht es, den Zeitpunkt für ihre Angriffe gut zu wählen. Sportarten wie Fechten erhalten lediglich im Rahmen der Olympischen Spiele in der breiten Öffentlichkeit Aufmerksamkeit. Vor den Olympischen Spielen 2004 mokierte Duplitzer über "Playboy"-Fotos ihrer Waffenkollegin Britta Heidemann. Vor den Peking-Spielen 2008 lieferte sie sich einen öffentlichen Streit mit ihr um die Menschenrechte in China. Heidemann hat in China studiert, weiß sich als Unternehmensberaterin gut in Szene zu setzen, geht dabei geschickt und diplomatisch vor und verfügt nicht zuletzt deswegen über gut dotierte Werbeverträge. Duplitzer bezog in punkto Menschenrechte klar Stellung, blieb aus Protest der Eröffnungsfeier fern.

Duplitzer lässt sich nicht von großen Namen oder Institutionen einschüchtern. Auch im "Bild"-Interview legt sie nach, greift das Olympische Komitee an: "Olympische Spiele sind eine Verkaufsshow mit angeschlossener Rummelbude." Die derart heftig angegriffen Herren geben sich entrüstet. Sanktionen hat die Sportlerin jedoch nicht zu befürchten. Die Kritik sei zu pauschal, verfehlt und deplatziert. "Da ich Fechter war, weiß ich, dass sie manchmal auch zum Säbel greifen", sagte Bach. Duplitzer hätte jedoch früher mit ihnen reden können und nicht so kurz vor den Spielen. Hat sie doch! Schon beim Olympia-Medientag der deutschen Fechter Anfang Juli hatte Duplitzer ansatzweise zu einem Rundumschlag ausgeholt. "Wir müssen mal wieder ein bisschen mehr Sein als Schein im deutschen Leistungssport generell rüberbringen", lautete einer ihrer Kernsätze.

Keine Angst vor Konsequenzen

Wenn man ihr nicht zuhört, gibt Duplitzer nicht klein bei, sondern sucht sich eine größere Bühne, wie jetzt das Interview in der "Bild". Angst vor Konsequenzen hat sie nicht. "Das sollen andere entscheiden", sagte sie auf die Frage, ob sie Angst hat, noch kurz vor den Spielen aus dem Kader gestrichen zu werden. Duplitzer muss sich sportlich nichts mehr beweisen. Sie gehört zu den älteren Olympiateilnehmern, fährt bereits zum fünften Mal zu den Spielen, feiert während der Spiele ihren 37. Geburtstag. Sie. 1999 zum ersten Mal Deutsche Meisterin, sieben weitere Titel folgten. Sie ist eine Kämpfernatur, hat schon auf dem Schulhof die Dinge lieber selbst geklärt anstatt die Jungs bei den Lehrerinnen zu verpetzen. Und ist hart im Nehmen: Nach einem Sturz bei der Weltmeisterschaft im vergangenen Herbst erlitt sie eine Hirnblutung. Die Ärzte rieten ihr, sich zu schonen, im Sport wie in der Vereinsarbeit. Der Schongang ist aber keine Alternative für Duplitzer.

Sie ist seit einigen Monaten Präsidentin ihres Vereins, dem OFC Bonn. Dort setzte sie sich in relativ knapper Abstimmung gegen den alten Vorstand durch. Eine Funktionärskarriere nach ihrer aktiven Karriere plant sie aber nicht. "In diesen Gremien rumzueiern - das brauche ich nicht. Und mich fragt auch keiner. Deswegen brauche ich darüber nicht nachzudenken." Für unbequeme Leute wie sie ist eben kein Platz auf Funktionärsstühlen.

mit DPA

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