Olympia: Brink/Reckermann im Beachvolleyball-Finale Zeit für Frühaufsteher

  • von Cord Sauer
Sie sind die Olympia-Überraschung aus deutscher Sicht: Julius Brink und Jonas Reckermann. Das Beachvolleyball-Duo trifft heute im Finale auf Brasilien - und schreibt damit Geschichte.

Es wird schon stockfinster sein, wenn Julius Brink und Jonas Reckermann die Beachvolleyball-Arena auf der Horse Guards Parade betreten. Um 22 Uhr deutscher Zeit beginnt das olympische Finale. "Verdammt früh", findet Julius Brink und schmunzelt dabei. Die letzten Spiele auf dem Paradeplatz unweit der Downing Street hatten alle erst um Mitternacht begonnen, doch aufhalten ließen sich Brink und Reckermann dadurch nicht. Bereits vor dem Endspiel haben sie den größten Erfolg der deutschen Beachvolleyball-Geschichte perfekt gemacht.

Die zwei Athleten aus Leverkusen und Köln sind eine der wenigen positiven Olympia-Überraschungen aus deutscher Sicht. Nur die wenigsten hatten es vor Beginn der Spiele für möglich gehalten, dass Brink und Reckermann sich tatsächlich gegen die starke Konkurrenz durchsetzen würden. Im Finale warten auf der anderen Netzseite die hochgehandelten Brasilianer Emanuel Rego und Alison Cerutti.

Überraschungscoup um Mitternacht

Hochgehandelte Brasilianer? Da war doch was. Schon im Viertelfinale trafen die Deutschen auf Pedro Cunha und Ricardo Santos, zwei Topfavoriten aus Brasilien. Die Südamerikaner stellten ebenso wie Deutschland und die USA das Maximum von zwei Duos beim olympischen Turnier. Was auf dem Papier bereits entschieden schien, sollte zu Brinks und Reckermanns erstem großen Coup werden. Überraschend deutlich besiegten sie ihre Gegner mit 2:0 und spielten sich zu später Stunde in die Herzen der rund 14.000 Zuschauer.

Im Halbfinale wartete Holland. Der ewige Klassiker – diesmal auf Sand und nicht auf Rasen. Die dreimaligen Europameister aus den Niederlanden, Reinder Nummerdor und Richard Schuil, verlangten Brink und Reckermann alles ab – und die beiden riefen alles ab. Mit starken Aufschlägen und einer noch stärkeren Defensivleistung marschierten sie ins Finale. Ein spektakulärer Triumph, wenngleich derartige Ambitionen schon im Vorfeld durchaus vorhanden waren, wie Reckermann nach dem Spiel ambitioniert zugibt: "Ich weiß nicht, was ich zu Hause zerstört hätte, wenn ich auf dem Heimweg nur meine Olympia-Akkreditierung um den Hals gehabt hätte."

Reckermann verletzt, Olympia in Gefahr

Jetzt ist das erste olympische Beachvolleyball-Gold für Deutschland greifbar nah. Es wäre eine faustdicke Überraschung. Im April wurde das Duo, das sich 2009 erstmals zusammenfand und in der Folgezeit unter anderem Weltmeister wurde, plötzlich gesprengt. Jonas Reckermann verletzte sich im Training an der Schulter, die Olympischen Spiele rückten in weite Ferne.

Brink und Reckermann verpassten den Saisonstart und sagten ihre Grand-Slam-Teilnahme in China ab. Die Spiele in London waren das große Ziel, der große Traum der Deutschen. Reckermann kämpfte sich nach der Zwangspause rechtzeitig wieder zurück – und wurde gemeinsam mit seinem Partner wenige Wochen vor Olympia Europameister. Ein Erfolg, mit dem beide nicht gerechnet hatten, wie Reckermann zugab: "Eigentlich wollten wir vor allem Spielpraxis sammeln."

Finalparty beginnt früher

Heute Abend wird die holprige Vorbereitung vergessen sein. Heute Abend zählt nur dieses eine Spiel. Ein Spiel, das wieder unter Flutlicht stattfindet. Immerhin: Die Finalparty beginnt früher, als alle vorherigen Olympia-Spiele. Optimale Bedingungen für den Biorhythmus sehen anders aus, weiß auch Brink: "Das ist sicher nicht unsere Lieblingszeit, aber für die Zuschauer ist das super. Da ist schon drei Stunden vorher Party ohne Ende."

Das Publikum auf den Rängen liebt die Deutschen, aber vor allem in ihrem Heimatland erfreuen sich Brink und Reckermann großer Beliebtheit. Brink, der eine verblüffende Ähnlichkeit mit dem einstigen RTL-Bachelor Paul Janke aufweist und damit der Prince Charming des Duos ist, weiß aber ebenso wie auch Reckermann durch Intelligenz und Witz zu überzeugen. Die "Süddeutsche Zeitung" bezeichnete die Zwei als "Wand und Wiesel". "Das ehrt uns", sagt der 2,00-Meter große Reckermann. Die Rollen sind klar verteilt und doch scherzt er: "Wer Wand und wer Wiesel ist, verraten wir aber nicht." Es sind genau diese Sprüche, die sie so authentisch machen.

"Uns muss erst einmal jemand schlagen"

Das letzte deutsche Duo, das beim Beachvolleyball für derartiges Aufsehen sorgte, bestand aus Axel Hager und Jörg Ahmann. In Sydney 2000 gewannen sie Bronze – die bislang erste und einzige Medaille für Deutschlands Beachvolleyballer bei Olympischen Spielen. Diesen Erfolg haben Brink und Reckermann längst getoppt. Noch nie standen deutsche Beachvolleyballer in einem olympischen Finale. Das erste Edelmetall seit zwölf Jahren ist sicher, und es wird mindestens silber glänzen.

Die letzte Hürde heißt nun wieder: Brasilien. Schon öfter trafen Reckermann und Brink auf Emanuel und Alison, doch ein Sieg gelang zumindest in den letzten zweieinhalb Jahren nie. "Emanuel ist eine spielende Legende. Mit 39 Jahren hat er viel Erfahrung und ist topfit. Ich könnte mich eine halbe Stunde positiv über ihn äußern", gerät Brink fast ins Schwärmen. Reckermann ist da schon weitaus weniger ehrfürchtig und gibt sich kampfeslustig: "Uns muss erst einmal jemand schlagen." Es ist also angerichtet zum großen Showdown, wie auch Reckermann weiß: "Das ist sicherlich der sportlich größte Moment meines Lebens." Das ist er ganz bestimmt – und dafür kann man auch mal früher an den Start gehen.

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