Endlich Leichtathletik, darf man das sagen nach einer Woche Olympischer Spiele? Nach dem Halbfinaldrama im Fechten mit Britta Heidemann und Shin-A Lim, nach dem fulminanten Sieg des Ruderachters, nach dem Jahrhunderttennismatch zwischen Roger Federer und Juan Del Potro, das mit Satzgewinn von 19:17 entschieden wurde?
Doch, endlich Leichtahtletik! Nichts wirkt olympischer als die Sportart der Läufer, Springer und Werfer. Und keine Sportart hat in der deutschen Mannschaft mehr aufzuholen bei diesen Olympischen Spielen.
2004, Athen, eine Bronzemedaille bei den Leichtathleten. 2008, Peking, einmal Silber, einmal Bronze. Bitter war das, auch wenn die Weltmeisterschaften dazwischen besser liefen. Günstig, dass die Kugelstoßer gleich am ersten Tag der Leichtathletik dran waren. Deutschland hatte da David Storl aufzubieten, einen knapp zwei Meter großen Sachsen, gerade 22 Jahre, amtierender Weltmeister. Storl sagt von sich, er sei ein Wettkampftyp.
Vier Zentimeter unter persönlichem Rekord
Eigentlich ist er noch zu jung, um seine Sportart zu dominieren. Von seinen Konkurrenten unterscheidet Storl sich außerdem, weil er mehr als sie auf Schnellkraft setzt, nicht nur auf Kraft.
Um 20.39 Uhr Ortszeit schritt Storl zum ersten Mal auf den Ring im Olympiastadion zu. Er griff sich die Kugel, stemmte sie in die Höhe, führte sie an seinen Hals, duckte sich, glitt dann durch den Ring und stieß. 21,84 Meter, nur vier Zentimeter weniger als sein persönlicher Rekord, die deutliche Führung.
Der Pole Tomasz Majewski, Olympiasieger in Peking und einer der größten Widersacher, steigerte sich in der zweiten Runde auf 21,72 Meter, das reichte ihm nicht. Auch der Mitfavorit Reese Hoffa steigerte sich, blieb aber unter 22 Meter. Und Storl? Steigerte sich und stieß noch mal zwei Zentimeter mehr. Dann war Majewski wieder dran. Der 31-Jährige schaffte 21,87 Meter, einen Zentimeter mehr als Storl. Das reichte ihm jetzt erstmal, Polen führte vor Deutschland. So blieb es, Storl konnte nicht nachziehen. Noch drei Versuche.
Majewskis vierter Stoß ungültig
Pause, von zwölf Finalisten durften jetzt nur noch die besten Acht weitermachen. Die Starterfolge wurde neu ausgelost – die drei Führenden kamen nun direkt nacheinander dran. Der Amerikaner Hoffa blieb bei gut 21 Metern. David Storl trat aus dem Ring. Auch Majewskis vierter Stoß war ungültig.
Runde fünf, ein Zentimeter Abstand, zwei Versuche noch. Hoffa fiel ab, Storl übertrat erneut, Majewski blieb stark, 21,72 Meter. Jetzt starteten erstmal die 10000-Meter-Läuferinnen.
Letzter Versuch, Hoffa, ungültig, er blieb bei Bronze. Letzter Versuch Storl, er hob die Arme, forderte Unterstützung von den Rängen, stieß, ungültig. Um 21.37 Uhr Londoner Zeit war Tomasz Majewski alter und neuer Olympiasieger im Kugelstoßen, mit 21,89 Meter im letzten Versuch. David Storl wurde Zweiter, geschlagen um nur drei Zentimeter. Sein Silber schimmerte golden.
Er kann das Wochenende und die zweite Olympiawoche nun entspannt angehen. David Storl hat die Leichtathletik gut starten lassen. Nur an einem Tag dieser Sommerspiele wird er aufgeregt sein, und er wird ihn nicht bei den Leichtathleten verbringen. Am kommenden Mittwoch steht Storl an der Regattastrecke auf dem Dorney Lake und schaut zu, wie seine Freundin Carolin Leonhardt, 27, im Viererkajak um Gold paddelt. Der Kugelstoßer hat bereits angekündigt, dass er sie "zum Olympiasieg schreien" werde.