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Leichtathletik-WM in Daegu Stimmungsmache für London

Mit Stimmungsvideos sind die deutschen Athleten vor der Leichtathletik-WM angeheizt worden. Bei sieben von ihnen hat es geklappt: Sportler wie Matthias de Zordo, Nadine Müller oder David Storl bringen eine Medaille nach Hause - und machen Lust auf die olympischen Sommerspiele in London.
Susanne Rohlfing, Daegu

Robert Harting, der sich sein Trikot vom Leib reißt. David Storl, der jubelt wie ein Großer. Matthias de Zordo, Bezwinger des Olympiasiegers. Betty Heidler, der Rotschopf mit dem Hammer. Nadine Müller, lange Arme, lange Beine, großes Strahlen. Martina Strutz, das vor Freude weinende Kraftpaket. Und die siebte im Bunde: Jennifer Oeser, die nicht klein zu kriegen ist. Das werden die Bilder sein, auf die die Leichtathleitk-Nation auch in London 2012 hofft. So viel steht nach den am Sonntag im südkoreanischen Daegu zu Ende gegangenen Leichtathletik-Weltmeisterschaften fest.

Für die deutsche Mannschaft hatte diese WM mit Videoaufzeichnungen ihrer Siegertypen der vergangenen zwei Jahre begonnen. Mit den neun Medaillengewinnern der WM 2009 in Berlin und den 16 Helden der EM 2010 in Barcelona. Mit den Weltmeistern Robert Harting (Diskus) und Steffi Nerius (Speer) sowie den Europameistern Matthias de Zordo (Speer), Verena Sailer (100 Meter), Betty Heidler (Hammer) und Linda Stahl (Speer). "Faszinierende, bewegende, sehr emotionale Bilder", so beschreibt es Thomas Kurschilgen, der Sportdirektor des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV).

Auf den Trick mit den Stimmungsmacher-Videos setzt die deutsche Fußball-Nationalmannschaft gern, warum also nicht auch die Leichtathleten? Sich die Siegertypen einzuprägen und es ihnen in Daegu nach zu tun, das war der Sinn dieser Motivations-Übung. Und es hat funktioniert. Jetzt gibt es neue Siegertypen, wie den Kugelstoß-Weltmeister David Storl aus Chemnitz oder die Stabhochsprung-Zweite Martina Strutz aus Schwerin. Und ein paar alte, die ihrer Rolle treu geblieben sind, wie der Diskuswurf-Weltmeister Robert Harting aus Berlin, der Speerwurf-Weltmeister Matthias de Zordo (Saarbrücken), die Diskuswurf-Zweite Nadine Müller (Halle), die Siebenkampf-Dritte Jennifer Oeser (Leverkusen).

Betty Heidler und ihr verpasstes Gold

Und Betty Heidler natürlich, auch wenn sie mit ihrem zweiten Platz zum Abschluss der WM am Sonntag nicht zufrieden war. Gewollt hat die Hammerwurf-Weltrekordlerin etwas anderes. Gewollt hat sie den Titel. Das stand der Frankfurterin am Ende ins Gesicht geschrieben, kein Lächeln weit und breit. Stattdessen strahlte Tatjana Lysenko, die Russin, die der deutschen Topfavoritin Gold wegschnappte.

Die 27-jährige ehemalige Weltrekordlerin war von Mitte 2007 bis Mitte 2009 wegen Dopings gesperrt. Inzwischen darf sie wieder werfen, und sie hat zu alter Form zurückgefunden. In Daegu beförderte sie ihren Hammer auf 77,13 Meter, Heidler kam nur auf 76,06 Meter. Die Chinesin Wenxiu Zhang wurde mit 75,03 Metern Dritte, Heidlers Vereins- und Trainingskollegin Kathrin Klaas kam mit 71,89 Metern auf Rang sieben. "Das war nicht das, was ich kann, es war einfach nicht gut, ich bin nicht zufrieden. Ich habe um Gold gekämpft, nicht um Silber", sagte Betty Heidler später. Lächeln konnte sie da noch immer nicht.

Dafür lächelte Thomas Kurschilgen viel. Mit sieben Mal Edelmetall, davon drei Mal Gold, kann das deutsche Team als Fünfter der Medaillenwertung hoch zufrieden aus Daegu abreisen. "Mit Blick auf Olympia 2012 haben wir unsere Standortbestimmung hervorragend bewältigt", sagte der Sportdirektor. "Wir haben eine exzellente Visitenkarte der deutschen Leichtathletik abgegeben."

Dabei zählte für ihn aber nicht nur die Medaillenausbeute. Seine Sammlung der positiven Zahlen sieht so aus: 28 deutsche Athleten landeten unter den Top zwölf, sechs weitere unter den Top 16, damit schafften es 34 Athleten in die Semifinals oder Finals, "ein sehr hoher Prozentsatz", findet Kurschilgen. Erfreulich sei auch: 15 Athleten lieferten eine Saisonbestleistung oder eine persönliche Bestleistung ab, 20 kamen sehr nah an ihre Saisonbestleistungen heran.

Beim Werfen sind die Deutschen vorne

Bei aller Euphorie bleibt natürlich festzuhalten: Die Deutschen konnten auch bei dieser WM das, was sie schon immer konnten: Werfen. Wenn es ums Laufen und Springen geht, sind andere Nationen stärker. Darüber vermochten auch erfreuliche Leistungen wie der U-20-Europarekord von Gesa Felicitas Krause (Frankfurt) über 3000 Meter Hindernis und die Halbfinalteilnahme von Georg Fleischhauer (Dresden) über 400-Meter-Hürden sowie die Finalteilnahmen von Hochspringer Raul Spank (Dresden) und den Weitspringern Sebastian Bayer (Hamburg) und Christian Reif (Saarbrücken) nicht hinwegtäuschen.

Etwas gewagt scheint da das Vorhaben der DLV-Verantwortlichen, im nächsten Jahr, dem Olympiajahr, sowohl zu den Europameisterschaften als auch nach London das leistungsstärkste Team zu schicken. Nur in Ausnahmefällen solle eine "Feinabstimmung" erfolgen, erklärte Kurschilgen. Wie schnell sich Trainer und Athleten bei so dicht aufeinander folgenden Wettkämpfen verkalkulieren können, haben zuletzt die Schwimmer vor gemacht. Sie waren bei ihren deutschen Meisterschaften sehr viel besser aufgelegt als vier Wochen später bei den Weltmeisterschaften. Und die Leichtathletik-EM 2012 in Helsinki Ende Juni liegt nur fünf Wochen vor den olympischen Leichtathletik-Wettbewerben.

Thomas Kurschilgen bereitet das keine Sorgen. "Ich bin überzeugt, dass diese Athleten, die sich hier in der Weltklasse gezeigt haben, auch 2012 die mentale und die physische Stärke besitzen werden, für die deutsche Leichtathletik das beste Ergebnis der letzten zehn Jahre zu erzielen", sagte er. Viel schlechter als 2008 (einmal Bronze) und 2004 (zweimal Silber) kann es ja auch nicht laufen.

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