WM 2022 in USA Malaika Mihambo und dann lange nichts: Deutsche Leichtathletik so schwach wie nie

Goldsprung von Malaika Mihambo. Sie landet mit verzerrtem Gesicht in der Weitsprung-Grube
Goldsprung unter Schmerzen: Weitspringerin Malaika Mihambo war der einzige Lichtblick bei einer für deutsche Athlet:innen desolaten WM.
© Michael Kappeler / DPA
Dass von der Leichtathletik-WM in den USA hierzulande kaum Notiz genommen wurde, lag nicht nur an der Zeitverschiebung. Die deutschen Athlet:innen waren so erfolglos wie nie zuvor. Malaika Mihambos Gold-Sprung hübscht das Fiasko nur wenig auf.

Es ist ein Zufall, dass in diesen Tagen der Leichtathletik-WM in Eugene/Oregon oft an die Olympischen Spiele von München 1972 erinnert wird. In 50 Jahren kann viel passieren, die Verhältnisse ändern sich und mancher Vergleich ist unfair, dennoch könnte kaum etwas den Niedergang der deutschen Leichtathletik mehr verdeutlichen, als wenn man den Medaillenspiegel der beiden Leichtathletik-Weltspiele nebeneinander legt. 1972 holten die Athlet:innen der Bundesrepublik sechs Gold-, drei Silber- und zwei Bronzemedaillen. Noch erfolgreicher waren die DDR-Sportler:innen mit acht Mal Gold, sieben Mal Silber und fünf Mal Bronze. Die Bilanz des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) in Eugene: eine Goldene, eine Bronzene – das war's.

Schon seit vielen Jahren schwächelt die einstige Leichtathletik-Großmacht Deutschland gewaltig. Nun ist sie auf einem vorläufigen Tiefpunkt angekommen. Nie schnitt ein deutsches Leichtathletik-Aufgebot auf der Weltbühne schlechter ab als bei dieser WM in den USA. "Wir müssen feststellen, dass wir mit dem Ausgang der WM nicht zufrieden sind und es so nicht erwartet haben", zog Chefbundestrainerin Annett Stein am letzten Wettkampftag in zurückhaltenden Worten eine äußerst bittere Bilanz. Zuvor war die WM 2003 in Paris der Tiefpunkt gewesen, als vier Mal Edelmetall verbucht werden konnte (eine Silber, drei Bronze).

Leichtathletik-WM: Malaika Mihambo hübscht Bilanz auf

Die Goldmedaille von Olympiasiegerin Malaika Mihambo, dem derzeit einzigen deutschen Leichtathletik-Weltstar, hübschte die Bilanz in letzter Minute ein wenig auf. Doch: "Ziel war, die Medaillenpotenziale abzurufen und das Ergebnis der Olympischen Spiele zu verbessern", sagte Stein. In Tokio hatten die DLV-Asse drei Medaillen gewonnen. Bei der WM in Eugene hätten 40 bis 45 Prozent der 80 deutschen Athleten ihr Leistungsvermögen nicht abrufen können, erklärte Stein. Nach den Gründen wird zu forschen sein, denn auch bei den Platzierungen in Medaillenreichweite sah es nicht gut aus.

Probleme bereitet hätten zudem der Ausfall von Medaillenkandidaten wie die der Speerwurf-Asse Johannes Vetter und Christin Hussong sowie der Siebenkämpferin Carolin Schäfer und des Olympia-Zweiten im Gehen, Jonathan Hilbert. Außerdem sei das deutsche WM-Team von einigen Corona- und Krankheitsfällen vor und während der Welttitelkämpfe beeinträchtigt worden. Darunter litten vor allem die Leistungen der Langstrecklerinnen Konstanze Klosterhalfen und Gesa Felicitas Krause, die nach ihrem chancenlos als Letzte beendeten Finale dennoch ihre Leistung vor TV-Mikrofonen sehr selbstkritisch bewertete.

Hoffnung auf Wiedergutmachung bei der Heim-EM im August

In ganz anderen Sphären bewegt sich derzeit nur Malaika Mihambo. EM-Gold, WM-Gold, Olympia-Gold, WM-Gold – seit nun vier Großereignissen in der Leichtathletik liefert die deutsche Sportlerin des Jahres aus den vergangenen drei Jahren ab. Der aktuell besten Weitspringerin der Welt gehe es dabei inzwischen weniger um Titel als um eine ganz andere Frage, sagt sie. "Titel ist Titel. Von daher freue ich mich, dass mir das gelungen ist", betonte die 28-Jährige am Sonntagabend (Ortszeit) nach ihrem Satz auf 7,12 Meter. "Ich wollte nur sagen, dass ich gerne mehr gebe und mich verbessere und mehr zeigen kann von dem, was ich drauf habe – unabhängig davon, ob ich den Titel hole oder nicht." Es gehe ihr längst mehr um eine "innere Meisterschaft", den Willen, sich selbst zu verbessern.

Viel Zeit zum Wundenlecken bleibt Verband und Athlet:innen nicht. Vom 15. bis 21. August steigen bereits die Europameisterschaften in München. Im eigenen Land wollen die deutschen Athlet:innen trotz der Enttäuschung von Eugene besser abschneiden. "Ich würde mir wünschen, wenn wir ein zweistelliges Medaillenergebnis erreichen könnten", sagte DLV-Präsident Jürgen Kessing, der das Gold von Mihambo nur "als Aufhübschen" der EM-Bilanz ansah. In Abwesenheit der vielen nicht-europäischen Stars und mit der besonderen Motivation, vor heimischen Publikum anzutreten, scheint dieses Ziel sogar nicht unrealistisch. Aber es ist die deutlich kleinere internationale Bühne. 

DPA
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