In einer Premiere wird es zum ersten Mal Bewerbern Olympischer Spiele möglich sein, sich vor einem Millionenpublikum in aller Welt zu präsentieren. Der englische Fernsehsender BBC plant für den 27. Januar als Vorspiel für die Vergabe der Spiele 2012 eine globale TV-Anhörung mit den fünf Kandidaten Paris, London, Madrid, Moskau und New York. Nach Aussage von BBC-Sprecher Kevin Young haben alle fünf Metropolen grundsätzlich ihre Beteiligung zugesagt. Noch keine Entscheidung ist über den genauen Ablauf gefallen. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) bestimmt den Austragungsort für die Spiele nach Peking 2008 am 6. Juli durch seine Vollversammlung in Singapur.
Übertragung in 200 Ländern zu empfangen
Mit der in 200 Ländern zu empfangenden Übertragung von BBC World will der Sender dem großen Interesse an dem olympischen Fünfkampf Rechnung tragen. Das Hearing soll Spitzenvertretern der großen Fünf die Möglichkeit geben, ihre Pläne und Vorzüge einem weltweiten Publikum darzustellen. Neben einer Präsentation, in deren Rahmen die einzelnen Bewerbungschefs ein dreiminütiges Statement abgeben können, sollen Fragen von Journalisten erlaubt sein. Als neutraler Veranstaltungsort ist Turin als Ausrichter der Winterspiele 2006 vorgesehen.
Die IOC-Führung hat nach langwierigen Gesprächen mit BBC ihre Bedenken gegen die TV-Veranstaltung aufgegeben. Als Bedingung gilt die Einhaltung der IOC-Regeln durch die olympischen Bewerbungskomitees. Sie verbieten den Kandidaten vor allem eine vergleichende Bewerbung und damit das Herabsetzen der Mitbewerber. Wegen zunehmender Heftigkeit der Kampagnen hatte IOC-Präsident Jacques Rogge die Städte Anfang Dezember zur Einhaltung der Fairplay-Regeln aufgefordert. Vorangegangen war der Protest Madrids bei der IOC-Ethikkommission gegen Paris. Danach soll die französische Regierung ihre Botschaften in die Paris-Kampagne eingebunden haben. Wegen eines ähnlichen Vergehens hatte das IOC bereits die Regierung Blair verwarnt.
IOC-Mitglieder dürfen seit 1999 Bewerber-Städte nicht besuchen
Die olympische Spitze befürwortet das Hearing, weil es das Interesse an Olympischen Spielen noch verstärkt. Das IOC hat die Werbemöglichkeiten für Olympia-Kandidaten nach dem Bestechungsskandal um den Winterspiele-Bewerber Salt Lake City strikt begrenzt und deren Präsentationsmöglichkeiten stark eingeschränkt. IOC-Mitglieder dürfen seit 1999 Bewerber-Städte nicht mehr besuchen. Das wird von den meisten Kandidaten als hinderlich und unangemessen bewertet.
Das IOC sieht die Bewerbungskampagnen als internen Prozess, in dem die Arbeit seiner Evaluierungskommissionen eine entscheidende Rolle für das Abstimmungsverhalten spielen soll. So wird eine elfköpfige Prüfungskommission im Februar und März die Kandidaten für die Spiele 2012 in Augenschein nehmen und ihre Bewertung rechtzeitig vor der Abstimmung öffentlich machen. Unmittelbar vor dem Votum haben die Städte in einer jeweils einstündigen Präsentation eine letzte Möglichkeit, Einfluss auf die IOC-Mitglieder zu nehmen.
In ersten Stellungnahmen haben die fünf Städte die BBC-Pläne für einen globalen TV-Werbeauftritt begrüßt. "Er ist eine faire Möglichkeit für Jeden, seine Argumente einzubringen", sagte Jerome Lenfant als Sprecher des Bewerbungskomitees Paris 2012. Lord Sebastian Coe, einst der beste Mittelstreckler der Welt, sprach als Chef von London 2012 von einer "großartigen Möglichkeit" für die Städte, ihr Anliegen vorzutragen.