"Vendée Globe"-Regatta um die Welt Sponsor wirft Seglerin von Rennjacht, nachdem sie Mutter geworden ist

Clarisse Crémer sitzt in blauem Polo-Shirt und mit verspiegelter Sonnenbrille an Bord einer Segeljacht in der Sonne
Die französische Profi-Seglerin Clarisse Crémer an Bord einer Segeljacht (Archivbild)
© Maxime Le Pihif/SIPA / Action Press
Die Französin Clarisse Crémer gehört zu den besten Seglerinnen der Welt und ist seit einigen Monaten Mutter. Mitten in den Vorbereitungen zur 2024 startenden "Vendée Globe" hat ihr Sponsor die Zusammenarbeit beendet – weil er ihr als Mutter die Qualifikation für die Regatta um die Welt nicht mehr zutraut.

Allein vom Lesen des Instagram-Posts von Clarisse Crémer ist zu spüren, wie groß die Enttäuschung der Segelsportlerin ist: "Ich habe im November 2022 ein kleines Mädchen zur Welt gebracht. Obwohl ich nicht dazu verpflichtet war, hatte ich meinen Sponsor Banque Populaire bereits im Februar 2021 über meine Kinderpläne informiert. Sie haben mich trotzdem für diese neue Vendée Globe ausgewählt und im Herbst 2021 über unsere Zusammenarbeit informiert", schreibt die französische Profi-Seglerin. "Am vergangenen Freitag habe ich erfahren, dass Banque Populaire schließlich beschlossen hat, mich zu ersetzen. Durch ihre Entscheidung und trotz meines beständigen Willens werde ich nicht an der Vendée Globe 2024 teilnehmen."

Die Vendée Globe ist die wohl anspruchsvollste Segelregatta der Welt: ein Mensch fährt allein an Bord einer höchstens 18,28 Meter langen Rennjacht non-stop um die Welt. Das nächste Rennen startet im November 2024 und soll im März 2025 beendet sein. Bei der vergangenen Regatta hatte der Hamburger Segler Boris Herrmann nach einer Kollision kurz vor dem Ziel den fünften Platz belegt. Auch auf die kommende Ausgabe der Vendée Globe bereitet er sich aktuell vor. Gegen Clarisse Crémer wird er dann allerdings nicht antreten müssen.

Banque Populaire fürchtet um "Vendée Globe"

Crémers Ex-Sponsor Banque Populaire begründet den Austausch der Skipperin in einem Statement: Demnach haben die Veranstalter das Reglement der "Vendée Globe" geändert. Nun sind nicht mehr alle, die bei der letzten Regatta das Ziel erreicht haben, für die neue Ausgabe qualifiziert. Stattdessen müssen bei Vorbereitungsregatten zwischen Winter 2021 und Sommer 2024 Punkte gesammelt werden, um einen der 40 Startplätze zu ergattern. Für diese Regatten habe Banque Populaire ein Boot gemietet, bis die neue Rennjacht im Dezember 2023 fertig gebaut ist. "Da Clarisse aus glücklichen Mutterschaftsgründen nicht an diesen Rennen teilnehmen konnte, befindet sie sich heute in einer Situation, in der sie nicht darauf hoffen kann, die erforderliche Anzahl an Punkten zu erreichen, um sich für die Vendée Globe 2024 zu qualifizieren", schreibt die Bank in ihrer Pressemitteilung. Wegen dieses Risikos habe man bereits im Sommer die Veranstalter der "Vendée Globe" um eine Ausnahmegenehmigung für Crémer gebeten, diese jedoch leider nicht erhalten. "Um trotz allem die Zukunft des Projekts bei der nächsten Vendée Globe zu garantieren und angesichts der menschlichen (Aufbau eines Teams) und finanziellen (Erwerb eines Bootes) Investitionen muss sich das Team Banque Populaire leider damit abfinden, sein Projekt weiterzuentwickeln und die Banque Populaire XII jemandem Neuen anzuvertrauen, dessen Name in den nächsten Tagen bekannt gegeben wird", teilt der Sponsor mit.

Auch die Leitung der "Vendée Globe" hat reagiert. In einer Pressemitteilung erklärt sie, die neuen Regeln früh genug veröffentlicht zu haben. Wegen der Chancengleichheit könne man keine Ausnahmeregelung erteilen. Die Möglichkeit, Crémer eine Wildcard zu erteilen, habe man mit der Skipperin und ihrem bisherigen Sponsor beraten. "Diese kann aber nicht vor dem Ende der Qualifikationsregatten vergeben werden, weil die Vendée Globe vorher nicht weiß, welche Skipper darauf Anspruch haben könnten." Aktuell sei noch niemand sicher, an der kommenden Weltumsegelung teilzunehmen, betonen die Organisatoren in ihrer Pressemitteilung.

Clarisse Crémer greift Sponsor an

Crémer ist schockiert, wie sie auf Instagram erklärt. Andere Projekte würden weiterlaufen. "Ich hatte noch zwei volle Saisons und vier Transatlantikfahrten vor mir, um wieder auf das gleiche Niveau zu kommen, und ich war voll dabei, meine Rehabilitation so schnell wie möglich abzuschließen", schreibt sie und spart nicht mit Kritik an ihrem Ex-Sponsor: "Sie sind bereit, das Risiko eines riesigen Trimarans und aller natürlichen, technischen und menschlichen Unwägbarkeiten, die mit dem Hochseerennen verbunden sind, zu tragen, aber offensichtlich nicht das Risiko einer Mutterschaft."

Auch die Regatta-Organisation bekommt ihr Fett von Crémer weg: "Die Organisation der Vendée Globe begnügt sich im Übrigen damit, dass es ihr 'leid tut für mich', sie aber 'nichts tun kann'. Dabei ist sie es, die die Regeln schreibt. Vor vier Jahren wäre ich automatisch qualifiziert gewesen, weil ich bei der vorherigen Ausgabe ins Ziel gekommen war." Wem wolle man im 21. Jahrhundert weismachen, dass solche Regeln fair wären?, fragt sie. "Es ist ein Leichtes, anschließend die geringe Anzahl von Frauen an den Startlinien zu beklagen."

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Die Skipperin gibt sich zugleich kämpferisch – nicht nur in Bezug auf den Segelsport: "Ich bin entschlossen, wieder zu segeln, und zwar unter den Farben eines vertrauenswürdigen Partners, dessen menschliche Überzeugungen ich teile. Meine Leidenschaft für den Segelsport ist ungebrochen und ich werde die Ernüchterung, die ich heute erlebe, schnell überwinden können."

Sie schaut aber auch über den Tellerrand hinaus: "Ich denke vor allem an all die Frauen, Sportlerinnen und andere, die ähnliche Schwierigkeiten durchmachen, ohne diese Möglichkeit zu haben, sich zu Wort zu melden. Was bedeutet Gleichberechtigung für Frauen? Sich in jeder Hinsicht wie Männer zu verhalten und daher vor allem nicht schwanger zu sein?" Sie schließt ihre Stellungnahme mit dem Satz: "Wenn ich mich heute zu Wort melde, dann nicht aus Rache, um Aufmerksamkeit zu erregen oder bemitleidet zu werden, sondern um zum Nachdenken anzuregen und in der Hoffnung, dass unsere Gesellschaft Fortschritte macht."

Sie hat jedenfalls einen Anstoß dafür über die Segelszene hinaus gegeben.

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