Finanzierung Verteilungskämpfe und Wettbewerbsängste

Die EU-Erweiterung verhilft Europa nicht notwendigerweise zu neuer wirtschaftlicher Größe: Zwar wächst die Bevölkerung um etwa ein Fünftel, die Wirtschaftskraft aber nur um knapp fünf Prozent.

Festtagsreden, Partystimmung, Feuerwerk: Der 1. Mai 2004 ist für gut 74 Millionen Europäer diesmal bedeutsamer als der mehr oder weniger geachtete Feiertag zu Ehren der internationalen Arbeiterbewegung. Er markiert den offiziellen Start in eine neue politischen Epoche, mit der für Estland, Lettland, Litauen, Slowenien, Tschechien, Polen, Ungarn, die Slowakei, Malta und Zypern auch große wirtschaftliche Hoffnungen verknüpft sind.

Wirtschaftskraft wächst um nur fünf Prozent

Zwar wird die Erweiterung um zehn neue Staaten der Europäischen Union nicht zu neuer ökonomischer Größe verhelfen: die Bevölkerung wächst zwar um etwa ein Fünftel, die Wirtschaftskraft aber nur um rund 5 Prozent. Doch die Segnungen des gemeinsamen Binnenmarktes, die Aussichten auf eine stabile Währung und der milliardenschwere Geldtransfer aus den Brüsseler Töpfen in strukturschwache Gebiete werden langfristig für Wohlstand überall in der EU der 25 sorgen.

Doch in die Freude über die schon so oft beschworene historische Leistung mischen sich auch Misstöne. Und es sind nicht nur die Ängste der Neuen, von reichen Alt-Europäern ökonomisch überrollt oder gar aufgekauft zu werden. Auch die Etablierten zeigen in Zeiten mauer wirtschaftlicher Entwicklung, wo die Grenzen der Solidarität sind. Schon früh kündigten beispielsweise Deutschland und Österreich an, in einer Übergangszeit die nationalen Arbeitsmärkte vor dem Zuzug von Menschen aus den Beitrittsstaaten zu schützen.

Kein Verzicht auf derzeitige Milliarden-Zuwendungen

Dazu passend formierten sich die früheren "Armenhäuser" der EU wie Spanien, Portugal, Irland und Griechenland, um ihre derzeit milliardenschweren Zuwendungen auch für die nächste Finanzperiode 2007 bis 2013 festzuschreiben. Doch angesichts knapper Kassen - vor allem in Deutschland und Frankreich, den beiden stärksten Volkswirtschaften der EU - sind den Ausgaben für die Bedürftigen Grenzen gesetzt.

Und nun ist auch noch die Sorge vor einem Steuer-Dumping hinzugekommen. In seltener Einmütigkeit warnten Bundeskanzler Gerhard Schröder und Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber vor einem für die nationale Wirtschaft schädlichen Steuerwettbewerb durch die Neuen. "Es kann nicht angehen, dass Deutschland als größter Nettozahler der EU einen unfairen Steuerwettbewerb gegen sich finanzieren muss", sagte Schröder.

Neue locken mit niedrigen Steuersätzen

Doch diesen Wettbewerb werden Deutschland und die anderen "alten" EU-Mitgliedsstaaten aushalten müssen. Über Geld muss in der EU fast immer einstimmig entschieden werden, bei Steuerfragen immer. Und es dürfte wenig wahrscheinlich sein, dass Länder, die mit niedrigen Steuersätzen um die Ansiedlung von Unternehmen buhlen, ihren Standortvorteil freiwillig aufgeben.

Zwar machte sich EU-Erweiterungskommissar Günter Verheugen jüngst auch dafür stark, für Unternehmensteuern eine verbindliche Bandbreite festzulegen. Aber pauschalen Befürchtungen, die Erweiterung koste beispielsweise Deutschland durch Unternehmensabwanderungen Jobs, widersprach er: "Es stimmt einfach nicht, dass Arbeitsplätze verloren gehen durch die kommende Erweiterung." Vielmehr habe und werde die deutsche Wirtschaft weiter vom Beitritt der neuen Mitgliedstaaten profitieren.

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Martin Romanczyk, dpa

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