Der Anzug ist gebügelt - nun geht es ans Eingemachte. Wird die Park Avenue mein neuer Arbeitsplatz?
Die Sonnenstrahlen brannten auf die Straßen Manhattans und der schwarze Asphalt tat sein Übriges, um die Hitze noch zu verstärken. Ich kam mir vor, als würde ich durch einen Brennofen wandeln, als ich letzte Woche zu meinem Vorstellungsgespräch ging. Ich hatte mir doch tatsächlich einen der heißesten Tage im Jahr ausgesucht. In New Jersey wurde an diesem Tag sogar der Hitzerekord gebrochen. An einigen Orten Manhattans kletterte das Fahrenheit-Thermometer gar auf dreistellige Werte.
Da ich mir jedoch viel Zeit genommen hatte, brauchte ich mich nicht zu beeilen und versuchte insgeheim meine innere Ruhe nicht durch die aggressiv drängelnden Leute zu verlieren. Denn bei dieser brutalen Hitze versucht jeder New Yorker, so schnell wie möglich vom klimatisierten A zum ebenfalls klimatisierten B zu gelangen. Die Zeit dazwischen gilt es zu minimieren.
Insofern bewegte nur ich mich langsam. Allerdings auch, um alles bewusst auf mich einwirken zu lassen. Das erste Vorstellungsgespräch in New York ist nun mal etwas Besonderes.
Als ich aus der Subway ausstieg und auf die Park Avenue stieß, war ich wieder einmal von deren Größe und Pracht überwältigt. Bis zum Horizont konnte ich sie verfolgen, und am Ende sah es tatsächlich so aus, als würde man die Krümmung der Erde sehen können. Das mag ich an New York. Die langen bis an den Horizont reichenden Straßenschluchten. Und hier sollte ich also - wenn alles gut läuft - arbeiten. Schwindelerregend türmte sich vor mir das 32 Stockwerk hohe Bürogebäude auf. Ja, so könnte ich mir meinen künftigen Arbeitsplatz durchaus vorstellen. Also rein.
Zur Sache, Mister
Das Gespräch an sich ist nicht weiter erwähnenswert. Es verlief eher enttäuschend. Als ich mich Mister Nevans vorstellte und er noch einmal meinen mitgebrachten Lebenslauf überflog, meinte er schmunzelnd zu mir: »So, you are an international economist ... what are you doing here?!« Und auch wenn das ironisch verstanden werden sollte, spiegelte es doch sehr deutlich meine Erkenntnis wieder. Die dort arbeitenden Leute erschienen mir uninspirierend und das Umfeld unkreativ. Die typische amerikanische Arbeitsteilung fand auch in diesem Hause leider in großem Maße statt. Alles in allem entsprach es so gar nicht meinen Vorstellungen.
Auf dem Weg nach draußen wurde mir klar, dass ich hier nicht arbeiten werde, und als ich mich kurz darauf in der U-Bahn nach Hause befand, dachte ich über die eigentliche Bedeutung des Wortes »Vorstellungsgespräch« nach.
Denn im Grunde ist dies nicht nur eine Vorstellung der eigenen Person, sondern vielmehr ein Gespräch über die gegenseitigen Vorstellungen. Die der anzustrebenden Tätigkeit und die der dafür gesuchten Person. Und genau diese beiden Vorstellungen lagen in meinem Fall wohl sehr weit auseinander.
Na dann, auf ein Neues.