Heute ist wieder so ein Tag, an dem Franky so richtig gut auf sich zu sprechen ist. Gerade hat er auf einer Abifeier eine Rede gehalten, über Herz und Heimat und Haltung, und die Eltern an seiner früheren Schule feierten ihn für seine Worte. Dass es im Leben darauf ankomme, alles ernst, sich selbst aber nicht allzu wichtig zu nehmen. Dass man sich später im Job an Chefs orientieren solle, die als Menschen Vorbilder sind. Weniger an Typen, denen es nur ums Geld geht.
Frank Behrendt ist PR-Profi. Er weiß, was die Leute hören wollen. Er weiß aber auch, was vielen fehlt. 25 Jahre wurde er dafür bezahlt. Er war einer der besten Verkäufer des Landes und durchlief alle Positionen, vom Junior-Texter bis zum Senior-Berater. Er war Managing Director, Geschäftsführer, Global Partner und zuletzt im Vorstand der Kreativ-Agentur Fischer-Appelt. Diesen Job ist er nun los. Weil er es so wollte.
33 Jahre sind ins Land gegangen, seit Frank Behrendt, der sich am liebsten Franky nennt, das Gymnasium verließ, die eigene Abiturfeier schwänzte und stattdessen loszog ins Land seiner Träume: lieber in Kanada in kurzen Hosen in einem Kanu sitzen als in Cuxhaven mit Hemd und Krawatte im Schulfoyer. Er beauftragte seine Mutter, das Zeugnis entgegenzunehmen.
Frank Behrendt schreibt über die Liebe
Jetzt, mit 53 Jahren, ist wieder Zeit zum Träumen. Behrendt hat ein Buch geschrieben. Über die Liebe. Die Liebe zur Familie – Vater, Mutter, Kind. In einer Welt, in der die Werbung ungern auf die zärtliche Zuwendung zu Autos, Buletten, Schuhen, Kino oder Flugzeugen verzichtet ("Wir lieben Fliegen", "Wir lieben Lebensmittel", "Ich liebe es"), verteidigt ausgerechnet ein Werber ein schönes altes Wort gegen den Jargon seiner Branche. "Liebe dein Leben und nicht deinen Job", heißt Behrendts Werk* , das er zum Bestseller machen möchte.
Es ist, kurz gesagt, ein unterhaltsames Plädoyer, in eher unübersichtlichen Zeiten eine gewisse Ordnung zu schaffen. Sich zu besinnen, was wirklich wichtig ist. Dem Chef zu gefallen? Sich selbst zu optimieren? Der Letzte zu sein, der das Licht ausmacht? Oder Freundschaften zu pflegen und gut zu sein mit denen, auf die Verlass ist? Jobs kommen und gehen, Eltern und Kinder bleiben. Noch besser: Die Ehe hält, was man sich einst versprach.
Die Menschen in Cuxhaven jedenfalls waren schon mal bewegt von seinem Vortrag. "Berührt" , sagt Franky, ach was, "erleuchtet".
Reden konnte er immer schon, sagt seine Mutter Christel, an der Tür seines Jugendzimmers habe "I am the Greatest" gestanden. Frank Behrendt sagt, damit habe er Muhammad Ali gemeint. Mama lacht. Sie sieht unverschämt gut aus mit ihren 82 Jahren und ist mit feiner Ironie gesegnet. Als ihr Sohn sich in jüngeren Jahren eine Trainingshose mit drei Streifen wünschte, schneiderte sie ihm eine mit vier.
Jetzt sitzt die Presse an ihrem Küchentisch; der Sohn ist auf Promo-Tour in eigener Sache. Wer könnte sein Buch besser vermarkten als Franky himself? Er hat schon den Verkauf von Mars-Riegeln angekurbelt und kurz nach dem Mauerfall den Osten mit "West"-Zigaretten geflutet. Er hat Menschen zu Marken gemacht und Marken zu Geld.
Für Pril und Somat organisierte Behrendt die ersten deutschen Spülmeisterschaften auf dem Berliner Alexanderplatz mit einem fulminanten Finale und Johannes B. Kerner als Moderator eines Geschlechterkampfs, wer schneller Teller und Tassen einsortieren kann. Den Etat eines Grillherstellers holte er, weil er statt Powerpoint Indianerfiguren präsentierte – der Grill, um den sich alle versammeln, sei das Lagerfeuer von heute. Nun aber, sagt seine Mutter, "verkauft er sich selbst".
Tipps aus dem Friseursalon
Gerade hat sich Frank Behrendt als Marke beim Bundespatentamt eintragen lassen: frankzdeluxe. Die Markenbotschaft: Er lässt sich nicht mehr stressen und sagt anderen, wie das geht. Es könnte funktionieren. Er ist ja selbst höchst erstaunt, was er vergangenes Jahr mit ein paar einfachen Tipps losgetreten hat.
Behrendt saß beim Friseur, als ihn ein Werbemann anrief und fragte, ob er mal schnell für seinen Branchendienst zehn Gründe rübermailen könne, warum er immer so gut drauf sei. In der überdrehten Branche hatte sich herumgesprochen, dass da jemand ist, der sich aufreizend lässig tiefenentspannt gibt.
20 Minuten später waren zehn Ratschläge in der Welt – und wurden millionenfach geklickt und geteilt. Tipps wie: einfach mal alte Freunde anrufen. Oder das Abendbrot mit der Familie nicht Geschäftsessen zu opfern. Das Lieblingsspielzeug aus der Kindheit wiederbeschaffen. Sein Berufsleben so organisieren, dass man die Kinder sieht. Behrendt hat drei und ist um halb sieben zu Hause, spätestens. Mit dem Alkohol, sagt er, habe er aufgehört, um zur Not auch nachts von einem Termin nach Hause düsen zu können.
Ratschläge als Viralhit
Behrendts schlichte Ratschläge machten die Runde und wurden zu einem viralen Hit. Vor allem bei denen, die im Job am Rad drehen und weder Life noch Work noch Balance unter einen Hut kriegen. Ein 16-Jähriger schrieb, er habe seinem Vater die Tipps auf den Schreibtisch gelegt und seitdem regelmäßige Verabredungen mit ihm. Eine Mutter schickte Blumen, Behrendt habe ihr Familienleben gerettet. Wahnsinn, sagt Behrendt, die da draußen sind wirklich alle so kaputt.
Gestresst und getrieben und mit den Gedanken überall, nur nicht bei sich. Was tun? Für Frank Behrendt war schnell klar: ein Geschäft daraus machen. Plötzlich war er Entspannungsberater. Kaufte Liegestühle und empfahl sich den Menschen als Coach. Sie sagten ihm: Ich will auch was ändern, Franky, aber ich weiß nicht, wie. "Seitdem versuche ich, dieses Aber zum Thema zu machen" , sagt Behrendt.
Seine Rolle gefiel ihm immer besser: das Einfache zu sagen, wenn alles immer komplizierter scheint. In einem Berufsleben, das ist sein Eindruck, über das "alle schimpfen, alle meckern, alle klagen". Und in einer Zeit, in der nur wenige eine Vorstellung haben, wie man seiner eigenen Unzufriedenheit Herr wird und ändert, was zu ändern ist.
Ein Buch zum Lockermachen
Frank Behrendt hat also seine zehn Tipps zu einem Buch ausgebaut und aufgeschrieben, wie er selbst das so macht mit dem Lockersein; zum Nachmachen für all jene, die schon vor dem Aufstehen keine Zeit mehr zu haben glauben und unterm Kopfkissen noch ihre Mails checken. Auch für jene, die glauben, was er da sagt, sei wohlfeil, weil einer wie er als Vorstand, der er lange war, die Regeln bestimmen konnte. Die sagen, sie selbst hätten gar keine Wahl, als sich stetig steigendem Druck zu unterwerfen.
Mutter Behrendt hat Sorge, dass ihr Sohn ein bisschen dick auftragen könnte. Die einstige Kunstlehrerin hat viel mit Leuten zu tun, denen es schlecht geht, sie ist immer noch in der Welt unterwegs, zuletzt in Weißrussland, um für den "Senior Experten Service" Menschen zu ermuntern, aus eigener Kraft das Leben zu meistern. Mit Selbstmarketing hat sie so gar nichts am Hut.
Franky schon. Der hört gar nicht mehr auf zu reden. Wo er wann zu Hause mit seinem Bruder Winnetou gespielt hat und wie der wilde Garten seiner Eltern zur weiten Prärie wurde. Wie sie Filme drehten mit der Super 8 von Onkel Eberhard, legendär, das alles.
Hier, in diesem Haus in Otterndorf an der Elbe, begann die Liebe zum Leben und zur Familie, mit zwei Geschwistern in selbst gezimmerten Piratenbetten und einem Grundriss mit runden Ecken, vom Vater so entworfen. Einem Paradies der Fantasie; mit Indianerpfeilen an der Wand und im Regal Bilderalben von Reisen um die Welt. Die Mutter sagt, wir haben unsere Kinder "weltfreundlich" erzogen. Sie mit Anregungen und Geschichten gefüttert, dass jeder sich seinen eigenen Reim aufs Leben machen könne. Wie zur Bestätigung setzt sich der Sohn ans Klavier und klimpert die Erkennungsmelodie von Pippi Langstrumpf: Ich mach mir die Welt, widewide wie sie mir gefällt.
Behrendt hat es weit gebracht in einer Branche, die laut ist und lästig. Alles verlangt und nichts verschenkt. Doch seine erste Ehe scheiterte, weil er mit dem Job verheiratet war. Die Scheidung kostete ihn zeitweilig das Zusammenleben mit der achtjährigen Tochter und eine Finca auf Mallorca. Und brachte ihm die Erkenntnis, dass er sich ändern müsse, um nicht wie viele andere "in den Burnout zu gehen".
Frank Behrendt trifft einen Nerv, das macht ihn auch in seinem neuen Leben so erfolgreich. Nach neuesten Umfragen ist etwa jeder zweite Arbeitnehmer unzufrieden mit seinem Job und seinem Leben. Überfordert vom Gefühl, alles gleichzeitig und noch schneller erledigen zu müssen. Dem Dauerdienst, den Phrasen und Posen und Parolen. Behrendt kennt all das, die Nächte ohne Schlaf, das Selbstverleugnen und den Selbstbetrug, die Hybris und den Hype.
Er wäre am liebsten Winnetou
Aber jetzt ist es Zeit für seinen eigenen. Er sagt: Wenn es mich nicht gäbe, müsste ich mich erfinden. Weil es so viele Langweiler gebe und so wenige Menschen, die auch selbstironisch sind. Mit dem Ratschlag, sich seiner Kindheitsträume zu erinnern, geht er demnächst in die Talkshows. Behrendt sagt nichts Neues, aber er sagt es anders. Die Beraterbranche boomt, die Leute sind eher außer sich als in sich gekehrt; doch hat nicht schon ein anderer großer Prediger empfohlen, so zu werden wie die Kinder?
Frank Behrendt, der unter anderen bekannte Fußballtrainer berät, hat sich also im Keller seines Hauses eine beeindruckende Sammlung mit alten Cowboy- und Indianerfiguren eingerichtet, aus der legendären "Timpo Toy"-Kollektion, Spritzguss, wer das noch kennt.
Franky wäre am liebsten wie Winnetou, früher wie heute. Der legendäre Häuptling, von dem Karl May seinen Erzähler sagen lässt, er kenne "nicht einen einzigen Fall, dass es einem Menschen möglich gewesen wäre, der Beredsamkeit des großen, unvergleichlichen Apachen zu widerstehen". Genauso soll es bald allen gehen, die dem unvergleichlichen Frank Behrendt begegnen.